Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, in der Revisionssache der revisionswerbenden Parteien 1. R S und 2. H S, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Stephan Duschel, Mag. Klaus Hanten und Mag. Clemens Kurz, Rechtsanwälte in 1220 Wien, St. Wendelin Platz 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 19. Dezember 2022, VGW 111/067/9797/2022 22 und VGW 111/067/9798/2022, betreffend Versagung einer Sonderbaubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bauausschuss der Bezirksvertretung für den 21. Bezirk; weitere Partei: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid des Bauausschusses der Bezirksvertretung für den 21. Bezirk vom 19. April 2022 wurde die von den revisionswerbenden Parteien beantragte Erteilung einer Sonderbaubewilligung gemäß § 71b Bauordnung für Wien BO für Wien (im Folgenden: BO) für ein bestehendes Kleingartenwohnhaus auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der revisionswerbenden Parteien versagt.
2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde die dagegen von den revisionswerbenden Parteien erhobene Beschwerde abgewiesen und gleichzeitig ausgesprochen, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
3 Begründend führte das Verwaltungsgericht Wien (im Folgenden: Verwaltungsgericht) im Wesentlichen aus, für die betreffende Liegenschaft gelte die Widmung „Grünland Erholungsgebiet Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen“ mit einer maximal bebaubaren Fläche von 50 m 2 . Die revisionswerbenden Parteien hätten ihr Kleingartenwohnhaus vor dem 1. Mai 1997 errichtet. Der Bestandsplan weise das Ausmaß der verbauten Fläche mit 57,01 m² aus. Das tatsächliche Ausmaß (exklusive Wärmedämmung) betrage 57,46 m².
4 Das Gebäude verfüge über keine Baubewilligung und sei im Hinblick auf die Überschreitung des gemäß § 12 Abs. 1 Wiener Kleingartengesetz 1996 WKlG 1996 festgesetzten Ausmaßes von 50 m² an zulässigerweise bebaubarer Fläche im Widmungsgebiet „Grünland Erholungsgebiet Kleingartengebiet für ganzjähriges Wohnen“ auch keiner Baubewilligung gemäß § 8 WKlG 1996 zugänglich.
5 Gemäß § 71b Abs. 1 BO sei für bestehende Bauwerke oder Bauwerksteile, die vor dem 1. Mai 1997 errichtet worden seien und eine erforderliche Baubewilligung nicht hätten, auf Antrag eine Sonderbaubewilligung nach § 71b BO zu erteilen. Die dabei vorzunehmende Interessenabwägung müsse ein überwiegendes öffentliches Interesse am Weiterbestand der Baulichkeit ergeben. Insbesondere seien die in § 71b Abs. 3 BO erwähnten öffentlichen Interessen zu berücksichtigen.
6 Unstrittig sei, dass ein öffentliches Interesse an der Sonderbewilligung insofern bestehe, als damit bereits geschaffener Wohnraum für die Bevölkerung erhalten werde. Anhaltspunkte, dass eine sichere Benutzung nicht gegeben sei, seien nicht hervorgekommen.
7 Jedoch könne das Gebäude mit den Zielen der örtlichen Raumordnung nicht als vereinbar angesehen werden. Die Nutzung der bebaubaren Fläche sei im Kleingarten ex lege auf ein Höchstmaß beschränkt. Ziel sei die Erhaltung von Grünflächen. Für eine Umwidmung der Fläche zur Vergrößerung der zulässigerweise bebaubaren Fläche gäbe es keine sachliche Rechtfertigung. Zum Zeitpunkt der Errichtung habe die zulässig bebaubare Fläche sogar nur 35 m² betragen, was den revisionswerbenden Parteien bewusst gewesen sei. Das Gebäude sei auch kein Ersatz für ein rechtmäßig errichtetes Bauwerk gewesen.
8 Ein Überwiegen der öffentlichen Interessen am Bestehenbleiben des Bauwerks liege somit nicht vor.
9 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die revisionswerbenden Parteien zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 13. Juni 2023, E 1523/2023 5, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie in der Folge mit Beschluss vom 31. Juli 2023, E 1523/2023 7, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
10 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
11 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
14 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, es läge keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu vor, inwiefern „und ganz abstrakt“ die Interessenabwägung des § 71b BO zu erfolgen habe, wie die dort genannten öffentlichen Interessen zueinander stehen würden und ob es weitere, vom Gesetzgeber bislang unbedachte Interessen gebe, die zu berücksichtigen seien. Fallbezogen seien die öffentlichen Interessen am weiteren Bestehen des Bauwerks aufgrund der nur geringfügigen Überschreitung des Ausmaßes der bebauten Fläche in nur sehr geringem Umfang beeinträchtigt, wobei zu berücksichtigen sei, ob die Überschreitung vom öffentlichen Grund überhaupt erkennbar sei.
15 Zu § 71b BO hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 27. April 2004, 2003/05/0032, grundsätzlich festgehalten, dass ein Anspruch auf die Erteilung einer solchen Sonderbaubewilligung nur besteht, wenn die vorzunehmende Interessenabwägung überwiegende öffentliche Interessen am Weiterbestand der Baulichkeit ergibt (vgl. VwGH 3.4.2023, Ra 2023/05/0008, mwN).
16 Die Zulässigkeit einer Revision könnte sich im Zusammenhang mit einer den Einzelfall betreffenden Interessenabwägung nur ergeben, wenn in den Revisionszulässigkeitsgründen substantiiert aufgezeigt wird, dass die diesbezügliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtes grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. erneut VwGH 3.4.2023, Ra 2023/05/0008, mit Verweis auf VwGH 15.3.2021, Ro 2021/05/0002; 7.1.2020, Ra2019/06/0245).
17 Der vorliegenden Revision gelingt es mit ihrem Zulässigkeitsvorbringen, das im Wesentlichen mit einer „sehr geringfügigen Überschreitung der zulässigen Gesamtfläche“ gegenüber einem bereits geschaffenen Wohnraum sowie dessen sicherer Benutzung argumentiert, nicht aufzuzeigen, inwiefern die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Abwägungsentscheidung unvertretbar sein sollte. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles solche wurden vorliegend nicht konkret aufgezeigt auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. wiederum VwGH 3.4.2023, Ra 2023/05/0008, mwN).
18 Zur behaupteten unrichtigen Anwendung von § 23 WKlG 1996 in Zusammenhang mit der am Bestandsgebäude angebrachten Wärmedämmung ist festzuhalten, dass das Kleingartenwohnhaus nach den unbekämpften Feststellungen des Verwaltungsgerichts auch unter Abzug der Wärmedämmung die maximal bebaubare Fläche von 50 m² um rund 7 m² überschreitet.
19 Fehlende Interessen der Nachbarn an einer Beseitigung können entgegen dem Revisionsvorbringen eine Zulässigkeit nicht aufzeigen, weil das Verwaltungsgericht bereits ein Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Beseitigung im Verhältnis zu einem weiteren Bestehen des Kleingartenwohnhauses annahm.
20 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 27. Oktober 2023