Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher sowie den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Kittinger, LL.M., über die Revision der G M in W, vertreten durch Dr. Michael Kotschnigg, Steuerberater in 1220 Wien, Stadlauer Straße 39/1/Top 12, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 21. August 2024, RV/2100374/2023, betreffend Rückforderung von Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträgen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Österreich, Dienststelle Graz Stadt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit Bescheid vom 28. Oktober 2022 forderte das Finanzamt von der Revisionswerberin die ihr für ihren im Februar 2018 geborenen Sohn im Zeitraum Februar 2019 bis Mai 2022 sowie die ihr für ihre im September 2020 geborene Tochter im Zeitraum Juni 2021 bis Mai 2022 gewährte Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge im Gesamtbetrag von 9.621,60 € gemäß § 26 Abs. 1 FLAG und § 33 Abs. 3 EStG 1988 zurück. Begründet wurde dieser Bescheid damit, dass sich die Kinder nicht ständig in Österreich aufgehalten hätten und der Mittelpunkt der Lebensinteressen der Revisionswerberin nicht im Inland gelegen sei.
2 Mit Eingabe vom 27. November 2022 erhob die Revisionswerberin Beschwerde gegen den genannten Bescheid. Ihr Lebensmittelpunkt liege in Österreich. Sie habe gemeinsam mit ihren Kindern ihren Ehemann, der der Vater der Kinder sei und in den USA arbeite, besucht. Aus näher genannten Gründen sei die Rückreise lange nicht möglich gewesen. Sie sei an näher genannten Orten in Österreich gemeldet gewesen.
3 Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung vom 14. Dezember 2022 begehrte die Revisionswerberin mit Vorlageantrag vom 5. Jänner 2023 die Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht. Sie brachte darin insbesondere vor, ihr Lebensmittelpunkt liege in Österreich und sie stellte die Umstände ihrer Reisetätigkeit zwischen den USA und Österreich dar. Sie habe nie ihre persönlichen Verträge, welche an Österreich gebunden seien, wie etwa private Gesundheitsvorsorge, Pensionsversicherung, Rechtschutzversicherung oder Kredit aufgegeben. Ihr Mann habe seinen Hauptwohnsitz aus beruflichen Gründen in den USA. Er stelle dort auch einen adäquaten Wohnraum für die Familie zur Verfügung und leiste, wie in jeder aufrechten Ehe üblich, Unterhalt. Sie selbst verfüge nur über geringes Einkommen, weshalb es ihr nicht möglich sei, in Österreich eine eigene Wohnung für die Familie zu finanzieren. Sie lebe bei ihren Eltern.
4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde der Revisionswerberin ab. Unter einem sprach es aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.
5 Nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts sei der Sohn der Revisionswerberin am 5. Februar 2018 in den USA geboren, wo der Ehegatte der Revisionswerberin seit dem Jahr 2018 berufstätig sei. Der Familie stehe seitdem dort eine familiengerechte Wohnung zur Verfügung und der Ehegatte und Kindesvater erziele ein entsprechendes Erwerbseinkommen, um den Unterhalt der Familie zu gewährleisten. Im September 2020 sei die Tochter in den USA zur Welt gekommen.
6 Die in Wien gelegene Eigentumswohnung der Revisionswerberin habe sie ab Februar 2019 vermietet. Sie selbst habe sich gemeinsam mit ihren Kindern in der Folge abwechselnd bei ihren Eltern und ihrer Schwester mit Hauptwohnsitz angemeldet. Ihr Ehegatte habe nur einen Nebenwohnsitz bei den Eltern der Revisionswerberin.
7 Seit der Geburt des Sohnes habe die Revisionswerberin Inlandsaufenthalte von November 2018 bis April 2019, Herbst 2019 bis Februar 2020, April 2021 bis Frühsommer 2021, ab Dezember 2021 ohne Angabe der Rückreise und ab Ende Juni 2022 ohne Angabe der Rückreise bekannt gegeben.
8In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesfinanzgericht aus, die Frage des ständigen Aufenthaltes im Sinn das § 5 Abs. 3 FLAG sei nicht nach subjektiven Gesichtspunkten, sondern nach den objektiven Kriterien der grundsätzlichen körperlichen Anwesenheit zu beantworten. Auf eine allfällige Absicht, dass die Kinder nach einiger Zeit in Österreich bleiben sollen, komme es nicht an.
9 Nach Auffassung des Bundesfinanzgerichts würden die näher genannten geringen wirtschaftlichen Beziehungen der Revisionswerberin im Inland und die Besuche ihrer Eltern und ihrer Schwester hinter ihre persönlichen Bindungen mit der engeren Familie zurücktreten. Das Bundesfinanzgericht vertrete die Ansicht, dass die Revisionswerberin in einer ex ante Betrachtungden Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen im Sinn des § 2 Abs. 8 FLAG im revisionsgegenständlichen Zeitraum am gemeinsamen Familienwohnsitz in den USA und nicht in Österreich gehabt habe, ebenso wie ihre Kinder den ständigen Aufenthalt im Sinn des § 5 Abs. 3 FLAG dort gehabt hätten.
10Aus § 26 Abs. 1 FLAG ergebe sich eine rein objektive Rückzahlungspflicht desjenigen, der die Familienbeihilfe zu Unrecht bezogen habe. Auch die Kinderabsetzbeträge seien zusammen mit der Familienbeihilfe zurückzufordern.
11 Dagegen wendet sich die Revisionswerberin mit der gegenständlichen Revision.
12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
15 Soweit zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht wird, das angefochtene Erkenntnis stehe im Widerspruch zu näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründung verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen und es frei von jeglicher Beweiswürdigung und damit in weiterer Folge von Sachverhalt, ist anzumerken, dass die vom Bundesfinanzgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen sich ebenso wie die damit im Zusammenhang stehenden Ausführungen zur Beweiswürdigung disloziert unter der Überschrift „Das Bundesfinanzgericht hat erwogen“ finden. Dass wie die Revisionswerberin vorbringt das angefochtenen Erkenntnis keine Beweiswürdigung und auch keinen Sachverhalt enthalte, trifft somit nicht zu.
16Im vorliegenden Fall ist ausreichend erkennbar, von welchen Tatsachenfeststellungen das Bundesfinanzgericht aufgrund welcher Erwägungen ausging, und wie es diesen Sachverhalt rechtlich beurteilte, sodass weder die Rechtsverfolgung durch die Partei noch die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird. Eine grundlegende Verkennung der Begründungspflicht im Sinne einer die Zulässigkeit der Revision begründenden offenkundigen Verletzung tragender Verfahrensgrundsätze zeigt die Revision nicht auf (vgl. VwGH 9.9.2016, Ra 2015/12/0047, mwN).
17 In der Zulässigkeitsbegründung der Revision wird auf das Wesentliche zusammenfasst insbesondere weiters vorgebracht, das Bundesfinanzgericht habe maßgebliche - in der Sphäre der Revisionswerberin gelegene - Umstände bei der Beurteilung des Mittelpunkts der Lebensinteressen der Revisionswerberin zu ihren Lasten außer Acht gelassen. Das Bundesfinanzgericht habe im Widerspruch zu näher angeführter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Ertragsteuerrecht im Zusammenhang mit dem „Familienwohnsitz“ kein „Gesamtbild“ festgestellt.
18Gemäß § 2 Abs. 8 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 (FLAG) haben Personen nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn sie den Mittelpunkt der Lebensinteressen im Bundesgebiet haben. Eine Person hat den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in dem Staat, zu dem sie die engeren persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hat.
19Gemäß § 5 Abs. 3 FLAG besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe für Kinder, die sich ständig im Ausland aufhalten.
20Bei verheirateten Personen, die einen gemeinsamen Haushalt führen, besteht nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die stärkste persönliche Beziehung in der Regel zu dem Ort, an dem sie mit ihrer Familie leben. Der Mittelpunkt der Lebensinteressen kann auch dann in Österreich liegen, wenn die Absicht besteht, Österreich nach einer gewissen Zeit wieder zu verlassen. Ein Zuzug für immer ist nicht erforderlich. Besteht die stärkste persönliche Beziehung zu Österreich, so ist etwa die Abhängigkeit von Alimentationszahlungen eines nicht in Österreich lebenden Angehörigen nicht ausschlaggebend. Von ausschlaggebender Bedeutung ist bei verheirateten Personen mit gemeinsamer Haushaltsführung der Familienwohnsitz (vgl. VwGH 25.4.2017, Ra 2017/16/0031, mwN).
21 Das Bundesfinanzgericht ist mit näherer Begründung davon ausgegangen, dass die Revisionswerberin ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen im Revisionszeitraum nicht in Österreich, sondern in den USA gehabt habe, wogegen sich die Revisionswerberin wendet. Im gegenständlichen Revisionsfall kann aber dahingestellt bleiben, ob das Bundesfinanzgericht die in der Revision zahlreich aufgezeigten in ihrer Person gelegenenUmstände, die nach Ansicht der Revisionswerberin für das Bestehen ihres Mittelpunkts der Lebensinteressen in Österreich sprächen, in ausreichendem Maß gewürdigt hat. Eine Revision hängt nämlich nicht von der Lösung einer Rechtsfrage ab, wenn das angefochtene Erkenntnis auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht, zu der sich diese aufgeworfene Rechtsfrage nicht stellt (vgl. etwa VwGH 26.6.2016, Ra 2018/16/0083, mwN).
22Das Bundesfinanzgericht hat seine Entscheidung nicht nur auf das - in der Revision bestrittene - Nichtvorliegen des Mittelpunkts der Lebensinteressen der Revisionswerberin in Österreich gestützt. Es gelangte im angefochtenen Erkenntnis auch zum Schluss, dass der Anspruch auf Familienbeihilfe und Kinderabsetzbeträge nicht bestehe, weil sich die Kinder der Revisionswerberin nach Maßgabe des § 5 Abs. 3 FLAG ständig im Ausland aufgehalten hätten.
23Im Rahmen dieser Alternativbegründung, die zudem bereits im Rückforderungsbescheid des Finanzamts vom 28. Oktober enthalten ist und zu der die Revision keine Zulässigkeitsbegründung enthält, stellt sich die von der Revisionswerberin aufgeworfene Frage nicht. Insofern muss auch nicht untersucht werden, ob und welche der von der Revisionswerberin vorgebrachten tatsächlichen Umstände vom Neuerungsverbot des § 41 VwGG erfasst wären (vgl. dazu etwa VwGH 29.6.2020, Ra 2020/16/0066, mwN).
24 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 24. März 2025