JudikaturVwGH

Ra 2024/14/0721 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Dr. in Sembacher und Mag. Bayer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, in der Revisionssache 1. des A A, 2. der N A, und 3. der mj. K A, alle vertreten durch Mag. Gernot Schaar, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Metternichgasse 10/3, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2024, 1. W175 2301030 1/4E, 2. W175 2301029 1/4E und 3. W175 23010311/4E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Erstrevisionswerber und die Zweitrevisionswerberin sind die Eltern der minderjährigen Drittrevisionswerberin und ebenso wie ihre Tochter Staatsangehörige Syriens.

2Der Erstrevisionswerber stellte am 2. April 2024 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) in Österreich. Die Zweitrevisionswerberin stellte am 13. Mai 2024 für sich und die Drittrevisionswerberin ebenfalls Anträge auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005. Eine EURODAC Abfrage ergab, dass die Zweit und Drittrevisionswerberin vor ihrer Einreise nach Österreich auch in Spanien um internationalen Schutz angesucht hatten.

3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete sodann am 23. Mai 2024 jeweils ein Wiederaufnahmeersuchen hinsichtlich der Zweit und Drittrevisionswerberin gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III VO und ein Aufnahmegesuch hinsichtlich des Erstrevisionswerbers gemäß Art. 11 Dublin III VO an die zuständige spanische Behörde. Diese Gesuche blieben unbeantwortet. Mit Schreiben vom 25. Juni 2024 und vom 29. Juli 2024 setzte das BFA die spanischen Behörden davon in Kenntnis, dass gemäß Art. 25 Abs. 2 Dublin III VO bzw. Art. 22 Abs. 7 Dublin III VO von einer Stattgabe des Wiederaufnahmeersuchens bzw. des Aufnahmegesuchs auszugehen sei.

4Mit Bescheiden vom 2. Oktober 2024 wies das BFA die Anträge der Zweit- und Drittrevisionswerberin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ohne in die Sache einzutreten als unzulässig zurück, stellte die Zuständigkeit Spaniens gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. b iVm. Art. 25 Abs. 2 Dublin IIIVO fest, ordnete die Außerlandesbringung der Revisionswerberinnen gemäß § 61 Abs. 1 FPG an und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

5Mit Bescheid des BFA vom 2. Oktober 2024 wurde der Antrag des Erstrevisionswerbers ebenfalls gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 ohne in die Sache einzutreten zurückgewiesen, festgestellt, dass Spanien gemäß Art. 11 Dublin IIIVO zuständig sei, die Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG angeordnet und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Spanien gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

6 Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) mit den angefochtenen Erkenntnissen vom 25. Oktober 2024 als unbegründet ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10 Zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Revision stützen sich die revisionswerbenden Parteien zunächst auf Verfahrensmängel und bringen dazu vor, das BVwG habe sich nicht hinreichend mit der „gerichtsnotorisch besorgniserregenden“ Lage von Asylwerbern in Spanien auseinandergesetzt, die Vulnerabilität der Familie außer Acht gelassen, standardisierte Länderberichte verwendet und keine einzelfallbezogene Prüfung durchgeführt.

11 Werden Verfahrensmängel wie hier Ermittlungs- und Feststellungsmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasstjene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 7.7.2020, Ra 2020/14/0147, Rn. 14, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem Vorbringen nicht gerecht.

12Das BVwG legte seiner Entscheidung aktuelle Länderberichte zu Spanien zugrunde und setzte sich unter anderem mit der Unterbringung sowie Versorgungslage von asylwerbenden Personen in Spanien auseinander. Demnach könne nicht davon ausgegangen werden, dass gegenständlich im Falle einer Überstellung nach Spanien die Gefahr einer Verletzung von Art. 3 EMRK drohe. Insgesamt lägen in Spanien keineswegs systemische Mängel im Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen vor, die mit der Situation in Griechenland vergleichbar seien. Zudem gebe es keine Berichte darüber, dass „Dublin Rückkehrer“ in Spanien Schwierigkeiten beim Zugang zum Asylverfahren hätten. In der Revision wird diesen Erwägungen nicht substantiiert entgegengetreten. Auch mangelt es den im Übrigen bloß pauschal gehaltenen Ausführungen an der geforderten Relevanzdarlegung, weil weder ausgeführt wird, auf welche Berichte sich die Revision bezieht, noch welche konkreten Auswirkungen die Berücksichtigung dieser Berichte auf die gegenständlichen Fälle hätte.

13 Die revisionswerbenden Parteien rügen eine mangelnde Auseinandersetzung mit dem Privatund Familienleben nach Art. 8 EMRK. Dazu ist Folgendes festzuhalten:

14Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgt und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurdenicht revisibel (vgl. VwGH 19.2.2025, Ra 2025/14/0010, Rn. 24, mwN).

15 Das BVwG ließ ausgehend von einer Aufenthaltsdauer der revisionswerbenden Parteien in Österreich von sechs bzw. sieben Monaten weitere relevante Umstände wie etwa die „wechselnde Anzahl“ von Geschwistern und Cousins der Zweitrevisionswerberin im Bundesgebiet, zu denen jedoch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe, und die gemeinsame Überstellung der revisionswerbenden Parteien nach Spanien, in die Interessenabwägung einfließen. Auch würden sie zudem keine konkreten sozialen oder beruflichen Beziehungen zu Österreich aufweisen. In einer Gesamtschau sei somit nicht von einer außergewöhnlichen Integration auszugehen. Die Revision zeigt nicht auf, dass die derart vorgenommene Beurteilung des BVwG unvertretbar oder sonst mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre.

16Da somit Art. 3 und 8 EMRK einer Außerlandesbringung nicht entgegenstehen, vermag die Revision nicht nachvollziehbar aufzuzeigen, weshalb sie davon ausgeht, es wäre im vorliegenden Fall das Selbsteintrittsrecht nach Art. 17 Dublin IIIVO auszuüben gewesen (vgl. zu den Voraussetzungen für die Ausübung des Selbsteintrittsrechts etwa VwGH 20.12.2023, Ra 2023/20/0449, Rn. 10, mwN).

17 Soweit die revisionswerbenden Parteien ohne nähere Begründung das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung beanstanden, gelingt es ihnen nicht darzutun, dass eine Verletzung der in der Rechtsprechung aufgestellten Leitlinien zur Verhandlungspflicht im Fall von Beschwerden gegen im Zulassungsverfahren getroffene zurückweisende Entscheidungen nach der Sonderbestimmung des § 21 Abs. 3 und Abs. 6a BFAVG, wonach das BVwG unter anderem über Beschwerden gegen zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung entscheiden kann, vorgelegen wäre (vgl. dazu VwGH 26.8.2024, Ra 2024/14/0438, Rn. 12, mwN).

18 Schließlich rügen die revisionswerbenden Parteien eine Verletzung von verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten („Verletzung des Willkürverbots nach Art. 7 B VG bzw. dem Verbot der Ungleichbehandlung Fremder untereinander gemäß Art. I des BVG über die Beseitigung rassischer Diskriminierung“). Dazu genügt es, darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zur Prüfung einer Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte gemäß Art. 133 Abs. 5 BVG nicht berufen ist. Insbesondere ist eine solche Behauptung nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision darzutun (vgl. VwGH 20.12.2024, Ra 2023/14/0302, Rn. 11, mwN).

19In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 19. März 2025