Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Pichler als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des D G, vertreten durch Mag. Nuray Tutus Kirdere, Rechtsanwältin in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Juni 2025, L507 22903251/7E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet am 26. Juni 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2Mit Bescheid vom 12. März 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab. Weiters erklärte das Verwaltungsgericht die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.
4 Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn gerichteten Beschwerde mit Beschluss vom 7. Oktober 2025, E 2905/2025-5, ab und trat diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab. In der Folge wurde die gegenständliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisionnach § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.
8In der Revision wird zu ihrer Zulässigkeit unter Verweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. September 2025, Ra 2023/18/0282, ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe die „Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu den besonderen Anforderungen an die Glaubwürdigkeit der Blutracheangelegenheiten missachtet“.
9 Mit diesem Vorbringen wird vom Revisionswerber keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in dem vom Revisionswerber ins Treffen geführte Erkenntnis unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Union mit der Frage befasst, welche Kriterien erfüllt sein müssen, dass eine Gruppe eine „bestimmte soziale Gruppe“ gemäß Art. 10 Abs. 1 lit. d der Statusrichtlinie ist. Darauf kommt es aber im gegenständlichen Fall nicht an.
10Das Bundesverwaltungsgericht hat sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschafft. Es hat eine umfassende Beweiswürdigung betreffend die behauptete Blutrache vorgenommen und nachvollziehbar dargelegt, aufgrund welcher Erwägungen dem Vorbringen des Revisionswerbers, der weder die Namen der in der angeblichen Blutfehde involvierten Personen noch die Anzahl der im Zuge des behaupteten Konfliktes getöteten Personen nennen konnte, kein Glaube geschenkt wurde. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichtes betreffend die behauptete Blutrache mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wurde nicht aufgezeigt (vgl. zum Prüfmaßstab im Revisionsverfahren betreffend die Beweiswürdigung VwGH 23.6.2025, Ra 2025/20/0214, mwN).
11Soweit sich der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung wendet, ist darauf hinzuweisen, dass eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG ist (vgl. etwa VwGH 19.12.2024, Ra 2024/20/0737, mwN).
12Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (VwGH 15.9.2025, Ra 2025/20/0213, mwN).
13 Eine solche Abwägung unter Einbeziehung der fallbezogen maßgeblichen Aspekte hat das Bundesverwaltungsgericht vorgenommen. Das Verwaltungsgericht hat bei seinen Erwägungen die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet, die Bindungen zu seinem im Bundesgebiet lebenden Vater und zu seinen Halbgeschwistern, die Situation im Herkunftsstaat und seine in der Türkei vorhandenen Anknüpfungspunkte in die Interessenabwägung einbezogen. Dass ihm bei der Gewichtung dieser Umstände ein für die Entscheidung maßgeblicher, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Fehler unterlaufen wäre, wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.
14Auch mit dem Verweis in der Zulässigkeitsbegründung der Revision auf den Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates EWG/Türkei über die Entwicklung der Assoziation vom 19. September 1980 (ARB 1/80) und auf die Stillhalteklausel des Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls zum Assoziationsabkommen EWG/Türkei ist für den Revisionswerber nichts zu gewinnen. Der Revisionswerber vermag nämlich nicht darzulegen, weshalb er sich auf die Begünstigungen des Assoziationsabkommens EWG/Türkei berufen können sollte, zumal eine asylrechtliche vorläufige Aufenthaltsberechtigung keine „gesicherte Position“ im Sinn des ARB 1/80 vermittelt (vgl. VwGH 20.6.2023, Ra 2023/19/0104, mwN). Soweit der Revisionswerber in diesem Zusammenhang noch vorbringt, ihm stünde „abgeleitet“ von seinem Vater gemäß Art. 7 ARB 1/80 ein Aufenthaltsrecht zu, ist ihm zu entgegnen, dass sein Vater österreichischer Staatsbürger ist. Damit ist Art. 7 ARB 1/80, welcher sich ausschließlich auf Familienangehörige von türkischen Arbeitnehmern bezieht, auf den Revisionswerber von vornherein nicht anzuwenden. Abgesehen davon erhielt der Revisionswerber keine Genehmigung im Sinn des Art. 7 ARB 1/80 um zu seinen in Österreich lebenden Angehörigen zu ziehen. Eine derartige Erlaubnis kann nämlich aus der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 nicht abgeleitet werden (vgl. VwGH 19.4.2012, 2009/18/0465). Auch aus diesem Grund erfüllt der Revisionswerber die Voraussetzungen des Art. 7 ARB 1/80 nicht.
15 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG schon aus diesem Grund ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen, sodass sich die Erteilung eines Mängelbehebungsauftrags zur Anführung eines (in der Revision zur Gänze fehlenden) Revisionspunkts erübrigt (vgl. etwa VwGH 4.6.2025, Ra 2024/20/0384, mwN).
Wien, am 26. November 2025
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