Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Tolar als Richter sowie die Hofrätin Dr. Kronegger als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Amesberger, über die Revision des B I, vertreten durch Mag. Thomas Klein, Rechtsanwalt in 8020 Graz, Kärntner Straße 7B/2. OG, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2024, W112 2248801 1/52E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation tschetschenischer Volksgruppenzugehörigkeit, reiste im Jahr 2004 im Alter von neun Jahren mit seinen Eltern und seinem Bruder in das Bundesgebiet ein. Nachdem seinem Vater Asyl zuerkannt worden war, gab das Bundesasylamt mit Bescheid vom 14. Februar 2005 dem Asylerstreckungsantrag des Revisionswerbers gemäß § 7 Asylgesetz 1997 statt und stellte fest, dass ihm gemäß § 12 Asylgesetz 1997 kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.
2Das Landesgericht für Strafsachen Graz verurteilte den Revisionswerber am 2. Juli 2019 aufgrund zahlreicher im Einzelnen genannter, als Mitglied einer kriminellen Vereinigung in den Jahren 2018 und 2019 begangener Tathandlungen wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach § 142 Abs. 1 und § 143 Abs. 1 erster und zweiter Fall, teilweise in Verbindung mit § 15 StGB, und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB, der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB, der Sachbeschädigung nach § 125 StGB, der dauernden Sachentziehung nach § 135 Abs. 1 StGB, der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB sowie des Diebstahls durch Einbruch nach § 127 und § 129 Abs. 1 Z 1 StGB als Beitragstäter nach § 12 dritter Fall StGB zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren.
3Eine dagegen vom Revisionswerber erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verwarf der Oberste Gerichthof (OGH) mit Urteil vom 27. Mai 2021. Aus Anlass der Nichtigkeitsbeschwerde sprach der OGH den Revisionswerber gemäß § 259 Z 3 StPO von einem näher genannten Faktum als Beitragstäter frei. Bei der erforderlichen Strafneubemessung wertete der OGH eine Freiheitsstrafe von sechs Jahren als tat und schuldangemessen.
4Mit Bescheid vom 10. November 2021 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und stellte gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 fest, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme. Zudem erkannte es dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest und erließ gegen ihn ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 und 5 FPG.
5 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit der Maßgabe, dass die Dauer des Einreiseverbotes auf fünf Jahre herabgesetzt werde, als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 10. Juni 2024, E 1965/2024 5, ablehnte und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat, woraufhin der Revisionswerber die vorliegende außerordentliche Revision einbrachte.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die Revision wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung nur gegen die Erlassung der Rückkehrentscheidung und das verhängte Einreiseverbot. Sie argumentiert, dass diese Entscheidungen in Abweichung von der bisherigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ergangen und daher rechtswidrig seien, weil den Wertungen des früheren § 9 Abs. 4 BFA VG, die weiterhin anzuwenden seien, nicht die gebotene Bedeutung zugemessen worden sei.
11 Dem ist zunächst einzuräumen, dass ungeachtet des Außerkrafttretens des (mit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2018, BGBl. I Nr. 56, mit Ablauf des 31. August 2018 aufgehobenen) § 9 Abs. 4 BFA VG die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände nach der ständigen hg. Rechtsprechung im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFAVG weiterhin beachtlich sind (vgl. dazu etwa VwGH 29.8.2024, Ra 2021/21/0362, mwN). Dabei bedarf es aber keiner ins Detail gehenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Anwendung des ehemaligen § 9 Abs. 4 BFAVG (vgl. etwa VwGH 14.12.2023, Ra 2023/20/0308, Rn. 21).
12Wenn die Revision die Auffassung vertritt, diese Wertungen seien einer Rückkehrentscheidung und der Erlassung eines Einreiseverbots entgegengestanden, kann dem nicht gefolgt werden. Der Revisionswerber wurde wegen besonders schwerer Straftaten zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt und weist entgegen den Behauptungen der Revision noch kein relevantes Wohlverhalten in Freiheit auf. Ihm kommt daher fallbezogen der in der jüngeren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dargelegte erhöhte Schutz vor Aufenthaltsbeendigung nicht zu (vgl. dazu etwa VwGH 28.3.2022, Ra 2021/18/0128).
13 Dass der erst im Alter von neun Jahren eingereiste Revisionswerber, wie die Revision behauptet, „von klein auf“ in Österreich aufgewachsen wäre, trifft im Übrigen nicht zu (vgl. zur Auslegung dieser in § 9 Abs. 4 Z 2 BFAVG idF vor der Novellierung durch das FrÄG 2018 enthaltenen Wendung etwa VwGH 9.3.2023, Ra 2022/19/0238, mwN).
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 7. November 2024