JudikaturVwGH

Ra 2025/02/0117 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
26. August 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Vizepräsidentin Mag. Dr. Maurer Kober und die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des P, vertreten durch Dr. Waltraud Künstl, Rechtsanwältin in Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 14. Mai 2025, KLVwG207/9/2025, betreffend Abnahme von Pferden gemäß § 37 TSchG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft St. Veit/Glan; mitbeteiligte Partei: Tierschutzombudsperson des Landes Kärnten Dr. Jutta Wagner), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers betreffend die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehlsund Zwangsgewalt durch die auf § 37 Abs. 2 Tierschutzgesetz (TSchG) gestützte Abnahme von vier Pferden als unbegründet ab, verpflichtete den Revisionswerber zu Aufwandersatz und erklärte eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG für unzulässig.

2 Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber habe an einer näher bezeichneten Örtlichkeit vier Pferde gehalten. Am 29. Dezember 2024 sei eines der Pferde in einem Schlammloch versunken und habe geborgen werden müssen. Der Amtstierarzt L. habe den Revisionswerber angewiesen, die Gefahrenstelle zu sichern. Am 31. Dezember 2024 habe die Amtstierärztin M. eine Kontrolle durchgeführt und festgestellt, dass die Gefahrenstelle nicht abgesichert gewesen sei. Weiters habe sie festgestellt, dass die Pferde hochgradig abgemagert gewirkt hätten und zwar sowohl visuell als auch durch Tasten. Die Tierärztin sei davon ausgegangen, dass eine hochgradige Mangel bzw. Unterernährung und Hunger der Pferde vorliege. Dies sei auf den Fotos erkennbar. Dem Vorbringen des Revisionswerbers, der Ernährungszustand der Pferde sei auf eine Infektion mit dem Erreger „neospora caninum“ zurückzuführen, sei entgegenzuhalten, dass Amtstierärztin, Tierschutzombudsperson sowie der einvernommene Tierarzt übereinstimmend ausgeführt hätten, dass dem nicht der Fall sei. Die verschwommenen Bilder des Revisionswerbers hätten nichts Gegenteiliges bewiesen; der von ihm beantragte Zeuge habe die Tiere zuletzt im Oktober gesehen und keine Wahrnehmungen zum 31. Dezember 2024 gehabt. Der Revisionswerber habe die Unterbringung, Ernährung und Betreuung der von ihm gehaltenen Pferde offensichtlich in einer Weise vernachlässigt bzw. gestaltet, die für die Pferde mit Schmerzen und Leiden verbunden gewesen seien. Diese seien mangel- und unterernährt gewesen und hätten Hunger gelitten. Die Abnahme der Tiere sei deshalb geboten gewesen; überdies sei die Gefahrenstelle trotz entsprechenden Auftrages nicht abgesichert gewesen. Aufgrund des Ernährungszustandes der Pferde sei davon auszugehen, dass der Revisionswerber die Pferde über längere Zeit nicht entsprechend gefüttert habe, sodass davon auszugehen sei, dass er nicht in der Lage oder gewillt gewesen sei, den Ernährungszustand der Pferde zu verbessern.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Revision macht in der zur Beurteilung der Zulässigkeit ausschließlich maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung geltend, es liege eine krasse Verletzung des Grundsatzes der materiellen Wahrheitsforschung vor, weil das Verwaltungsgericht seine Ermittlungstätigkeit unterlassen habe. Er habe verschiedenes Vorbringen erstattet (u.a. sofortige Einleitung von Behandlungs und Rettungsmaßnahmen durch den Revisionswerber am 29. Dezember 2024, kein Vorliegen von Unterernährung im Oktober 2024, tierärztliche Kontrollen im Jahr 2023, Hinweis auf Verschmutzung mit Hundekot, Schreiben des Amtstierarztes von 2023, dass es keine schweren Missstände gebe, das Verwaltungsgericht habe eine Blutuntersuchung veranlassen müssen), das Verwaltungsgericht habe jedoch jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und habe dieses Vorbringen des Revisionswerbers ignoriert, weswegen das Erkenntnis der höchstgerichtlichen Judikatur zur materiellen Wahrheitsforschung zuwiderlaufe.

8 Überdies habe das Verwaltungsgericht den konkreten Sachverhalt außer Acht gelassen und sei vom Akteninhalt abgegangen. Sämtliche Kontrollen der Jahre 2012 bis 2024 würden außer Betracht gelassen. Das Verwaltungsgericht stütze sich lediglich auf die erstmalig im Dezember 2024 eingeschrittene Amtstierärztin und stelle einen „verkürzten Sachverhalt“ fest. Es hätte jedenfalls auch unabhängig von Beweisanträgen des Revisionswerbers den leitenden Amtstierarzt einvernehmen müssen.

9Mit diesem Vorbringen macht der Revisionswerber Rechtsfragen des Verfahrensrechtes geltend. Solche Rechtsfragen sind jedoch nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 18.12.2019, Ra 2019/02/0180, mwN).

10 Die Zulässigkeit der Revision setzt voraus, dass die Revision von der Lösung einer geltend gemachten Rechtsfrage tatsächlich abhängt. Davon kann im Zusammenhang mit einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass dieser behauptete Verfahrensmangel abstrakt geeignet sein muss, im Falle eines mängelfreien Verfahrens zu einer anderen für den Revisionswerber günstigerenSachverhaltsgrundlage zu führen (vgl. z.B. VwGH 13.6. 2025, Ra 2025/02/0101, mwN).

11Die Revision lässt in der Zulässigkeitsbegründung jedoch jegliche Relevanzdarstellung des vorgeworfenen Verfahrensmangels vermissen: Eine im Rahmen der gesonderten Darstellung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision nicht weiter substantiierte Behauptung von Verfahrensmängeln reicht nicht aus, um eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen, von deren Lösung das rechtliche Schicksal der Revision abhängt. Die Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, die nach Ansicht des Revisionswerbers die Zulässigkeit der Revision begründet, muss sich aus dieser gesonderten Darstellung ergeben (vgl. etwa VwGH 27.5.2025, Ra 2024/02/0161, mwN).

12 So wird etwa ein konkretes Vorbringen dazu, welche entscheidungswesentlichen Angaben etwa der bei der Kontrolle gar nicht anwesende leitende Amtstierarzt im Fall seiner Vernehmung hätten machen können und inwieweit sich daraus eine für den Revisionswerber günstigere Sachverhaltsgrundlage hätte ergeben können, in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht erstattet.

13Zuletzt bringt der Revisionswerber vor, dass der Verwaltungsgerichtshof bislang nicht zur Frage Stellung genommen habe, welche Kriterien bei der Abnahme eines Tieres gemäß § 37 Abs. 2 TSchG als Akt verwaltungsbehördlicher Befehls und Zwangsgewalt zu berücksichtigen seien. Das Verwaltungsgericht habe in keiner Weise erörtert, ob das angestrebte Ziel auch mit gelinderen Mitteln zu erreichen gewesen wäre bzw. ob die Abnahme verhältnismäßig gewesen sei. Die Abnahme knüpfe an ein strafbares Verhalten des Tierhalters an und stelle einen massiven Eingriff in seine Rechtssphäre dar. Die gewählte Maßnahme müsse jedoch das gelindeste Mittel sein. Der Verwaltungsgerichtshof müsse klären, ob auch bei der Abnahme von Tieren die Kriterien der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit zu prüfen seien.

14Durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist bereits klargestellt, dass bei der Beurteilung, ob eine Tierabnahme rechtmäßig ist, auch die Frage der Verhältnismäßigkeit zu klären ist (vgl. z.B. jüngst VwGH 29.7.2025, Ra 2025/02/0069, Rn. 8). Der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Tierabnahme als ultima ratio kommt jedoch keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil es sich bei der Frage der Verhältnismäßigkeit einer Maßnahme um eine Beurteilung im Einzelfall handelt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge im Zusammenhang mit einer solchen einzelfallbezogenen Beurteilung nur dann vor, wenn diese grob fehlerhaft erfolgt wäre oder zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden unvertretbaren Ergebnis führen würde (vgl. etwa VwGH 17.5.2024, Ra 2024/02/0110, mwN). Dass dies vorliegend der Fall wäre, wird in den alleine maßgeblichen Zulässigkeitsausführungen der Revision angesichts der Begründung des Verwaltungsgerichtes, der Revisionswerber habe als Pferdekenner trotz des offenkundig schlechten Ernährungszustandes der Pferde diese über einen längeren Zeitraum nicht ausreichend gefüttert, weshalb davon auszugehen sei, dass er nicht in der Lage oder gewillt gewesen sei, den Ernährungszustand zu verbessern, nicht dargetan.

15 In der Revision werden somit ingesamt keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 26. August 2025