Vorwort
§ 1 § 1 Anwendungsbereich und Ziele
(1) Dieses Gesetz regelt Maßnahmen, um
1. im öffentlichen Interesse des Schutzes der Kärntner Almen und Weiden und zur Aufrechterhaltung ihrer nachhaltigen Bewirtschaftung,
2. zur Erhaltung einer flächendeckend produktiven Landwirtschaft in einem funktionsfähigen ländlichen Raum und
3. zur Erhaltung der Kulturlandschaft unter Berücksichtigung der Ziele des Protokolls zur Durchführung der Alpenkonvention von 1991 im Bereich Berglandwirtschaft (Protokoll „Berglandwirtschaft“), BGBl. III Nr. 231/2002 idF BGBl. III Nr. 115/2005, insbesondere zur Erhaltung und Wiederherstellung von traditionellen Kulturlandschaftselementen nach Art. 8 Abs. 3 dieses Protokolls,
ernste Schäden in der Tierhaltung und an Kulturen sowie an Wäldern und sonstigen Formen von Eigentum zu verhüten, die vom Wolf ( Canis lupus ) als ganzjährig geschonte Tierart verursacht werden können. Ziel ist dabei die Schaffung eines Ausgleiches zwischen dem Protokoll „Berglandwirtschaft“ und den Zielen der FFH-Richtlinie.
(2) Maßnahmen, die nach den §§ 4 oder 5 dieses Gesetzes erlaubt sind, gelten als Ausnahme von den jagdrechtlichen Schonvorschriften. Auf solche Maßnahmen sind § 51 Abs. 4a und Abs. 6 sowie § 52 Abs. 2 erster Satz und Abs. 2a Kärntner Jagdgesetz 2000 – K-JG nicht anzuwenden.
§ 2 § 2 Begriffsbestimmungen
(1) Almen sind landwirtschaftliche Kulturflächen gemäß § 6b Abs. 3 Kärntner Landwirtschaftsgesetz – K-LWG.
(2) Bewirtschaftete Almen sind Almen (Abs. 1), die durch Beweidung oder Mahd wirtschaftlich genutzt und auf denen landwirtschaftliche Nutztiere zur Nahrungsaufnahme durch Beweidung gehalten werden.
(3) Weiden sind landwirtschaftliche Kulturflächen im Sinne des § 2 Abs. 3 und 4 des Kärntner Kulturflächenschutzgesetzes – K-KFSchG, auf denen landwirtschaftliche Nutztiere zur Nahrungsaufnahme durch Beweidung gehalten werden und bei denen es sich nicht um Almen (Abs. 1) handelt. Als Weiden im Sinne dieses Gesetzes gelten ferner bewirtschaftete Almen (Abs. 2), soweit sie nicht zu einem Almschutzgebiet gehören.
(4) Landwirtschaftliche Nutztiere sind die im Rahmen einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in Gehegen oder im Freien gehaltenen Weidetiere oder in Stallungen gehaltenen Stalltiere (zB Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen, Equiden, Neuweltkameliden, Hühner, Enten- oder Laufvögel). Zu landwirtschaftlichen Nutztieren zählt auch das im Rahmen einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung in Gehegen gehaltene Farmwild.
(5) Schadwölfe sind Wölfe, die ein Schadensereignis verursacht haben.
(6) Ein Schadensereignis ist ein durch einen Wolf verursachtes Angriffs-, Riss- oder Verletzungsereignis in einem Almschutzgebiet oder auf einer Weide, welches die dort gehaltenen landwirtschaftlichen Nutztiere betrifft.
(7) Vergrämungsmaßnahmen sind optische oder akustische Signale, die geeignet sind, Wölfe von bewirtschafteten Almen und Weiden fernzuhalten oder zu vertreiben, ohne sie zu verletzen oder zu töten. Die Landesregierung kann mit Verordnung festlegen, welche Vergrämungsmaßnahmen dem entsprechen.
§ 3 § 3 Almschutzgebiete
(1) Die Landesregierung hat unter Beachtung der Zielsetzungen gemäß § 1 Abs. 1 bewirtschaftete Almen mit Verordnung als Gebiete festzulegen, in denen – unbeschadet von Vergrämungsmaßnahmen gemäß § 4 – geeignete Maßnahmen zum Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren vor Angriffen von Wölfen als andere zufriedenstellende Lösung nicht möglich oder unzumutbar sind (Almschutzgebiete). Dabei ist auf eine zeitgemäße und auf die naturräumlichen Voraussetzungen abgestimmte landwirtschaftliche Nutzung der Almen Bedacht zu nehmen.
(2) Vor der Erlassung einer Verordnung nach Abs. 1 ist der Entwurf samt einer Begründung und einem Übersichtsplan durch das Amt der Landesregierung vier Wochen zur allgemeinen Einsicht und zur Einsicht durch Umweltorganisationen gemäß § 54c K-JG zu veröffentlichen. Eigentümer von Grundstücken, die in das geplante Almschutzgebiet einbezogen werden, der Landesjagdbeirat, die Kärntner Jägerschaft und die Landwirtschaftskammer sind von dieser Veröffentlichung nach Möglichkeit zu verständigen und darüber zu informieren, eine Stellungnahme abzugeben zu können.
(3) Die Landesregierung hat das Vorliegen der Voraussetzungen des Abs. 1 regelmäßig, zumindest jedoch alle drei Jahre, zu evaluieren. Liegen diese nicht mehr vor, hat die Landesregierung die Verordnung zu ändern oder aufzuheben.
(4) Ist nach Abs. 1 ein Almschutzgebiet ausgewiesen, so begründet dies für die Dauer der Ausweisung die gesetzliche Vermutung, dass in diesem Gebiet – unbeschadet von Vergrämungsmaßnahmen gemäß § 4 – geeignete Maßnahmen zum Schutz von landwirtschaftlichen Nutztieren vor Angriffen von Wölfen als andere zufriedenstellende Lösung nicht möglich oder unzumutbar sind. Dies gilt auch in Fällen gemäß § 51 Abs. 4a und § 52 Abs. 2a K-JG.
§ 4 § 4 Vergrämung
(1) In Almschutzgebieten und auf Weiden ist die Vergrämung von Wölfen durch die Setzung einer Vergrämungsmaßnahme durch jede Person zu jeder Zeit erlaubt. Eine Vergrämung durch Abgabe eines Warn- oder Schreckschusses mit einer Schusswaffe ist allerdings Besitzern einer gültigen Kärntner Jagdkarte im Sinne des § 36 Abs. 1 K-JG vorbehalten.
(2) Durch Vergrämungsmaßnahmen gemäß Abs. 1 dürfen das Leben und die Sicherheit von Menschen nicht gefährdet werden.
(3) Jede Vergrämung ist von der Person, die diese durchgeführt hat, unverzüglich der Landesregierung zu melden.
§ 5 § 5 Letale Entnahme
(1) Einem Jagdausübungsberechtigten oder Jagdschutzorgan oder Jagderlaubnisscheininhaber ist die letale Entnahme eines Wolfs durch weidgerechten Abschuss mit einer Schusswaffe erlaubt, sofern
1. durch den Wolf das Leben oder die Gesundheit der in einem Almschutzgebiet (§ 3 Abs. 1) oder auf Weiden gehaltenen landwirtschaftlichen Nutztiere gegenwärtig gefährdet oder unmittelbar bedroht ist oder
2. nach Eintritt eines Schadensereignisses
a) der Wolf sich innerhalb einer Frist von vier Wochen in der Umgebung des Schadensereignisses (Abs. 2) aufhält,
b) kein offensichtlicher Grund zur Annahme besteht, dass der zu entnehmende Wolf kein Schadwolf ist, und
c) eine Verständigung der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 1 erfolgt ist und keine Bekanntmachung der Landesregierung gemäß § 6 Abs. 3 vorliegt.
(2) Zur Umgebung des Schadensereignisses zählen das Jagdgebiet, in welchem das Schadensereignis stattgefunden hat, sowie jene Jagdgebiete, die zumindest teilweise innerhalb eines Radius von zehn Kilometern um den Ort des Schadensereignisses gelegen sind.
(3) Eine letale Entnahme gemäß Abs. 1 ist auch in Gebieten zulässig, in denen gemäß § 15 Abs. 2 K-JG die Jagd ruht.
(4) Jede letale Entnahme ist von der Person, die diese durchgeführt hat, unverzüglich der Landesregierung zu melden.
(5) Erlangt die Landesregierung Kenntnis von einer letalen Entnahme, so hat sie unverzüglich eine genetische Analyse des entnommenen Wolfes vorzunehmen.
§ 6 § 6 Information über den Entnahmefall
(1) Wird der Landesregierung ein Schadensereignis gemeldet oder sonst bekannt, hat sie die Jagdausübungsberechtigten und Jagdschutzorgane in der Umgebung des Schadensereignisses (§ 5 Abs. 2) unter Hinweis auf die Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 über Zeitpunkt und Ort des Schadensereignisses, über das genaue Ende der Frist von vier Wochen nach Eintritt des Schadensereignisses (§ 5 Abs. 1 Z 2 lit. a) sowie über die in der Umgebung des Schadensereignisses gelegenen Jagdgebiete zu verständigen, sofern die Voraussetzungen gemäß Abs. 2 erfüllt sind und nicht einer der in Abs. 3 angeführten Gründe zutrifft.
(2) Eine Verständigung darf nur erfolgen, wenn
1. die Überprüfung durch die Landesregierung ergibt, dass das Schadensereignis durch einen Wolf verursacht worden ist,
2. keine andere zufriedenstellende Lösung zur Verhütung ernster Schäden durch den Wolf besteht, wobei dies in Almschutzgebieten vermutet wird (§ 3 Abs. 4), und
3. die letale Entnahme
a) die Population des Wolfs in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand belässt und
b) zur Verhütung ernster Schäden in der landwirtschaftlichen Kultur oder an der Tierhaltung oder zur Vermeidung einer wesentlichen Erschwernis für die weitere Beweidung oder bäuerliche Existenz geeignet ist.
(3) Die Landesregierung hat – mit Bezug auf das Schadensereignis und unter Hinweis auf den Wegfall der Erlaubnis gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 – auf der Homepage des Landes Kärnten im Internet bekannt zu machen, dass
1. sie von einer Entnahme gemäß § 5 Abs. 1 Z 2 Kenntnis erlangt hat und aufgrund einer genetischen Analyse des entnommenen Wolfs gemäß § 5 Abs. 5 und der Überprüfung gemäß Abs. 2 Z 1 feststeht, dass kein weiterer Schadwolf am Schadensereignis beteiligt war oder
2. neue Umstände bekannt werden, die die Verständigung nach Maßgabe des Abs. 2 unzulässig machen.
(4) Ergibt die genetische Analyse gemäß § 5 Abs. 5, dass der nach § 5 Abs. 1 Z 2 entnommene Wolf kein Schadwolf war, so hat die Bekanntmachung bis zum Vorliegen einer der in Abs. 3 angeführten Gründe zu unterbleiben.
(5) Jagdausübungsberechtigte und Jagdschutzorgane in der Umgebung des Schadensereignisses (§ 5 Abs. 2) sind durch die Landesregierung unverzüglich über das Vorliegen einer Bekanntmachung gemäß Abs. 3 zu verständigen.
(6) Über Verständigungen gemäß Abs. 1 und 5 hat der Jagdausübungsberechtigte unverzüglich allfällige Jagderlaubnisscheininhaber zu informieren.
(7) Verständigungen gemäß Abs. 1 und 5 können in jeder technisch möglichen Form erfolgen. Die Landesregierung hat erfolgte Verständigungen in einem Aktenvermerk festzuhalten. Eine Verständigung gemäß Abs. 1 gilt im Zeitpunkt des Aktenvermerks als bewirkt, ungeachtet dessen, ob sie alle Jagdausübungsberechtigten und Jagdschutzorgane erhalten haben.
§ 7 § 7 Monitoring
(1) Die Landesregierung hat regelmäßig zu prüfen, ob die Population des Wolfes in seinem natürlichen Verbreitungsgebiet ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilt.
(2) Liegt die Voraussetzung des Abs. 1 nicht weiter vor, hat die Landesregierung mit Verordnung kundzumachen, dass eine letale Entnahme von Wölfen aufgrund dieses Gesetzes nicht mehr zulässig ist.
(3) Die Landesregierung hat ein Verzeichnis über die erfolgten letalen Entnahmen von Wölfen zu führen und dieses nach einer gemeldeten Entnahme (§ 5 Abs. 4) unverzüglich zu aktualisieren.
§ 8 § 8 Mitwirkung
(1) Ein Schadensereignis kann von jeder Person an die Landesregierung gemeldet werden.
(2) Tierhalter haben ein Schadensereignis, das ein von ihnen gehaltenes Nutztier betrifft, an die Landesregierung zu melden.
(3) Die Landesregierung kann durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Modalitäten für die Erstattung von Meldungen gemäß § 4 Abs. 3, § 5 Abs. 4 sowie § 8 Abs. 1 und 2 festlegen.
(4) Zur Beweissicherung und genetischen Analyse gemäß § 5 Abs. 5 sind entnommene Wölfe binnen 24 Stunden ab Meldung der Entnahme (§ 5 Abs. 4) der Landesregierung zur Verfügung zu halten.
(5) Grundeigentümer haben zur Beurteilung des Schadensereignisses behördlichen Organen im erforderlichen Ausmaß den Zutritt auf ihren Grund zu gestatten.
(6) Grundeigentümer, Landwirte, Tierhalter, Jagdausübungsberechtigte, Jagdschutzorgane und Jagderlaubnisscheininhaber sind verpflichtet, der Landesregierung alle Auskünfte zu erteilen, die zur Vollziehung dieses Gesetzes erforderlich sind.
§ 9 § 9 Verweise und Umsetzung von Unionsrecht
(1) Soweit in diesem Gesetz auf andere Landesgesetze verwiesen wird, sind diese in ihrer jeweils geltenden Fassung anzuwenden.
(2) Mit diesem Gesetz wird umgesetzt: Richtlinie 92/43/EWG zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen, ABl. Nr. L 206 vom 27.7.92, S 7, zuletzt in der Fassung der Richtlinie 2013/17/EU, ABl. Nr. L 158 vom 10.6.2013, S 193 (FFH-Richtlinie).
§ 10 § 10 Inkrafttretens- und Übergangsbestimmungen
(1) Dieses Gesetz tritt am 15. Mai 2024 in Kraft.
(2) Verordnungen auf Grund dieses Gesetzes dürfen bereits ab dem der Kundmachung folgenden Tag erlassen werden; sie dürfen jedoch frühestens gleichzeitig mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes (Abs. 1) in Kraft gesetzt werden.
(3) Verordnungen gemäß § 3 sind binnen einem Jahr ab dem Zeitpunkt gemäß Abs. 1 zu erlassen.