JudikaturVwGH

Ra 2025/01/0044 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofräte Mag. Brandl und Dr. Terlitza als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Karger, LL.M., über die Revision des X F in B (C), vertreten durch die Dr. PÖTZL RECHTSANWALTS GMBH in 4020 Linz, Rainerstraße 23, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 3. Jänner 2025, Zl. VGW 152/104/1024/2024 56, betreffend Staatsbürgerschaft (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Wiener Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis stellte das Verwaltungsgericht in der Sache nach Durchführung zweimal fortgesetzten mündlichen Verhandlungfest, der Revisionswerber habe die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 27 Abs. 1 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) mit 17. Oktober 2020 durch den Wiedererwerb der chinesischen Staatsangehörigkeit verloren und sei seit diesem Zeitpunkt nicht mehr österreichischer Staatsbürger. Die Revision wurde für unzulässig erklärt.

Zu Spruchpunkt I.:

2 Dieses Erkenntnis wurde dem Revisionswerber zu Handen seiner Rechtsvertretung im Wege des ERV zugestellt und befand sich nach dem im Akt erliegenden Zustellnachweis seit 7. Jänner 2025 im elektronischen Verfügungsbereich der Rechtsvertretung des Revisionswerbers.

3 Als Zustellzeitpunkt elektronisch übermittelter Ausfertigung von Erledigungen des Verwaltungsgerichts Wien gilt gemäß § 20 Abs. 8 des Gesetzes über das Verwaltungsgericht Wien VGWG, LGBl. Nr. 83/2012 in der Fassung LGBl. Nr. 30/2022, jeweils der auf das Einlangen in den elektronischen Verfügungsbereich des Empfängers folgende Werktag. Im vorliegenden Fall war dies der 8. Jänner 2025. Davon ausgehend endete die sechswöchige Revisionsfrist mit Ablauf des 19. Februar 2025.

4Die gegen das Erkenntnis erhobene außerordentliche Revision wurde am 17. Februar 2025 entgegen § 24 Abs. 1 VwGG unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebracht und von diesem mit verfahrensleitender Anordnung vom 21. Februar 2025 zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht weitergeleitet.

5 Am 18. Februar 2025 brachte der Revisionswerber unmittelbar beim Verwaltungsgericht den vorliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand samt mit dem unmittelbar beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revisionsschriftsatz wortidenter, außerordentlicher Revision ein.

6Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erlitten hat. „Versäumt“ ist eine Frist, wenn sie zu laufen begonnen hat und ungenutzt verstrichen ist (vgl. etwa VwGH 8.9.2021, Ra 2020/08/0195, Rn. 3, mwN).

7Die vorliegende Revision wurde am 18. Februar 2025 innerhalb der sechswöchigen Revisionsfrist gemäß § 24 Abs. 1 VwGG beim Verwaltungsgericht eingebracht, weshalb der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Vorliegens einer Fristversäumnis zurückzuweisen war (vgl. etwa VwGH 28.2.2023, Ra 2023/11/0021, Rn. 18).

Zu Spruchpunkt II.:

8 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

10Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

11Die Revision wendet sich in der Begründung für ihre Zulässigkeit nach § 28 Abs. 3 VwGG ausschließlich gegen die beweiswürdigenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts, mit denen dieses zum Ergebnis gelangte, der Revisionswerber habe die chinesische Staatsangehörigkeit auf seinen Antrag hin wiedererworben.

12Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. ErläutRV 1618 BlgNR 24. GP 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat.

§ 27 Abs. 1 StbG verlangt nicht eine „hundertprozentige Sicherheit“ für die Feststellung des (Wieder)Erwerbs einer fremden Staatsangehörigkeit auf Grund des Antrages, der Erklärung oder der ausdrücklichen Zustimmung des Betroffenen. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht im Feststellungsverfahren nach § 27 Abs. 1 StbG verpflichtet, den zum Zeitpunkt seiner Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln. In diesem Zusammenhang ist auf den mit § 45 Abs. 2 AVG normierten Grundsatz der freien Beweiswürdigung hinzuweisen, wonach die Behörde bzw. iVm § 17 VwGVG das Verwaltungsgericht bei der Beweiswürdigung nicht an feste Beweisregeln gebunden ist, sondern den Wert der aufgenommenen Beweise nach bestem Wissen und Gewissen nach deren innerem Wahrheitsgehalt zu beurteilen hat (vgl. zu alldem VwGH 10.5.2024, Ra 2024/01/0048, Rn. 14 und 15, jeweils mwN).

13 Dass die vom Verwaltungsgericht angestellten, einzelfallbezogenen Erwägungen unvertretbar wären, zeigt die Revision nicht auf.

14 In der Revision werden vor diesem Hintergrund keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. Mai 2025