JudikaturVwGH

Ro 2025/05/0003 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
29. April 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des Magistrats der Stadt Wien gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 13. Jänner 2025, VGW 101/042/17553/2024 3, betreffend einen Antrag auf Auskunftserteilung nach dem Wiener Auskunftspflichtgesetz (mitbeteiligte Partei: G P in W; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten, eines Wiener Gemeinderats, stattgegeben und gemäß § 3 Abs. 3 Wiener Auskunftspflichtgesetz (im Folgenden: Wr. AuskunftspflichtG) festgestellt, dass die belangte Behörde (der Revisionswerber) dem Mitbeteiligten mitzuteilen habe, für welche Bauwerke, konkretisiert nach der Adresse des jeweiligen Standorts, im Jahr 2023 Ansuchen auf Abbruch wegen wirtschaftlicher Abbruchreife eingebracht wurden und welche dieser Ansuchen bewilligt bzw. nicht bewilligt wurden. Ein Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unterblieb.

2 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, bei den beantragten Informationen handle es sich um solche, die grundsätzlich von der Auskunftspflicht nach dem Wr. AuskunftspflichtG erfasst seien. Der Auskunft könnten die in § 1 Datenschutzgesetz DSG normierte Verschwiegenheitspflicht und die in Art. 20 Abs. 3 B VG normierte Verpflichtung zur Amtsverschwiegenheit entgegenstehen. Betreffend das DSG sei von einem Interesse des jeweiligen Betroffenen an der Geheimhaltung der Grundstücksadresse im Hinblick auf das Vorliegen eines Abbruchsantrags auszugehen. Es sei eine Interessenabwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Betroffenen und dem Auskunftsinteresse des Mitbeteiligten vorzunehmen. Dieser habe umfassend ausgeführt, dass die von ihm beantragten Informationen nicht aus privater Neugier beantragt worden seien, sondern essentiell für die Wahrnehmung seiner Funktion als „public watchdog“ infolge seiner Stellung als Gemeinderats und Landtagsabgeordneter begehrt worden seien. Im Rahmen dieser Tätigkeit kämen ihm auch umfassende Kontrollbefugnisse bzw. pflichten zu. Die beantragte Auskunft sei für die Wahrnehmung dieser Funktionen essentiell; der Auskunftsverweigerungsgrund des Vorliegens einer Verschwiegenheitspflicht sei eng auszulegen und das Geheimhaltungsinteresse eines Grundstückseigentümers in Anbetracht der Ermittelbarkeit der Eigentümer einer Liegenschaft im Wege einer Einsicht in das öffentliche Grundbuch als vergleichsweise gering einzustufen. Daher sei von einem deutlichen Überwiegen des Auskunftsinteresses des Mitbeteiligten im Vergleich zu den Geheimhaltungsinteressen des jeweiligen Grundeigentümers im Sinn des DSG auszugehen. In Bezug auf die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Amtsverschwiegenheit nach Art. 20 Abs. 3 B VG sei zu prüfen, ob einer der in dieser Bestimmung angeführten Datengeheimhaltungsgründe vorliege. Soweit sich die belangte Behörde auf das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit berufe, treffe jeden Grundstückseigentümer die Obliegenheit der Absicherung seines Grundstücks vor widerrechtlichem Zutritt. Relevant für ein unbefugtes Betreten eines Gebäudes sei nicht der Umstand, dass ein Gebäude aus Sicht des Grundstückseigentümers das Stadium der wirtschaftlichen Abbruchreife erlangt habe, sondern das vergleichsweise leichte Eindringen in das Gebäude. Es sei daher nicht vom Vorliegen öffentlicher Geheimhaltungsinteressen auszugehen.

3 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Da das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Erkenntnis keinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision gemäß § 25a Abs. 1 VwGG tätigte, war die vorliegende Revision als ordentliche Revision zu behandeln. Auch für eine solche ordentliche Revision gilt, dass der Revisionswerber von sich aus die unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung maßgeblichen Gründe der Zulässigkeit der Revision darzulegen hat (vgl. VwGH 9.12.2021, Ro 2021/19/0001, mwN).

7 Der Revisionswerber begründet die Zulässigkeit der Revision damit, dass das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, konkret dem Erkenntnis vom 29. Mai 2018, Ra 2017/03/0083, abgewichen sei. Darin sei festgehalten worden, dass dem dortigen Revisionswerber in seiner Funktion als Journalist und Mitglied einer NGO die Eigenschaft eines „public watchdog“ zukomme. Der Mitbeteiligte sei jedoch nicht Journalist oder Mitglied einer NGO, sondern politischer Mandatar in einem allgemeinen Vertretungskörper, weshalb er gerade nicht als „public watchdog“ zu qualifizieren sei; die genannte Rechtsprechung einschließlich der referenzierten Entscheidungen des EGMR sei daher fallbezogen nicht anzuwenden. Dieses Abweichen von der höchstgerichtlichen Judikatur führe zur rechtsunrichtigen Annahme eines zugunsten des Mitbeteiligten verschobenen Wertungsmaßstabes. Bei rechtsrichtiger Vornahme der Interessenabwägung hätte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis kommen müssen, dass die Interessen an der Geheimhaltung überwiegen.

8 Die Zulässigkeit einer Revision könnte sich im Zusammenhang mit einer den Einzelfall betreffenden Interessenabwägung nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0248, Rn. 16, mwN). Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. erneut VwGH 27.10.2023, Ra 2023/05/0248, Rn. 17, mwN).

9 Dass die Abwägungsentscheidung des Verwaltungsgerichts unvertretbar wäre, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt. Das Verwaltungsgericht hat unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 29. Mai 2018, Ra 2017/03/0083, ausgeführt, dass jene Bestimmungen, die nach den Auskunftspflichtgesetzen die Verweigerung einer begehrten Auskunft ermöglichen, insbesondere dann eng auszulegen seien, wenn ein Auskunftsersuchen als relevanter Vorbereitungsschritt für journalistische oder andere Aktivitäten, mit denen ein Forum für eine öffentliche Debatte geschaffen werden solle, zu sehen sei, die begehrten Informationen im öffentlichen Interesse lägen und dem Auskunftswerber eine Rolle als „watchdog“ im Sinne der Rechtsprechung des EGMR zukomme (vgl. auch VwGH 29.5.2018, Ra 2017/03/0083, Rn. 29). Eine Unvertretbarkeit der auf diesen Grundlagen erfolgten Interessenabwägung des Verwaltungsgerichts vermag der Revisionswerber alleine mit dem Vorbingen, der Mitbeteiligte sei weder Journalist noch Mitglied einer NGO, sondern politischer Mandatar, nicht aufzuzeigen.

10 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 29. April 2025