JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0213 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
15. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie die Hofräte Mag. Eder und Mag. Pichler als Richterin und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Herrmann Preschnofsky, in der Rechtssache der Revision des S A, vertreten durch Dr. Rudolf Mayer, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2025, I425 22873212/18E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2001 in das Bundesgebiet ein und stellte erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 1997. Mit Bescheid vom 19. Dezember 2001 wies das damals zuständige Bundesasylamt diesen Antrag ab.

2 In der Folge stellte der Revisionswerber zwei weitere Anträge auf internationalen Schutz, die mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 5. März 2004 und vom 6. März 2010 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen wurden. Im Jahr 2010 kehrte er in die Türkei zurück und hielt sich dort für etwa dreizehn Jahre auf.

3Am 4. Oktober 2023 reiste der Revisionswerber wieder in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).

4 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 18. Jänner 2024 sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte die Frist für die freiwillige Ausreise mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.

5 Die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Versäumung der Einbringungsfrist, Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen oder denen die Einwendung der entschiedenen Sache oder der Mangel der Berechtigung zu ihrer Erhebung entgegensteht, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

9 Der Revisionswerber wendet sich in der Zulässigkeitsbegründung ausschließlich gegen die im angefochtenen Erkenntnis im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung nach § 9 BFA Verfahrensgesetz (BFA VG). Dazu wird vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe das Ausmaß der Integration des Revisionswerbers, insbesondere seine berufliche Tätigkeit, seine Deutschkenntnisse und seinen langjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet in den Jahren 2001 bis 2010 und seit Oktober 2023 nicht hinreichend berücksichtigt. Ferner habe das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Interessenabwägung nicht ausreichend darauf Bedacht genommen, dass durch das Erdbeben, das sich im Jahr 2023 in der Heimat des Revisionswerbers ereignet habe, dessen Wohnhaus und Restaurant zerstört worden seien.

10Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (VwGH 16.7.2025, Ra 2025/20/0296, mwN).

11Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFAVG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. erneut VwGH 16.7.2025, Ra 2025/20/0296, mwN).

12 Eine solche Abwägung unter Einbeziehung der fallbezogen maßgeblichen Aspekte hat das Bundesverwaltungsgericht, das sich im Rahmen einer mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte, vorgenommen. Dass die Beurteilung des Bundesverwaltungsgerichtes mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat bei seinen Erwägungen die Dauer des bisherigen Aufenthalts des Revisionswerbers im Bundesgebiet, seine guten Deutschkenntnisse, seine Erwerbstätigkeit, die Situation im Herkunftsstaat und seine in der Türkei vorhandenen Anknüpfungspunkte in die Interessenabwägung einbezogen. Dass ihm bei der Gewichtung dieser Umstände ein für die Entscheidung maßgeblicher Fehler unterlaufen wäre, wird vom Revisionswerber nicht aufgezeigt.

13In der Revision, in der zudem auch keine tauglichen Revisionspunkte bezeichnet wurden (siehe § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG), wird sohin keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 15. September 2025