JudikaturVwGH

Ra 2025/16/0024 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
09. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch sowie den Hofrat Mag. M. Mayr, LL.M., als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision des Finanzamts Österreich gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. Jänner 2025, RV/5100298/2024, betreffend Familienbeihilfe für den Zeitraum März 2023 bis August 2023 (mitbeteiligte Partei: I P), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

1 Mit Bescheid vom 15. November 2023 wies das Finanzamt den Antrag der Mitbeteiligten auf Ausgleichszahlung (Familienbeihilfe) für ihre drei Kinder betreffend den Zeitraum März 2023 bis August 2023 mit der Begründung ab, die Mitbeteiligte gehe in Österreich keiner Beschäftigung nach.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung und Erhebens eines Vorlageantrags zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Mitbeteiligten statt und behob den Bescheid vom 15. November 2023 ersatzlos. Unter einem sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

3 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts lebe die Mitbeteiligte mit ihrem Ehemann und drei Kindern im gemeinsamen Haushalt in der Tschechischen Republik. Der Ehemann sei dort beschäftigt. Seit September 2023 stehe die Mitbeteiligte in einem Arbeitsverhältnis bei einem Dienstgeber in Österreich. Davor habe sie ab September 2021 in Österreich Tätigkeiten ausgeübt, die mittels Dienstleistungsschecks entlohnt worden seien.

4 Es seien im Revisionszeitraum Dienstleistungsschecks mit folgenden Beträgen eingelöst worden: März 2023: 414 € (41 Stunden), April 2023: 448 € (44 Stunden), Mai 2023: 438 € (43 Stunden), Juni 2023: 436 € (43 Stunden) Juli 2023: 558 € (55 Stunden) August 2023: 334 € (34 Stunden). Das durchschnittliche Einkommen der Mitbeteiligten liege bei 10,14 € pro Stunde und somit etwa ein Drittel unter dem Mindestlohn für eine Reinigungskraft mit Haushaltshilfe (15,04 €). Für den erkennenden Richter sei nicht nachvollziehbar, warum die Abgabenbehörde die Wochenarbeitszeit unter Bezugnahme auf den Mindeststundenlohn um etwa ein Drittel gekürzt habe, obwohl die geleisteten Arbeitsstunden bis auf den Monat August 2023 anhand der Bestätigung über die eingelösten Dienstleistungsschecks von der Abgabenbehörde ermittelt worden seien.

5 In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht nach Darstellung der nationalen und unionsrechtlichen Rechtsgrundlagenaus, dass auf der Grundlage des Dienstleistungsscheckgesetzes (DLSG) verrichtete Tätigkeiten jeweils auf maximal ein Monat befristete Arbeitsverhältnisse darstellten und auch eine mehrfache Aneinanderreihung solcher Arbeitsverhältnisse keine unbefristete Tätigkeit begründe. Die einzelnen Tätigkeiten der Mitbeteiligten im Rahmen des DLSG stellten daher aneinandergereihte, maximal einmonatige Tätigkeiten dar. Diese seien nach objektiven Kriterien keine tatsächlichen und echten Tätigkeiten im Sinn der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) und erfüllten als gelegentliche, kürzestfristige und geringfügige Aushilfstätigkeiten schon begrifflich nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung gemäß der Verordnung (EG) Nr. VO 987/2009 iVm der Verordnung (EG) Nr. 883/2004. Selbst wenn man diese als eine Beschäftigung im Sinn der genannten Verordnungen ansehen würde, sei bei Tätigkeiten unter der Geringfügigkeitsgrenze stets eine Einzelfallprüfung vorzunehmen.

6 Eines der ausschlaggebenden Kriterien zur Abgrenzung einer Tätigkeit als tatsächliche und echte Erwerbstätigkeit im Gegensatz zu den nicht unter die betreffenden Gemeinschaftsvorschriften fallenden, völlig untergeordneten und unwesentlichen Tätigkeiten sei nach der Judikatur neben der Höhe des Einkommens die zeitliche Komponente, wobei regelmäßige und nachhaltige Tätigkeiten im Umfang von 12 Stunden pro Woche als Erwerbstätigkeit angesehen worden seien (mVa EuGH 3.6.1986, C 139/85, R. H. Kempf ).

7 Als Ergebnis der obligatorischen Einzelfallprüfung sei festzuhalten, dass eine wöchentliche Stundenanzahl von durchschnittlich 11,42 im Revisionszeitraum als nicht vollständig untergeordnet eingestuft werden könne, zumal diese Stundenanzahl doch deutlich über dem von der Verwaltungspraxis angenommenen Richtwert von 8 Stunden (als wöchentliche Mindestarbeitszeit) liege. Zudem habe die Mitbeteiligte ein in einer näher genannten Entscheidung des Bundesfinanzgerichts als völlig untergeordnet bezeichnetes wöchentliches Einkommen von 30,50 € selbst unter Ansatz der vom Finanzamt angesetzten Wochenarbeitszeit von 7,67 Stunden regelmäßig überschritten. Es könne somit das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 befürwortet werden und sei daher spruchgemäß zu entscheiden.

8Gegen dieses Erkenntnis richtet sich das Finanzamt mit der gegenständlichen Amtsrevision. Der Verwaltungsgerichtshof hat gemäß § 36 VwGG das Vorverfahren eingeleitet. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.

9 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen. Darüber hinaus fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen eine Tätigkeit, die mittels Dienstleistungsschecks abgegolten werde, eine Beschäftigung im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 darstelle, die in weiterer Folge den Anspruch auf Familienbeihilfe in Österreich auslöse.

10 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

11 Die Revision ist zulässig; sie ist auch begründet.

12Im Fall einer zulässigen Revision ist der Verwaltungsgerichtshof nicht auf jene Rechtsfragen beschränkt, die zur Zulässigkeit vorgebracht wurden. Vielmehr kann der Gerichtshof auch eine andere als die in der Revision aufgezeigte Rechtswidrigkeit aufgreifen, wenn die Revision - wie vorliegend - die Zulässigkeitsschwelle überschritten hat (vgl. etwa VwGH 3.10.2023, Ro 2020/06/0091, mwN).

13 Im Titel III (Besondere Bestimmungen über die verschiedenen Arten von Leistungen) Kapitel 8 (Familienleistungen) der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit (ABl. L 166 vom 3. April 2004 in der Fassung der Berichtigung ABl. L 200 vom 7. Juni 2004; in der Folge: Verordnung (EG) Nr. 883/2004) lauten die Art. 67 und 68 jeweils samt Überschrift:

Artikel 67

Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen

Eine Person hat auch für Familienangehörige, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats, als ob die Familienangehörigen in diesem Mitgliedstaat wohnen würden. Ein Rentner hat jedoch Anspruch auf Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften des für die Rentengewährung zuständigen Mitgliedstaats.

Artikel 68

Prioritätsregeln bei Zusammentreffen von Ansprüchen

(1) Sind für denselben Zeitraum und für dieselben Familienangehörigen Leistungen nach den Rechtsvorschriften mehrerer Mitgliedstaaten zu gewähren, so gelten folgende Prioritätsregeln:

a) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so gilt folgende Rangfolge: an erster Stelle stehen die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche, darauf folgen die durch den Bezug einer Rente ausgelösten Ansprüche und schließlich die durch den Wohnort ausgelösten Ansprüche.

b) Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus denselben Gründen zu gewähren, so richtet sich die Rangfolge nach den folgenden subsidiären Kriterien:

i) bei Ansprüchen, die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass dort eine solche Tätigkeit ausgeübt wird, und subsidiär gegebenenfalls die nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zu gewährende höchste Leistung. Im letztgenannten Fall werden die Kosten für die Leistungen nach in der Durchführungsverordnung festgelegten Kriterien aufgeteilt;

ii) bei Ansprüchen, die durch den Bezug einer Rente ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder, unter der Voraussetzung, dass nach diesen Rechtsvorschriften eine Rente geschuldet wird, und subsidiär gegebenenfalls die längste Dauer der nach den widerstreitenden Rechtsvorschriften zurückgelegten Versicherungs- oder Wohnzeiten;

iii) bei Ansprüchen, die durch den Wohnort ausgelöst werden: der Wohnort der Kinder.

(2) Bei Zusammentreffen von Ansprüchen werden die Familienleistungen nach den Rechtsvorschriften gewährt, die nach Absatz 1 Vorrang haben. Ansprüche auf Familienleistungen nach anderen widerstreitenden Rechtsvorschriften werden bis zur Höhe des nach den vorrangig geltenden Rechtsvorschriften vorgesehenen Betrags ausgesetzt; erforderlichenfalls ist ein Unterschiedsbetrag in Höhe des darüber hinausgehenden Betrags der Leistungen zu gewähren. Ein derartiger Unterschiedsbetrag muss jedoch nicht für Kinder gewährt werden, die in einem anderen Mitgliedstaat wohnen, wenn der entsprechende Leistungsanspruch ausschließlich durch den Wohnort ausgelöst wird.

(3) Wird nach Artikel 67 beim zuständigen Träger eines Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften gelten, aber nach den Prioritätsregeln der Absätze 1 und 2 des vorliegenden Artikels nachrangig sind, ein Antrag auf Familienleistungen gestellt, so gilt Folgendes:

a) Dieser Träger leitet den Antrag unverzüglich an den zuständigen Träger des Mitgliedstaats weiter, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, teilt dies der betroffenen Person mit und zahlt unbeschadet der Bestimmungen der Durchführungsverordnung über die vorläufige Gewährung von Leistungen erforderlichenfalls den in Absatz 2 genannten Unterschiedsbetrag;

b) der zuständige Träger des Mitgliedstaats, dessen Rechtsvorschriften vorrangig gelten, bearbeitet den Antrag, als ob er direkt bei ihm gestellt worden wäre; der Tag der Einreichung des Antrags beim ersten Träger gilt als der Tag der Einreichung bei dem Träger, der vorrangig zuständig ist.“

14Nach § 2 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, Anspruch auf Familienbeihilfe für minderjährige Kinder und unter näher geregelten Voraussetzungen für volljährige Kinder.

15Personen, die Anspruch auf eine gleichartige ausländische Beihilfe haben, haben gemäß § 4 Abs. 1 FLAG keinen Anspruch auf Familienbeihilfe. Österreichische Staatsbürger, die gemäß § 4 Abs. 1 FLAG vom Anspruch auf die Familienbeihilfe ausgeschlossen sind, erhalten gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. eine Ausgleichszahlung, wenn die Höhe der gleichartigen ausländischen Beihilfe, auf die sie oder eine andere Person Anspruch haben, geringer ist als die Familienbeihilfe, die ihnen nach diesem Bundesgesetz ansonsten zu gewähren wäre. Die Ausgleichszahlung ist gemäß § 4 Abs. 4 FLAG jährlich nach Ablauf des Kalenderjahres, wenn aber der Anspruch auf die gleichartige ausländische Beihilfe und der Familienbeihilfe früher erlischt, nach Erlöschen dieses Anspruches zu gewähren.

16Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zwischen einer Ausgleichzahlung gemäß § 4 FLAG und einer sich aus Art. 68 Abs. 2 der Verordnung Nr. 883/2004 ergebenden Differenzzahlung zu unterscheiden ist (vgl. etwa VwGH 7.9.2017, Ra 2017/16/0042, mwN).

17 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts lebe die Mitbeteiligte mit ihrem Ehemann und drei Kindern im gemeinsamen Haushalt in der Tschechischen Republik. Der Ehemann sei dort beschäftigt.

18Ein Anspruch auf Familienleistungen durch einen anderen Mitgliedstaat führt im Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 dazu, dass ein österreichischer Familienbeihilfenanspruch nach den Prioritätsregeln des Art. 68 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 zu beurteilen ist, nicht jedoch dazu, dass dadurch ein Anspruch auf Ausgleichszahlung im Sinn des § 4 FLAG gegeben ist (vgl. VwGH 1.6.2021, Ro 2020/10/0002 mVa VwGH 30.6.2016, Ra 2015/16/0089).

19Sind Leistungen von mehreren Mitgliedstaaten aus unterschiedlichen Gründen zu gewähren, so stehen nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 883/2004 an erster Stelle die durch eine Beschäftigung oder eine selbstständige Erwerbstätigkeit ausgelösten Ansprüche. Nach Art. 68 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 ist bei einer Beschäftigung in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten primär der Mitgliedstaat für die Gewährung der Familienleistungen zuständig, in dem die Kinder wohnhaft sind. Somit ist - ausgehend von dem durch das Bundesfinanzgericht festgestellten Sachverhalt - auch bei unterstelltem Bestehen einer Beschäftigung der Mitbeteiligten in Österreich nach der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 primär die Tschechische Republik für die Gewährung der Familienleistungen für die in ihrem Haushalt wohnhaften Kinder zuständig (vgl. dazu auch VwGH 12.9.2017, Ra 2015/16/0088).

20Bei nachrangigen Familienleistungen gemäß Art. 68 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 sieht diese aber lediglich - unter weiteren Voraussetzungen - eine Differenzzahlung vor (vgl. erneut VwGH 1.6.2021, Ro 2020/10/0002 mVa VwGH 30.6.2016, Ra 2015/16/0089; ebenso wiederum VwGH 12.9.2017, Ra 2015/16/0088; vgl. auch Gebhart in Leineis/Wanke(Hrsg.), FLAG 2 § 53, Rz 319).

21 Zwar hat die Mitbeteiligte einen Antrag auf Gewährung einer „Ausgleichszahlung“ (vgl. das Formular „Beih38“ vom 21. Juni 2023) gestellt. Dieser Antrag wurde vom Finanzamt aber erkennbar als solcher auf Gewährung einer Differenzzahlung gerichtet angesehen und mit Bescheid vom 15. November 2023 abgewiesen. Auch das Bundesfinanzgericht hat wie sich aus dem angefochtenen Erkenntnis und dessen Begründung ergibt inhaltlich über die Abweisung eines Antrags auf Differenzzahlung abgesprochen. Abweichendes ist auch der gegenständlichen Revision nicht zu entnehmen.

22Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen in einem ersten Schritt die eindeutige, eine Rechtsverfolgung durch die Partei ermöglichende und einer nachprüfenden Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts zugängliche konkrete Feststellung des der Entscheidung zugrunde gelegten Sachverhalts, in einem zweiten Schritt die Angabe jener Gründe, welche die Behörde im Falle des Vorliegens widerstreitender Beweisergebnisse in Ausübung der freien Beweiswürdigung dazu bewogen haben, gerade jenen Sachverhalt festzustellen, und in einem dritten Schritt die Darstellung der rechtlichen Erwägungen, deren Ergebnisse zum Spruch des Bescheides geführt haben. Die drei logisch aufeinander aufbauenden und formal zu trennenden Elemente einer ordnungsgemäß begründeten verwaltungsgerichtlichen Entscheidung bestehen sohin erstens in einer im Indikativ gehaltenen Tatsachenfeststellung, zweitens in der Beweiswürdigung und drittens in der rechtlichen Beurteilung (vgl. VwGH 21.11.2024, Ro 2024/16/0006, mwN).

23Wie das Finanzamt in seiner Revision im Ergebnis zu Recht geltend macht, erfüllt das angefochtene Erkenntnis diese Anforderungen nicht. Auch ausgehend von der Prämisse, die Mitbeteiligte habe im verwaltungsbehördlichen Verfahren einen Anspruch auf Differenzzahlung geltend gemacht, lässt das angefochtene Erkenntnis jegliche Feststellung vermissen, inwieweit die Kinder der Mitbeteiligten dieser dem Grunde nach überhaupt einen Anspruch auf Familienbeihilfe nach den allgemeinen Bestimmungen des FLAG vermitteln. Insbesondere enthält das angefochtene Erkenntnis keine Feststellungen zur Anspruchsberechtigung bezüglich des laut Aktenlage bereits volljährigen Kindes der Mitbeteiligten.

24 Wie das Finanzamt zudem vorbringt, sind auch die Feststellungen des Bundesfinanzgerichts hinsichtlich der geleisteten Arbeitsstunden der Mitbeteiligten für den Verwaltungsgerichtshof aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht nachvollziehbar. Der vorgelegte Verwaltungsakt enthält eine Bestätigung der Versicherungsanstalt Öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau über die eingelösten Dienstleistungsschecks. Daraus ergibt sich der Beschäftigungstag sowie der Wert des jeweils eingelösten Schecks in Euro. Die vom Bundesfinanzgericht festgestellten Arbeitsstunden finden sich lediglich als handschriftliche Vermerke neben den genannten Beträgen. Dass es sich bei diesen Vermerken um Angaben der Mitbeteiligten handelt, geht aus dem angefochtenen Erkenntnis nicht hervor. Ebenso wenig geht aus dem Erkenntnis hervor, warum die vom Finanzamt auf Basis der ausgezahlten Dienstleistungsschecks und des vorgesehenen Mindestlohns abgeleiteten Arbeitszeiten für das Bundesfinanzgericht „nicht nachvollziehbar“ seien und es die handschriftlichen Angaben der Mitbeteiligten - ohne erkennbare Auseinandersetzung mit den Überlegungen des Abgabenbehörde - seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat. Dass das Finanzamt die Arbeitszeit in dem vom Bundesfinanzgericht angenommenen Ausmaß ermittelt habe, ergibt sich entgegen den Ausführungen im angefochtenen Erkenntnis weder aus den im Verfahrensgang erteilten Bescheiden noch sonst aus dem vorgelegten Verwaltungsakt.

25 Widersprüchlich ist letztlich auch, dass das Bundesfinanzgericht in der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zunächst davon ausgeht, die Tätigkeiten der Mitbeteiligten seien nach objektiven Kriterien keine tatsächlichen und echten Tätigkeiten im Sinn der Judikatur EuGH und erfüllten als gelegentliche, kürzestfristige und geringfügige Aushilfstätigkeiten schon begrifflich nicht die Voraussetzungen einer Beschäftigung gemäß der Verordnung (EG) Nr. VO 987/2009 iVm der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, um schließlich zum Ergebnis zu gelangen, dass für den erkennenden Richter das Vorliegen einer Beschäftigung im Sinn der Verordnung (EG) Nr. 883/2004 „befürwortet werden“ könne.

26Nach dem Gesagten war das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 9. September 2025