Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des A A, vertreten durch Mag. Dr. Sebastian Siudak, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2025, L510 23106561/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Zur Vorgeschichte wird auf den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Februar 2022, Ra 2022/01/0043, verwiesen. Mit dieser Entscheidung wurde die außerordentliche Revision gegen die mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 27. Dezember 2021 im Beschwerdeweg ergangene Abweisung des Antrags des Revisionswerbers auf internationalen Schutz zurückgewiesen.
2 Am 7. März 2023 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag. Dazu brachte er vor, aus dem Islam ausgetreten und zum Tod verurteilt worden zu sein. Auch sei er von seiner Familie verstoßen worden.
3Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies den Folgeantrag mit Bescheid vom 1. März 2025 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Irak zulässig sei, und gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise.
4 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem gegenständlichen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 In seiner Begründung führte das BVwG aus, dass das Vorbringen des Revisionswerbers, ihm drohe auf Grund seines Austritts aus dem Islam Verfolgung durch irakische Milizen und seine Familie, keinen glaubhaften Kern aufweise.
Im Rahmen seiner Interessenabwägung gelangte das BVwG zum Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung die Interessen des Revisionswerbers an einem Verbleib in Österreich überwiege. Auf Grund des langen Aufenthaltes liege zwar ein schützenswertes Privatleben des Revisionswerbers in Österreich vor. Dem Revisionswerber sei es jedoch trotz bestätigter geringfügiger ehrenamtlicher Tätigkeit nicht gelungen, sich in den österreichischen Arbeitsmarkt zu integrieren. Vielmehr lebe der Revisionswerber seit seiner Einreise von der Grundversorgung. Auch die nicht wahrheitsgemäßen Angaben im Asylverfahren führten zu einer Minderung der privaten Interessen des Revisionswerbers und zu einer Stärkung der entsprechenden öffentlichen Interessen. Der Umstand, dass der Revisionswerber einen großen Freundes und Bekanntenkreise habe und er der deutschen Sprache mächtig sei, könne seine persönlichen Interessen an einem weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht maßgeblich verstärken.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG verkenne die Rechtslage, wenn es von einer entschiedenen Sache ausgehe. Das BVwG habe bisher nicht berücksichtigt, dass der Revisionswerber vom Islam abgefallen sei.
9In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung (nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen) berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 25.5.2023, Ra 2023/19/0146, mwN).
10 Im vorliegenden Fall führte das BVwG beweiswürdigend aus, weshalb es dem Fluchtvorbringen des Revisionswerbers, er werde wegen seines Abfalls vom Islam von den Milizen sowie von seiner Familie mit dem Tod bedroht, den glaubhaften Kern abspreche. Dabei stützte es sich im Wesentlichen auf Widersprüche im Fluchtvorbringen sowie darauf, dass die Rekrutierungsversuche durch die Milizen, in deren Rahmen diese Kenntnis vom Unglauben des Revisionswerbers erlangt haben sollten, bereits im Erstverfahren für nicht glaubhaft befunden worden seien.
Diesen Erwägungen hält die Revision nichts Stichhaltiges entgegen, sondern erschöpft sich in der Darlegung ihrer eigenen beweiswürdigenden Ausführungen. Damit gelingt es der Revision jedoch nicht, eine unvertretbare Beweiswürdigung hinsichtlich des fehlenden glaubhaften Kerns aufzuzeigen (vgl. zu dem für die Beweiswürdigung maßgeblichen Prüfungsmaßstab im Revisionsverfahren etwa VwGH 30.6.2025, Ra 2024/19/0100, mwN).
11 Die Revision wendet sich darüber hinaus gegen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und führt dazu aus, das BVwG sei von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, wonach bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt Fremder regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen sei und eine Aufenthaltsbeendigung nur dann, wenn eine fremde Person die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt habe, um sich sozial und beruflich zu integrieren, ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen worden sei. Diese Judikatur sei bei stärkerem Integrationserfolg auch auf jene Fälle übertragen worden, in denen die Aufenthaltsdauer knapp unter zehn Jahren gelegen sei. Der Revisionswerber halte sich seit knapp zehn Jahren im Bundesgebiet auf und habe sich integriert. Das BVwG habe der Aufenthaltsdauer und der Integration des Revisionswerbers nicht das gebotene Gewicht beigemessen.
12 Das BVwG ging davon aus, dass sich der Revisionswerber seit seiner Einreise im Oktober 2015 allerdings mit Ausnahme einer Asylantragstellung in Frankreich im österreichischen Bundesgebiet aufhalte.
Soweit der Revisionswerber diesbezüglich vorbringt, auf ihn wäre der privilegierende Maßstab für Fremde, die über oder knapp unter zehn Jahre im Bundesgebiet aufhältig waren, anzuwenden gewesen, übersieht er, dass dieser Maßstab nur bei stärkerem Integrationserfolg heranzuziehen ist, den das BVwG jedoch fallbezogen vertretbar verneint hat (vgl. in diesem Zusammenhang zuletzt etwa VwGH 28.5.2025, Ra 2025/17/0045, mwN).
13 Die Revision richtet sich schließlich gegen die Nichtdurchführung einer mündlichen Verhandlung. Es sei kein geklärter Sachverhalt vorgelegen und das BVwG zu Unrecht vom Vorliegen der Voraussetzungen nach § 21 Abs. 7 BFA VG ausgegangen.
14Mit diesem Vorbringen wird verkannt, dass sich die gegenständliche Beschwerde gegen eine Entscheidung des BFA im Zulassungsverfahren richtet (vgl. dazu etwa VwGH 15.5.2020, Ra 2020/14/0060, Rn. 12). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren gemäß § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFAVG (vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072) abgewichen wäre, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen jedoch nicht auf (vgl. VwGH 25.5.2023, Ra 2023/19/0146, mwN).
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 27. August 2025