JudikaturVwGH

Ra 2023/02/0228 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des T in W, vertreten durch Dr. Wolf Georg Schärf, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Zedlitzgasse 1/17, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 6. September 2023, VGW 031/097/5000/2023 16, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 22. März 2023 wurde dem Revisionswerber als handelsrechtlichem Geschäftsführer und damit zur Vertretung nach außen berufenem Organ der W GmbH, die Verfügungsberechtigte eines näher bezeichneten Gegenstandes (Holzbretter und Bauholz) sei, zur Last gelegt, er habe es zu verantworten, dass dieser Gegenstand, der auf der Straße gelegen sei, nicht durch das Gefahrenzeichen „Andere Gefahren“ und, obwohl es die Dunkelheit erfordert hätte, auch nicht durch Lampen kenntlich gemacht worden sei.

2 Der Revisionswerber habe dadurch gegen § 89 Abs. 1 StVO iVm § 9 Abs. 1 StVO verstoßen, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2 lit. d StVO eine Geldstrafe in Höhe von € 400, (Ersatzfreiheitsstrafe 7 Tage und 17 Stunden) verhängt wurde.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab, setzte einen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens fest und sprach aus, dass eine ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 Begründend führte das Verwaltungsgericht soweit für das Revisionsverfahren wesentlich aus, es handle sich bei der gegenständlichen Verwaltungsübertretung um ein Ungehorsamkeitsdelikt gemäß § 5 Abs. 1 VStG, bei dem es dem Beschuldigten obliege, glaubhaft zu machen, dass im konkreten Fall die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne vorwerfbares Verschulden unmöglich gewesen sei. Der Revisionswerber habe diesbezüglich kein substantiiertes Vorbringen erstattet. Sein - nicht als glaubwürdig erachtetes - Vorbringen beschränke sich im Wesentlichen auf das Bestreiten der Zugehörigkeit der Holzlagerung zur W GmbH.

5 Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit vorgebracht wird, es fehle aktuelle Judikatur des Verwaltungsgerichthofes zur Beweislastumkehr im Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 5 Abs. 1 StVO.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Die in der Zulässigkeitsbegründung aufgeworfene Rechtsfrage versagt bereits deshalb als Zulässigkeitsgrund, weil dazu in den Revisionsgründen nichts mehr ausgeführt wird (vgl. VwGH 8.3.2021, Ra 2021/02/0012, mwN); die Revisionsgründe erschöpfen sich nämlich in einem bloßen Verweis auf das Zulässigkeitsvorbringen (vgl. VwGH 28.11.2022, Ra 2022/02/0200, mwN).

10 Wird jedoch das gesamte Revisionsvorbringen ausschließlich als Zulässigkeitsvorbringen gemäß § 28 Abs. 3 VwGG unterbreitet, dann wird nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Erfordernis nach § 28 Abs. 3 VwGG, die Gründe, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird, gesondert darzulegen, nicht entsprochen (vgl. VwGH 29.8.2022, Ra 2022/02/0158, mwN).

11 Die Revision, die somit inhaltlich eine Trennung der Gründe für die Zulässigkeit der Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG und der Revisionsgründe nicht erkennen lässt, erweist sich demnach als nicht gesetzmäßig ausgeführt (vgl. hierzu auch VwGH 4.5.2021, Ra 2021/09/0088, mwN) und ist daher bereits aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

12 Im Übrigen ist soweit der Revisionswerber das Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 5 Abs. 1 VStG behauptet und in dieser Bestimmung erkennbar einen Widerspruch zur Unschuldsvermutung erblickt auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes hinzuweisen, wonach § 5 Abs. 1 VStG von einer beschuldigten Person weder eine Selbstbezichtigung noch den Nachweis ihrer Unschuld verlangt. Auch im Falle von Ungehorsamsdelikten genügt die bloß objektive Verwirklichung des Tatbestandes allein für die Strafbarkeit nicht. Auch bei Ungehorsamsdelikten ist nur der schuldhaft Handelnde verantwortlich.

13 § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG verlangt aber bei Ungehorsamsdelikten von einer beschuldigten Person, von sich aus initiativ glaubhaft zu machen, dass sie an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft. Der Gesetzgeber vermutet in einem solchen Fall die Schuld bis zur Glaubhaftmachung des Gegenteiles durch den Beschuldigten. Das Verschulden wird nach der genannten gesetzlichen Bestimmung widerleglich vermutet, wobei (zum Unterschied vom Beweis, der in der Herbeiführung eines behördlichen Urteils über die Gewissheit des Vorliegens einer entscheidungsrelevanten Tatsache besteht) hier zur Erleichterung für die beschuldigte Person die Herbeiführung eines Urteiles über die Wahrscheinlichkeit einer Tatsache genügt.

14 Vor diesem Hintergrund trifft die Beweislast dahin, ob eine beschuldigte Person den objektiven Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes gesetzt hat, das Verwaltungsgericht (bzw. davor die Verwaltungsbehörde); eine Umkehrung tritt erst dann in den Blick, wenn der objektive Tatbestand eines Ungehorsamsdeliktes feststeht und lediglich das Vorliegen eines Verschuldens in Abrede gestellt wird.

15 Kommt eine beschuldigte Person ihrer Darlegungsverpflichtung iSd § 5 Abs. 1 zweiter Satz VStG nicht nach, sind Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden berechtigt, diesen Umstand ins Kalkül zu ziehen. Umstände zur Glaubhaftmachung, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, liegen nämlich in der Sphäre des Täters, weshalb dafür ein entsprechendes Vorbringen einschließlich konkreter Anhaltspunkte erforderlich ist. Liegt dem Verwaltungsgericht bzw. der Verwaltungsbehörde allerdings kein entsprechendes Vorbringen zur Glaubhaftmachung vor, dass die beschuldigte Person an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft, kann deren Entscheidung nur auf dem Boden sonstiger einschlägiger Anhaltspunkte hiezu getroffen werden (vgl. zum Ganzen ausführlich VwGH 20.3.2018, Ra 2017/03/0092, mwN).

16 Die Revision legt in ihrem Zulässigkeitsvorbringen nicht dar, dass der Revisionswerber ein ihn entlastendes Vorbringen erstattet hätte, das vom Verwaltungsgericht nicht beachtet worden wäre, oder dem Verwaltungsgericht sonstige einschlägige Anhaltspunkte für sein fehlendes Verschulden vorgelegen seien.

17 Soweit schließlich die Revision eine Unvereinbarkeit der Regelung des § 5 Abs. 1 VStG mit Art. 6 EMRK bzw Art. 48 Grundrechtecharta der EU zu erkennen vermeint, genügt es, auf die von Lewisch in Lewisch/Fister/Weilguni , VStG 3 (2023) § 5 Rz 8 zitierte einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR zu verweisen, derzufolge sich diese Bestimmung weder als verfassungswidrig noch als konventionswidrig erweist.

18 In der Revision werden somit auch keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher auch aus diesem Grund zurückzuweisen.

Wien, am 17. Jänner 2024

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