JudikaturVwGH

Ra 2025/20/0122 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
14. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer und die Hofräte Mag. Eder sowie Mag. M. Mayr als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Stüger, in der Rechtssache der Revision des D S, vertreten durch Mag. Ronald Frühwirth, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Barnabitengasse 3/11, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. März 2025, W189 22977791/11E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Revisionswerber, ein zuletzt in der Ukraine wohnhafter Staatsangehöriger der Russischen Föderation, ersuchte nach Einreise in das Bundesgebiet am 20. Juli 2023 um Ausstellung eines Vertriebenenausweises nach der Verordnung der Bundesregierung über ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht für aus der Ukraine Vertriebene, BGBl. II Nr. 92/2022. Mit Verständigung vom 3. August 2023 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Revisionswerber mit, dass er die Voraussetzungen für das begehrte Aufenthaltsrecht nicht erfülle.

2 Am 9. August 2023 bevollmächtigte der Revisionswerber die Bundesagentur für Betreuungsund Unterstützungsleistungen-GmbH mit der Organisation und Durchführung einer freiwilligen Ausreise. In weiterer Folge stellte er am 18. August 2023 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Dazu gab er an, dass er im Jahr 2010 von der Russischen Föderation in die Ukraine ausgewandert sei, weil er gesehen habe, dass in der Russischen Föderation keine Menschenrechte gepflegt würden und er keine Meinungsfreiheit habe. Jetzt sei er vor dem Krieg geflüchtet. Er dürfe nicht in die Russische Föderation, weil seine Mutter die Partei von Nawalny unterstützt und an Demonstrationen teilgenommen habe.

3 Mit Bescheid vom 10. Juli 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Begehrens auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz wurde ihm nicht erteilt. Gegen den Revisionswerber wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, es wurde festgestellt, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei und eine Frist für eine freiwillige Ausreise festgesetzt.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit für den Revisionsfall relevant im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorgebracht, dass er aufgrund seines jahrelangen Aufenthalts in der Ukraine als Verräter oder Spion angesehen würde. Weiters seien dem Bundesverwaltungsgericht keine Berichte bekannt, wonach russische Staatsangehörige, die in der Ukraine oder allgemein im Ausland gelebt hätten und die nie oppositionell aufgetreten seien und nicht dem Kriegsdienst unterlägen, bei einer Rückkehr alleine wegen ihres Aufenthaltes im Ausland seitens der russischen Behörden belangt würden.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revisiongemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen.

9 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit seiner Revision im Wesentlichen damit, dass dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts keine Feststellungen zur Situation von ukrainischen Volksgruppenangehörigen in der Russischen Föderation zu entnehmen seien und Feststellungen zu seiner Volksgruppenzugehörigkeit fehlten. Zudem eröffne sich eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Bezug auf den dem Revisionswerber zukommenden vorübergehenden Schutz nach den Bestimmungen der Richtlinie 2001/55/EG („Massenzustrom Richtlinie“).

10 Werden Verfahrensmängel wie hier Feststellungs , Ermittlungs und Begründungsmängel als Zulässigkeitsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch schon in der Begründung der Zulässigkeit der Revision auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. etwa VwGH 5.3.2025, Ra 2025/20/0009, mwN).

11 Diesen Anforderungen wird die Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht gerecht. Mit dem bloßen Verweis auf einen Bericht samt Empfehlungen des UN Committee vom 1. Juni 2023, in welchem sich dieses hinsichtlich der Verbreitung von Hass und rassistischen Stereotypen gegenüber Angehörigen der ukrainischen Volksgruppe, insbesondere im Fernsehen, Radio und Internet, besorgt zeige, zeigt der Revisionswerber nicht auf, inwiefern das Fehlen von Länderfeststellungen zur Situation ukrainischer Volksgruppenangehöriger in der Russischen Föderation relevant sei. Berichte, aus denen eine asylrelevante Verfolgung ukrainischer Volksgruppenzugehöriger in der Russischen Föderation hervorginge, führt der Revisionswerber nicht an.

12Dass dem Revisionswerber eine konkret und gezielt gegen seine Person gerichtete, aktuelle Verfolgung drohe, wurde nicht dargetan. Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen (vgl. dazu VwGH 10.8.2018, Ra 2018/20/0314, mwN). Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung nicht ersetzen kann (vgl. VwGH 30.1.2025, Ra 2025/20/0026, mwN).

13 Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in seinen beweiswürdigenden Erwägungen ausführlich mit dem Vorbringen des Revisionswerbers befasst und in nachvollziehbarer Weise dargelegt, weshalb es diesem nicht gefolgt ist. Dass diese Erwägungen mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangel behaftet wären, wird in der Revision nicht dargetan.

14Wenn sich der Revisionswerber auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Oktober 2023, Ra 2023/20/0279, beruft, ist darauf hinzuweisen, dass daraus mangels Gleichartigkeit des Sachverhaltes für ihn nichts zu gewinnen ist. Im genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof das dort angefochtene Erkenntnis wegen Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben. Das liegt hier gerade nicht vor.

15Auf das erstmals in der Revision erstattete Vorbringen, der Revisionswerber genieße aufgrund des Art. 2 Abs. 2 des Durchführungsbeschlusses 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 vorübergehenden Schutz, weil er in der Ukraine über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht verfügt habe, und daher auch zum Aufenthalt im Bundesgebiet nach diesem Unionsrechtsakt berechtigt sei, war im Hinblick auf das im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG bestehende Neuerungsverbot nicht einzugehen (vgl. etwa VwGH 9.11.2023, Ra 2023/20/0407, mwN).

16 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 14. Mai 2025