JudikaturVwGH

Ra 2025/14/0111 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed sowie die Hofrätin Dr. in Sembacher und den Hofrat Mag. Marzi als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. in Zeitfogel, über die Revision der K A in B, vertreten durch Dr. Paulina Andrysik Michalska, Rechtsanwältin in 1100 Wien, Hertha Firnberg Straße 10/2/401, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 8. Jänner 2025, W189 2293540 1/8E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation tschetschenischer Abstammung und sunnitischen Glaubens, stellte am 21. Jänner 2022 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz nach dem AsylG 2005.

2 Mit Bescheid vom 8. Mai 2024 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl diesen Antrag ab, erteilte ihr keine „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

4 In seiner Begründung ging das BVwG zusammengefasst davon aus, die Revisionswerberin habe nur vage, oberflächliche und widersprüchliche Angaben gemacht, weshalb ihr Fluchtvorbringen nicht glaubhaft sei und ihr im Fall der Rückkehr in die Russische Föderation keine asylrelevante Verfolgung drohe. Auch könne die gesunde, gebildete und arbeitserfahrene Revisionswerberin mit familiären Anknüpfungspunkten in der Russischen Föderation ihre grundlegenden und notwendigen Lebensbedürfnisse befriedigen, ohne in eine existenzbedrohende oder lebensgefährliche Situation zu geraten. Durch die angeordnete Rückkehrentscheidung liege auch keine Verletzung des Art. 8 EMRK vor, da eine Gesamtschau der individuellen Umstände ergebe, dass die Interessen der Revisionswerberin an einem Verbleib im Bundesgebiet die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung nicht überwögen. Die Revisionswerberin habe zwar im Jahr 2017 noch in der Russischen Föderation einen russischen Staatsangehörigen geheiratet, welcher über eine Daueraufenthaltsberechtigung in Österreich verfüge. Das Interesse der Revisionswerberin würde jedoch maßgeblich dadurch relativiert, dass sie diese Ehe im Bewusstsein, dass ihr Mann in Österreich wohnhaft sei und sie über keinen Aufenthaltstitel für das Land verfüge, geschlossen habe und anschließend unter Umgehung der Regelungen des NAG in das Bundesgebiet nachgereist sei. Auch hätten sie es fünf Jahre offenkundig für zumutbar gehalten, die Ehe als Fernbeziehung zu führen.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 25. Februar 2025, E 402/2025 5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.

6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9 Sofern die Revision gänzlich unsubstantiiert vorbringt, das BVwG habe den „Beweismaßstab der Glaubhaftmachung und nicht des Beweises“ verkannt, übersieht sie, dass das BVwG umfangreich und nachvollziehbar darlegte, warum das Fluchtvorbringen als nicht glaubhaft angesehen wurde. Dass diese Beweiswürdigung unvertretbar wäre, zeigt die Revision nicht auf (vgl. zum diesbezüglichen Prüfmaßstab im Revisionsverfahren etwa VwGH 24.2.2025, Ra 2024/18/0305, mwN).

10 Soweit die Revision die Heranziehung veralteter Länderberichte bzw. eine nicht ausreichende Auseinandersetzung mit diesen moniert, zeigt sie die Relevanz des damit geltend gemachten Verfahrensfehlers, weshalb also dessen Vermeidung zu einem anderen für die Revisionswerberin günstigeren Verfahrensergebnis hätte führen können, nicht auf (vgl. zur erforderlichen Relevanzdarlegung bezüglich Verfahrensmängel etwa VwGH 16.12.2024, Ra 2024/14/0589, mwN).

11 Die Revision bringt weiters vor, das BVwG habe hinsichtlich der Versagung des Status der subsidiär Schutzberechtigten unberücksichtigt gelassen, dass es sich bei der Revisionswerberin um eine alleinstehende Frau handle, die von ihrer im Herkunftsstaat aufhältigen Familie nicht unterstützt werde. Damit entfernt sich die Revision begründungslos vom festgestellten Sachverhalt, wonach die Revisionswerberin im Herkunftsstaat familiäre Anknüpfungspunkte zu ihrer Mutter, einer Tante sowie ihrer Schwiegerfamilie habe (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, wenn sich das Zulässigkeitsvorbringen vom festgestellten Sachverhalt entfernt, etwa VwGH 17.3.2025, Ra 2024/14/0808, mwN).

12 Die Revisionswerberin wendet sich überdies gegen die im Rahmen der Erlassung der Rückkehrentscheidung erfolgte Interessenabwägung.

13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. für viele VwGH 19.3.2025, Ra 2024/14/0721 0723, mwN).

14 Das BVwG hat eine Gesamtabwägung der für und gegen einen Verbleib der Revisionswerberin in Österreich sprechenden Umstände im Sinne des Art. 8 EMRK bzw. § 9 BFA VG vorgenommen. Dabei ließ es ausgehend von einer Aufenthaltsdauer der Revisionswerberin in Österreich von drei Jahren weitere relevante Umstände wie etwa, dass diese mit ihrem Ehemann im gemeinsamen Haushalt wohne, sie Kontakt zu ihren Stiefkindern habe und bei der Betreuung ihrer Stiefenkelkinder mithelfe, zu welchen jedoch kein besonderes Abhängigkeitsverhältnis bestehe, in die Interessenabwägung einfließen. Konkrete soziale oder berufliche Beziehungen zu Österreich bestünden nicht, demgegenüber verfüge die Revisionswerberin über erhebliche Anknüpfungspunkte in ihrem Herkunftsstaat, wo sie auch sozialisiert worden sei und gearbeitet habe. Als besonders gewichtig erachtete das BVwG jedoch, dass die Ehe in der Russischen Föderation im Bewusstsein, dass ein Zusammenleben in Österreich nur im Wege eines Familiennachzugs im Rahmen des NAG möglich sein würde, geschlossen wurde und die spätere Einreise in das Bundesgebiet bzw. die gegenständliche Antragstellung auf internationalen Schutz der Umgehung der Regelungen des NAG gedient habe. Dass sich das BVwG bei dieser Abwägung insgesamt von den Leitlinien der Rechtsprechung entfernt hätte, vermag die Revision nicht aufzuzeigen.

15 Schließlich macht die Revisionswerberin auch mit dem Vorbringen, dass die Internationale Gesellschaft für historische Aufklärung, Menschenrechte und soziale Fürsorge „Memorial aus Russland rausgeschmissen“ worden sei und „nicht einmal die fundamentalsten Grundrechte in Russland gesichert“ seien, keine individuelle asylrelevante Verfolgung geltend. Die Feststellung allgemeiner Umstände im Herkunftsstaat kann die Glaubhaftmachung der Gefahr einer konkreten, individuell gegen den Revisionswerber gerichteten Verfolgung aber nicht ersetzen (vgl. VwGH 17.3.2025, Ra 2024/14/0777, mwN).

16 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 22. Mai 2025

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