Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Seiler, über die Revision des S S (alias C S alias S S alias H S), vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, LL.M, MAS, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. Dezember 2022, W280 2222687 2/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein indischer Staatsangehöriger, wurde mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 28. September 2010 wegen der Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beitragstäter nach §§ 12 3. Fall, 75, 15 StGB und wegen der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Jahren verurteilt.
2 Der Revisionswerber stellte am 14. Juni 2018 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz aus der Strafhaft. Mit Erkenntnis vom 13. September 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) im Beschwerdeverfahren diesen Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs. 1 AsylG 2005 und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Indien zulässig sei, gewährte keine Frist für die freiwillige Ausreise, erkannte einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung ab und erließ gegen den Revisionswerber ein unbefristetes Einreiseverbot. Weiters sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
3 Am 5. Juli 2021 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz aus der Strafhaft.
4 Mit Bescheid vom 2. August 2022 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Folgeantrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs. 1 AsylG 2005 und des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs.1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkte I. und II.) und erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.).
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. mit der Maßgabe, dass der Antrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sei als unbegründet ab, und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Mit Beschluss vom 28. Februar 2023, E 417/2023 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das BVwG verkenne die Rechtslage, wenn es von einer entschiedenen Sache ausgehe. Der Revisionswerber habe seinen Antrag auf wesentliche Änderungen des Sachverhaltes gestützt.
11 In Hinblick auf wiederholte Anträge auf internationalen Schutz entspricht es der ständigen Rechtsprechung des VwGH, dass nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung (nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen) berechtigen und verpflichten kann, der rechtlich für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen Relevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufweisen, dem Relevanz zukommt (vgl. VwGH 29.11.2022, Ra 2022/19/0229, mwN).
12 Fallgegenständlich kam das BVwG zum Ergebnis, dass sich der Sachverhalt nicht geändert habe, weil der Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nach wie vor vorliege. Dabei stützte es sich insbesondere darauf, dass seit dem Vorerkenntnis des BVwG bis zum Bescheid des BFA im Folgeantragsverfahren nicht einmal drei Jahre vergangen seien und der Revisionswerber weiterhin seine 18 jährige Haftstrafe verbüße. Da sich der Revisionswerber weiterhin in Strafhaft befinde, liege ein Zeitraum des Wohlverhaltens gerade nicht vor und es habe auch sonst kein Gesinnungswandel des Revisionswerbers erkannt werden können. In Hinblick auf die Schwere der verübten Straftaten liege demnach unverändert der Asylausschlussgrund des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 vor. Diesen tragfähigen Erwägungen setzt die Revision nichts entgegen. Auf die Alternativbegründung des BVwG gegen die sich die Revision wendet , wonach dem neuen Vorbringen überdies kein glaubhafter Kern zukomme, kam es für die Beurteilung der entschiedenen Sache somit nicht an (zur Unzulässigkeit der Revision im Fall einer tragfähigen Alternativbegründung vgl. etwa VwGH 13.12.2017, Ra 2017/19/0417, mwN).
13 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit des Weiteren vor, das BVwG hätte eine mündliche Verhandlung durchführen müssen, weil das BFA den Antrag des Revisionswerbers in der Sache entschieden habe und das BVwG den Antrag völlig überraschend wegen entschiedener Sache zurückgewiesen habe.
14 Die gegenständliche Beschwerde richtete sich gegen eine Entscheidung des BFA im Zulassungsverfahren (vgl. dazu etwa VwGH 15.5.2020, Ra 2020/14/0060, Rn. 12). Dass das BVwG von den in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Zulassungsverfahren gemäß § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFA Verfahrensgesetz (vgl. dazu grundlegend VwGH 30.6.2016, Ra 2016/19/0072) abgewichen wäre, zeigt die Revision mit ihrem Vorbringen jedoch nicht auf (vgl. VwGH 19.10.2022, Ra 2022/19/0195, mwN).
15 Soweit die Revision des Weiteren behauptet, das BVwG habe gegen das „Überraschungsverbot“ verstoßen, macht sie einen Verfahrensfehler geltend. Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH reicht es aber nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensmängel konkret darzulegen (vgl. VwGH 14.11.2022, Ra 2022/19/0206, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem pauschalen Vorbringen, der Revisionswerber hätte darlegen können, dass er seinen Antrag auf wesentliche neue Sachverhaltsumstände stütze, nicht gerecht.
16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. Mai 2023