JudikaturVwGH

Ra 2024/17/0068 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident MMag. Maislinger und die Hofräte Dr. Terlitza und Dr. Hammerl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Schimpfhuber, über die Revision des S K I B, vertreten durch Mag. Alexander Fuchs, Rechtsanwalt in Linz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 15. April 2024, Zl. LVwG 702786/15/ER, betreffend Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Oberösterreich), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 21. Dezember 2023 wurde dem Revisionswerber, einem irakischen Staatsangehörigen, zur Last gelegt, er habe sich im Zeitraum vom 23. März 2022 bis zum 12. Oktober 2023 nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Der Revisionswerber habe dadurch § 120 Abs. 1a FPG iVm § 31 Abs. 1 und Abs. 1a FPG verletzt und es wurde über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von 2.500 € (Ersatzfreiheitsstrafe von 9 Tagen und 7 Stunden) verhängt.

2 Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärt eine Revision für nicht zulässig.

3In der Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach mehreren strafgerichtlichen Verurteilungen sei dem Revisionswerber am 10. Februar 2021 rechtskräftig sein Status als Asylberechtigter aberkannt, ihm subsidiärer Schutz nicht gewährt und ein befristetes Aufenthaltsverbot auf die Dauer von sechs Jahren erlassen worden. Der Revisionswerber habe am 25. Februar 2022 einen Antrag auf Ausstellung einer Karte für Geduldete gemäß § 46a Abs. 4 iVm § 46a Abs. 1 FPG gestellt. Dieser Antrag sei rechtskräftig abgewiesen worden, die dagegen erhobene Revision vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 2. Dezember 2022, Ra 2022/22/0158, zurückgewiesen worden.

4Auf Grund der nach Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbotes nicht erfolgten rechtzeitigen Ausreise aus dem Bundesgebiet sei der Revisionswerber mit Straferkenntnis vom 14. Dezember 2022 gemäß § 120 Abs. 1a FPG rechtskräftig bestraft worden.

5 Der Revisionswerber habe ein verpflichtendes Rückkehrberatungsgespräch bei der BBU GmbH wahrgenommen, einen Antrag auf unterstützte Rückkehr gestellt und auch ein Antragsformular zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates durch die irakische Botschaft ausgefüllt. In der Folge habe er mehrmals die irakische Botschaft aufgesucht, aber keine irakischen Identitätsdokumente vorgelegt, weshalb ihm mangels bestätigter irakischer Identität seitens der Botschaft kein Heimreisezertifikat ausgestellt worden sei.

6Der Revisionswerber sei geschieden, seine vier Kinder würden bei ihrer Mutter, der Exfrau des Revisionswerbers, in Rumänien leben. Der Revisionswerber gehe in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach und habe zu in Österreich aufhältigen Verwandten und Freunden keine Bindungen, die die Unzulässigkeit einer Ausweisung aus Gründen des Art. 8 EMRK begründen würden.

7Bei gegenständlicher Verwaltungsübertretung genüge die fahrlässige Tatbegehung; bei Ungehorsamsdelikten gemäß § 5 Abs. 1 VStG sei diese bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot ohne weiteres anzunehmen. Das Verwaltungsgericht komme zum Schluss, dass dem Revisionswerber ein Verschulden an seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im vorgeworfenen Tatzeitraum zur Last zu legen sei. Der Revisionswerber habe vor der irakischen Botschaft lediglich zu beweisen versucht, dass er keine erforderlichen Dokumente innehabe und daher ein Heimreisezertifikat nicht ausgestellt werden könne. Der Revisionswerber sei zur Erlangung eines Heimreisezertifikates nicht kooperativ gewesen, er habe etwa keine Bemühungen (z.B. über seine ebenfalls in Österreich aufhältigen Eltern) gesetzt, um an die zur Erlangung eines Heimreisezertifikates erforderlichen Unterlagen zu gelangen. Der Revisionswerber könne sich somit nicht auf mangelndes Verschulden an seinem unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich berufen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 11.12.2023, Ra 2022/17/0154, mwN).

13 Zur Zulässigkeit der Revision wird geltend gemacht, der Revisionswerber verfüge über keinen gültigen Reisepass und sei mehrmals bei der irakischen Botschaft vorstellig gewesen, um sich ein Heimreisezertifikat ausstellen zu lassen. Der Revisionswerber habe daher alles getan, was ihm möglich gewesen sei, zuerst „im Alleingang“ und anschließend mit der Unterstützung der BBU, ein gültiges Heimreisezertifikat zu erlangen. Wenn eine Botschaft kein Heimreisezertifikat ausstelle, sei es einem Fremden nicht möglich, dieses zu bekommen. Der Revisionswerber habe ohne jeglichen Vorsatz gehandelt. Er könne nicht ausreisen. Ob bei einem derartigen Sachverhalt die Verhängung eines Straferkenntisses zulässig sei, sei in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet.

14 Mit diesem Zulässigkeitsvorbringen wird eine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht aufgezeigt.

15Bei einem Ungehorsamsdelikt, wie im vorliegenden Fall, kommt es auf das Vorliegen eines Vorsatzes nicht an. § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verlangt insoweit von einer beschuldigten Person, von sich aus initiativ glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Gesetzgeber vermutet in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Das Verschulden wird nach der genannten gesetzlichen Bestimmung widerleglich vermutet, wobei (zum Unterschied vom Beweis, der in der Herbeiführung eines behördlichen Urteils über die Gewissheit des Vorliegens einer entscheidungsrelevanten Tatsache besteht) hier zur Erleichterung für die beschuldigte Person die Herbeiführung eines Urteiles über die Wahrscheinlichkeit einer Tatsache genügt (vgl. VwGH 17.1.2024, Ra 2023/02/0228).

16 Dass der Revisionswerber wie von ihm auch in der Revision dargelegt mehrmals bei der irakischen Botschaft vorstellig wurde, ist unbestritten. Nach den ausführlich begründeten Darlegungen des Verwaltungsgerichts legte er dort aber keinerlei Unterlagen vor und versuchte lediglich zu beweisen, dass er keine erforderlichen Dokumente innehabe. Er habe sich auch nicht bemüht, etwa im Wege seiner in Österreich aufhältigen Eltern an Unterlagen zu gelangen. Diese Darlegungen werden im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung nicht bestritten. Damit kann aber nicht erkannt werden, dass der Revisionswerber (wie er behauptet) alles getan hätte, was ihm möglich gewesen wäre, um ein Heimreisezertifikat zu erlangen. Dem Verwaltungsgericht ist (im Rahmen der Prüfung der Zulässigkeit der Revision) somit nicht entgegenzutreten, wenn es zum Ergebnis gelangte, dass dem Revisionswerber (zumindest) fahrlässiges Verhalten vorzuwerfen ist.

17 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. September 2025