Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Lilienfeld gegen das am 8. Oktober 2024 mündlich verkündete und am 7. November 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich, LVwG S 1127/001 2024, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: S in R), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird im angefochtenen Umfang (Spruchpunkt 1.) wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
1 Mit Spruchpunkt 1. des Straferkenntnisses der revisionswerbenden Behörde vom 22. April 2024 wurde die Mitbeteiligte wegen einer Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. b iVm § 5 Abs. 2 StVO schuldig erkannt und es wurden über sie eine Geldstrafe sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie ein Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens festgesetzt. Die Mitbeteiligte habe am Tattag ein Fahrzeug in einem vermutlich durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt und sich in der Folge zur Tatzeit am Tatort nach Aufforderung durch ein besonders geschultes und von der Behörde hiezu ermächtigtes Organ der Straßenaufsicht geweigert, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen.
2Mit Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) der von der Mitbeteiligten dagegen erhobenen Beschwerde statt und stellte das Verwaltungsstrafverfahren nach § 45 Abs. 1 Z 2 VStG mangels Tatbegehung ein. Eine Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
3 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass die Mitbeteiligte aufgrund einer auffälligen Fahrweise angehalten worden sei. Nachdem die Beamten bei der Mitbeteiligten Alkoholisierungssymptome in Form von deutlichem Alkoholgeruch, unsicherem Gang, veränderter Sprache und deutlicher Bindehautrötung wahrgenommen hätten und die Mitbeteiligte angegeben habe, zumindest einen „Spritzer“ getrunken zu haben, sei sie aufgefordert worden, einen Test auf Atemluftalkoholgehalt mit einem Vortestgerät durchzuführen. Dem habe die Mitbeteiligte zwar zugestimmt, ihre zumindest neunmaligen Versuche hätten jedoch trotz entsprechender Anleitung durch den Polizeibeamten zu keinem gültigen Ergebnis geführt. Dies habe dazu geführt, dass der Mitbeteiligten von den einschreitenden Polizeibeamten kein weiterer Blasversuch gestattet und die Amtshandlung beendet worden sei. Eine Aufforderung einen Alkoholtest an einem geeichten Testgerät durchzuführen, sei seitens der Polizeibeamten gegenüber der Mitbeteiligten nicht erfolgt.
4 In seinen beweiswürdigenden Erwägungen stützte sich das Verwaltungsgericht bei der Frage, ob die Mitbeteiligte zur Ablegung eines Alkoholtests mit einem geeichten Testgerät aufgefordert worden sei, auf die verfahrenseinleitende Anzeige. Daraus ergebe sich, dass zwar die darin angeführten Punkte „Zum Test mit dem Vortestgerät [aufgefordert]“ und „Die Durchführung des Tests mit dem Vortestgerät wurde verweigert“ jeweils mit „Ja“ beantwortet worden seien. Weitere Angaben im Zusammenhang mit der Aufforderung und/oder Durchführung eines Alkoholtests „an sich“ würden jedoch fehlen. Dies stehe im Einklang mit den Zeugenaussagen des Meldungsleger im behördlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren, wonach nach den Fehlversuchen mit dem Vortestgerät die Amtshandlung beendet worden sei.
5 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Verwaltungsgericht daraus, dass die Mitbeteiligte den objektiv vorgeworfenen Tatbestand des § 5 Abs. 2 StVO nicht erfüllt habe, weil sie nicht zur Durchführung eines Atemluftalkoholtests mit einem geeichten Alkomaten aufgefordert worden sei. Die Verweigerung eines Alkoholtests mit einem Vortestgerät dürfe nicht verwaltungsstrafrechtlich zum Vorwurf gemacht werden.
6 Gegen Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses richtet sich die vorliegende außerordentliche Amtsrevision der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
7 Zu ihrer Zulässigkeit führt die Amtsrevision aus, das Verwaltungsgericht habe seiner Entscheidung Sachverhaltsfeststellungen zugrunde gelegt, die aktenwidrig und unrichtig seien. Es habe die Anzeige nur unvollständig wiedergegeben und die dort enthaltenen Angaben übergangen, wonach die Mitbeteiligte zur Durchführung eines Alkoholtests aufgefordert worden sei. Auch aus der Aussage des einvernommenen Polizeibeamten ergebe sich nicht, dass eine Aufforderung zum Alkomattest mit einem geeichten Alkomaten gegenüber der Mitbeteiligten nicht stattgefunden habe.
8 Die Revision erweist sich als zulässig und begründet.
9Aktenwidrigkeit liegt vor, wenn die Entscheidung in ihrer Begründung von Sachverhalten ausgeht, die sich aus dem Akt überhaupt nicht oder nicht in der angenommenen Weise ergeben, wenn also die Feststellung jener tatsächlichen Umstände unrichtig ist, die für den Spruch der Entscheidung ausschlaggebend sind (vgl. VwGH 22.11.2023, Ra 2023/02/0175, mwN).
10 Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Mitbeteiligte nicht zur Durchführung eines Atemlufttests mittels geeichtem Alkomatgerät aufgefordert worden sei und sich dabei auf die Anzeige gestützt. Allerdings hat sich das Verwaltungsgericht nur mit den Ausführungen in der Anzeige zur Ablegung des Alkoholvortests beschäftigt und weitere Passagen in der Anzeige zur Ablegung des Alkomattests unberücksichtigt gelassen. Es hat übersehen, dass in der Anzeige auch ausgeführt wird, dass die Mitbeteiligte nach den ergebnislosen Tests mit dem Vortestgerät zur Durchführung der Atemluftmessung mit dem Alkomaten aufgefordert wurde. Der Punkt „Der/die ProbandIn wurde daher zur Atemluftmessung mit dem Alkomaten aufgefordert“ wird in der Anzeige mit „ja“ beantwortet. Beim daran anknüpfenden Punkt „Grund der Verweigerung“ findet sich der Hinweis „Die Atemluftprobe wurde verweigert“. Dazu in Widerspruch stehende Angaben des Meldungslegers sind weder dem gerichtlichen Verhandlungsprotokoll noch der behördlichen Niederschrift vom 22. Februar 2024 zu entnehmen, zumal sich aus diesen nicht ergibt, dass der Zeuge in seinen Einvernahmen zu den in Rede stehenden Passagen in der Anzeige befragt worden wäre.
11 Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung sämtlicher Angaben in der Anzeige zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre, erweist sich das angefochtene Erkenntnis soweit es den angefochtenen Spruchpunkt 1. betrifftsomit als rechtswidrig infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a VwGG aufzuheben.
Wien, am 13. März 2025
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