JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0021 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, 1.) über die Revision des J Y in L, vertreten durch die Huber und Partner Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Schillerstraße 12, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 4. Oktober 2022, Zl. LVwG 652249/23/MK, betreffend Entziehung der Fahrlehrerberechtigung und 2.) über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Linz Land), den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Die Revision wird zurückgewiesen.

II. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Frist zur Erhebung der Revision wird zurückgewiesen.

1 1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 27. September 2021 wurde dem Revisionswerber die ihm am 18. Mai 2015 erteilte Berechtigung, als Fahrlehrer für die Klasse B an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht zu erteilen, entzogen.

2 2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Entziehungsbescheid nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3 In seiner Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, der Revisionswerber habe im Zuge einer Ausbildungsfahrt dem Fahrschüler entgegen dessen Absicht aufgetragen, bei Gelblicht eine Kreuzung zu durchfahren, obwohl sicher hätte angehalten werden können. Der Revisionswerber habe geglaubt, hinter dem Fahrschulauto einen Streifenwagen gesehen zu haben und habe ein persönlich motiviertes Einschreiten des Streifenwagenlenkers befürchtet. Während der weiteren Fahrt habe der Revisionswerber dem Fahrschüler wiederum die Weiterfahrt angeordnet, obwohl dieser das Anhaltesignal des Streifenwagens richtig gedeutet hatte und ein Anhalten gefahrlos möglich gewesen sei. Der Revisionswerber habe das Anhaltesignal zwar ebenfalls wahrgenommen, dieses jedoch bewusst ignoriert. Aus diesem Grund sei es in der Folge zu einer erzwungenen Anhaltung durch den Streifenwagen mit dadurch verbundenen Gefahrenmomenten im fließenden Straßenverkehr gekommen. Der Revisionswerber habe im Zuge der Anhaltung bzw. der Verkehrskontrolle seine Fassung endgültig verloren und eine Intensität des Einschreitens erforderlich gemacht, die in keiner Relation zur Ausgangssituation gestanden sei. Infolge der Verweigerung der Ausweisleistung sei es vor den Augen des Fahrschülers zur Verhaftung des Revisionswerbers gekommen. Der Fahrschüler sei seiner Obhut entzogen und die Verfügungsgewalt über das Fahrschulauto unterbunden worden. Die Motivation für den Erregungszustand des Revisionswerbers sei in außerhalb des Anlassszenarios gelegenen Befindlichkeiten des Revisionswerbers im Zusammenhang mit der Exekutive gelegen.

4 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf vorliegende Rechtsprechung aus, es sei bei dem im § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 verwendeten Begriff der „Vertrauenswürdigkeit“ da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zur näheren Bestimmung dieses Begriffes enthalten von der Bedeutung auszugehen, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukomme. Ein wesentlicher Bereich der Pflichten eines Fahrlehrers bestehe in der Heranführung der Schüler an ein den Gefahrenmomenten des Straßenverkehrs entsprechend Bedacht nehmendes Verhalten, das zur Wahrung der Verkehrssicherheit beitrage, und auch an die Beachtung der Tätigkeit der Organe des Sicherheitsdienstes und deren Anordnung. Beide Aspekte habe der Revisionswerber im vorliegenden Fall gröblich missachtet. Insbesondere die Anordnungen der Exekutive zu missachten stehe in einem diametralen Verhältnis zu dem didaktischen Konzept einer Fahrschule. Zudem hätte das Verhalten des Revisionswerbers zu einer Stresssituation des Fahrschülers geführt und stelle seine persönliche Eignung als Lehrperson insgesamt in Frage. Das Verhalten des Revisionswerbers sei bereits mit der idealtypischen Haltung eines „normalen“ Verkehrsteilnehmers nicht in Einklang zu bringen, umso weniger mit derjenigen, die eine Lehrperson aufweisen müsse. Aufgrund des Gesamtverhaltens, das gänzlich außerhalb des situativen Erwartungsrahmens angesiedelt sei, sei die Annahme der Vertrauenswürdigkeit geradezu beispielhaft erschüttert, insbesondere in Anbetracht dessen, dass sich der Revisionswerber einer Anhaltung durch die Exekutive habe entziehen wollen und dabei den Fahrschüler zu einem rechtswidrigen Verhalten veranlasst habe. Das festgestellte Verhalten sei mit der Anforderung der Vertrauenswürdigkeit im Sinne der anzuwendenden Gesetzesbestimmung nicht in Einklang zu bringen.

5 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die am 18. Jänner 2023 (Postaufgabe) fristgerecht beim Verwaltungsgericht eingebrachte außerordentliche Revision.

6 4. Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Zu Spruchpunkt I.:

10 Die Revision bringt in ihrer Zulässigkeitsbegründung vor, es liege keine Rechtsprechung zu der Frage vor, ob bereits aufgrund eines einmaligen Ereignisses die Fahrlehrerberechtigung entzogen werden könne.

11 Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat, ist bei dem im § 109 Abs. 1 lit. b KFG 1967 verwendeten Begriff der „Vertrauenswürdigkeit“ da weder der Gesetzeswortlaut noch die Gesetzesmaterialien Aussagen zur näheren Bestimmung dieses Begriffes enthalten von der Bedeutung auszugehen, die diesem Ausdruck im allgemeinen Sprachgebrauch zukommt. Dem Wort „vertrauen“ kommt demnach inhaltlich die gleiche Bedeutung zu wie einem „sich verlassen“. Verlässlich ist eine Person dann, wenn sie nach ihrer gesamten Geisteshaltung und Sinnesart ein Persönlichkeitsbild vermittelt, das bei Berücksichtigung aller für das Gemeinschaftsleben belangreichen Richtungen ein in sie gesetztes Vertrauen zu rechtfertigen vermag. Es kann schon eine einzige strafbare Handlung, die in auffallendem Gegensatz zu dem sonstigen jahrelangen Verhalten eines Fahrlehrers steht, sein gesamtes Charakterbild so verändern, dass gesagt werden kann, dass die bis dahin nie in Zweifel gezogene Vertrauenswürdigkeit nicht mehr vorhanden ist (vgl. bereits VwGH 5.11.1986, 86/11/0066; 28.9.1993, 93/11/0101; jeweils mwN).

12 Das Fehlen von Rechtsprechung vermag die Zulässigkeit der Revision daher nicht zu begründen. Es kann ferner keinem Zweifel unterliegen, dass das Ergebnis der jeweiligen Beurteilung eine Gesamtbetrachtung der fallbezogenen Umstände erfordert, die in ihrer Bedeutung in der Regel über den Einzelfall nicht hinausgeht und aus diesem Grund die Zulässigkeit der Revision nicht zu rechtfertigen vermag, soferne das Verwaltungsgericht auf Basis eines mängelfrei ermittelten Sachverhalts zu einem in rechtlicher Hinsicht nicht unvertretbaren Ergebnis gelangt (vgl. etwa VwGH 24.5.2022, Ra 2020/04/0008; vgl. auch VwGH 17.8.2020, Ra 2020/11/0104). Dass das vom Verwaltungsgericht erzielte Ergebnis in diesem Sinne nicht vertretbar sei, zeigt die Revision in ihrer Zulässigkeitsbegründung nicht auf.

13 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

14 Zu Spruchpunkt II.:

15 Der Revisionswerber brachte nach Zustellung des Beschlusses des Verfassungsgerichtshofs vom 14. Dezember 2022, E 3215/2022 5, betreffend die Abtretung der Beschwerde des Revisionswerbers am 18. Jänner 2023 fristgerecht die vorliegende Revision gemäß § 24 Abs. 1 erster Satz VwGG beim Verwaltungsgericht ein.

16 Am 9. Februar 2023 stellte der Revisionswerber direkt beim Verwaltungsgerichtshof den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisionsfrist, weil aufgrund näher geschilderter Umstände die Revision ursprünglich fälschlicherweise abweichend von § 24 Abs. 1 Z 1 VwGG nicht beim Verwaltungsgerichtshof direkt eingebracht worden sei.

17 Gemäß § 46 VwGG ist, wenn eine Partei durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis so dadurch, dass sie von einer Zustellung ohne ihr Verschulden keine Kenntnis erlangt hat eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, dieser Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen.

18 Im vorliegenden Fall wurde die Revision ursprünglich fristgerecht beim hierfür zuständigen Verwaltungsgericht ein Fall des § 24 Abs. 1 Z 1 VwGG liegt nicht vor eingebracht und erwies sich daher auch nicht als verspätet. Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher mangels Vorliegens einer Fristversäumnis zurückzuweisen.

Wien, am 28. Februar 2023

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