Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pfiel sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Salama, über die Revision des H H, vertreten durch Mag. Dietmar Huemer, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Garnisongasse 4/6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Jänner 2024, I423 2283771 1/2E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein syrischer Staatsangehöriger, stellte am 3. November 2022 einen Antrag auf internationalen Schutz. Begründend brachte er vor, wegen des Bürgerkrieges in Syrien und der drohenden Einziehung zum Militärdienst geflohen zu sein.
2 Mit Bescheid vom 22. November 2023 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Die gegen die Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten erhobene Beschwerde des Revisionswerbers wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit dem angefochtenen Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
4 Begründend führte das BVwG aus, dass dem Revisionswerber keine Einziehung zum Militärdienst in der syrischen Armee drohe, weil die staatlichen Behörden in seiner Heimatregion keinen Zugriff auf ihn hätten. Die Heimatregion des Revisionswerbers sei ohne Kontakt zum syrischen Regime erreichbar.
Auch sei eine aktuell drohende Zwangsrekrutierung durch die kurdischen Milizen nicht asylrelevant. Eine allfällige Einziehung sei nicht mit einer Beteiligung an völkerrechtswidrigen Militär- und Kriegsaktionen verbunden und im Weigerungsfall drohe ihm keine unverhältnismäßige Bestrafung. Es lägen auch sonst keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine asylrelevante Verfolgung des Revisionswerbers in seiner Heimatregion vor, insbesondere drohten ihm auf Grund seiner illegalen Ausreise keine Sanktionen wegen einer (ihm unterstellten) oppositionellen Gesinnung.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass das BVwG eine mündliche Verhandlung hätte durchführen müssen. Das BFA habe den Sachverhalt insbesondere in Bezug auf das Vorliegen der oppositionellen Gesinnung des Revisionswerbers nicht ausreichend ermittelt.
8 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum auch hier maßgeblichen § 21 Abs. 7 erster Fall BFA VG ist ein Absehen von der mündlichen Verhandlung dann gerechtfertigt, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. zu diesen Leitlinien grundlegend VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, sowie aus der jüngeren Rechtsprechung etwa VwGH 28.2.2024, Ra 2023/19/0459 bis 0461, mwN).
9 Das BFA hat den Revisionswerber mehrmals in Bezug auf seinen Fluchtgrund befragt. Die Revision legt nicht hinreichend dar, inwiefern das BVwG in diesem Punkt von einem unzureichenden Ermittlungsverfahren hätte ausgehen müssen. Mit dem pauschalen Vorbringen, dass der Revisionswerber nicht ausreichend befragt worden sei, vermag die Revision nicht darzulegen, inwiefern das BVwG von den oben wiedergegebenen Leitlinien abgewichen wäre (vgl. dazu bereits VwGH 22.2.2024, Ra 2023/19/0227).
10 Soweit die Revision darüber hinaus rügt, dass das BVwG keine überprüfbaren Feststellungen dazu getroffen habe, ob der Revisionswerber den Dienst an der Waffe aus oppositionellen Gründen verweigere, macht sie einen Verfahrensmangel geltend.
11 Werden Verfahrensmängel (wie hier Begründungsmängel) für die Zulässigkeit der Revision ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/19/0144, mwN).
Die Revision bringt in diesem Zusammenhang vor, dass das BVwG bei „adäquater Befragung“ festgestellt hätte, dass der Revisionswerber der sozialen Gruppe der Oppositionellen angehöre.
Mit diesem pauschalen Vorbringen vermag die Revision die Relevanz für den Verfahrensausgang nicht darzutun (vgl. VwGH 21.12.2023, Ra 2023/19/0473, mwN).
12 Schließlich bringt die Revision vor, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage fehle, ab wann auf das Vorliegen einer oppositionellen Gesinnung geschlossen werden müsse.
13 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist in der gesonderten Zulässigkeitsbegründung konkret darzulegen, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzung nicht. Mit dem bloßen Verweis auf fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu einer näher bezeichneten Frage wird nicht dargelegt, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Rahmen der Entscheidung über die Revision zu lösen wäre (vgl. VwGH 10.4.2024, Ra 2024/19/0147, mwN).
14 Im vorliegenden Fall zielt die Revision mit ihrem Vorbringen der Sache nach auf die Beweiswürdigung ab und nicht auf eine zu lösende Rechtsfrage. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung liegt in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung der Verwaltungsgerichte (im Sinn einer Abweichung von der Rechtsprechung) jedoch nur dann vor, wenn die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen wurde (vgl. VwGH 28.3.2024, Ra 2023/19/0489, mwN). Den beweiswürdigenden Erwägungen ist die Revision jedoch nicht entgegengetreten.
15 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 29. Mai 2024