Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Ö I, vertreten durch Mag. Veap Elmazi, Rechtsanwalt in Wien, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Juni 2025, I422 23106811/10E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein türkischer Staatsangehöriger, stellte am 11. Juni 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, als Alevit in seinem Herkunftsstaat verfolgt zu werden.
2Mit Bescheid vom 20. Februar 2025 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Türkei zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in Abwesenheit des Revisionswerbers mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - soweit gegenständlich von Relevanz - im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in der Türkei weder von staatlicher Seite, noch durch Privatpersonen Verfolgung zu befürchten. Sein Fluchtvorbringen sei aufgrund von vagen und detailarmen Angaben sowie Widersprüchen unglaubhaft.
5 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
8Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das Bundesverwaltungsgericht hätte der Vertagungsbitte des Revisionswerbers stattgeben und den Revisionswerber zu seinen Fluchtgründen einvernehmen müssen. Der Revisionswerber sei zum angesetzten Verhandlungstermin krank gewesen; sein Rechtsvertreter habe rechtzeitig eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung übermittelt und um Vertagung der Verhandlung gebeten.
10Das Nichterscheinen einer Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung hindert die Durchführung der Verhandlung nicht. Voraussetzung für die Durchführung der mündlichen Verhandlung in Abwesenheit der Partei ist eine „ordnungsgemäße Ladung“. Davon kann dann nicht gesprochen werden, wenn einer der im § 19 Abs. 3 AVG genannten das Nichterscheinen des Geladenen rechtfertigendenGründe vorliegt (vgl. etwa VwGH 26.6.2019, Ra 2019/20/0137).
11Eine Partei hat im Falle einer ordnungsgemäßen Ladung zwingende Gründe für das Nichterscheinen darzutun. Das bedeutet, dass nicht allein die Tatsache des Vorliegens einer Erkrankung behauptet und dargestellt werden muss, sondern auch die Hinderung aus diesem Grunde, bei der Verhandlung zu erscheinen. Die Triftigkeit des Nichterscheinens zu einer Verhandlung muss überprüfbar sein (vgl. VwGH 21.7.2021, Ra 2021/22/0133).
12Die durch den Revisionswerber knapp vor dem Verhandlungstermin ohne nähere Konkretisierung vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsmeldung gibt keinerlei Aufschluss über die Art der Verhinderung. Triftige Gründe für die Nichtteilnahme des Revisionswerbers an der mündlichen Verhandlung sind weder aus der Arbeitsunfähigkeitsmeldung, noch aus den nicht näher konkretisierten Ausführungen in der Vertagungsbitte ableitbar (zu § 19 Abs. 3 AVG und der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsmeldung siehe auch VwGH 12.5.2021, Ra 2020/02/0060, mwN). Die Zulässigkeitsbegründung zeigt mit ihrem allgemein gehaltenen Vorbringen nicht auf, dass das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung nicht in Abwesenheit des Revisionswerbers durchführen durfte.
13 Darüber hinaus wendet sich die Revision in der Zulässigkeitsbegründung gegen die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts. Das Bundesverwaltungsgericht sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, weil es die Beweisergebnisse aus der Erstbefragung unreflektiert verwertet und die Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens des Revisionswerbers nicht unter Einbeziehung der realen Gegebenheiten im Herkunftsstaat überprüft habe.
14Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. In Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. VwGH 4.7.2025, Ra 2025/19/0109, mwN).
15Richtig ist zwar, dass der Verwaltungsgerichtshof in seiner Rechtsprechung wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl hat der Verwaltungsgerichtshof aber betont, dass es nicht generell unzulässig ist, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. etwa VwGH 25.6.2019, Ra 2018/19/0546, mwN).
16Im vorliegenden Fall stützte sich das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung nicht bloß auf Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme des Revisionswerbers, sondern darüber hinaus auf zusätzliche, für sich tragende Erwägungen, denen die Revision nicht entgegentritt. Die Beweiswürdigung begegnet damit auch aus diesem Blickwinkel keinen Bedenken im Sinne der dargestellten Rechtsprechung (vgl. VwGH 11.4.2024, Ra 2024/19/0136, mwN).
17Es entspricht zudem der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die Asylbehörden in der Beweiswürdigung den realen Hintergrund der vom Asylwerber vorgetragenen Fluchtgeschichte in ihre Überlegungen einzubeziehen und die Glaubwürdigkeit seiner Behauptungen auch im Vergleich zur einschlägigen Berichtslage zu messen haben (vgl. VwGH 12.1.2022, Ra 2021/19/0350, mwN).
18 Das Bundesverwaltungsgericht gelangte in seiner Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass sich das Fluchtvorbringen des Revisionswerbers als nicht glaubwürdig erweise. Dabei stützte es sich beweiswürdigend auf Widersprüche in den Aussagen des Revisionswerbers in verschiedenen Verfahrensstadien sowie auf Steigerungen im Fluchtvorbringen. Das Bundesverwaltungsgericht führte anhand der zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Länderinformationen aus, dass diesen eine systematische Verfolgung von Angehörigen der alevitischen Glaubensrichtung nicht zu entnehmen und auch aus den Angaben des Revisionswerbers nicht abzuleiten sei.
19 Dass diese Beweiswürdigung mit einer vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Mangelhaftigkeit behaftet ist, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen nicht auf.
20 In der Revision werden somit insgesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 3. September 2025