JudikaturVwGH

Ra 2024/13/0103 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
22. Oktober 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Lukacic Marinkovic, über die Revision des V in G, vertreten durch die Battlogg Rechtsanwalts GmbH in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 25. Juli 2024, Zl. LVwG 477 7/2024 R8, betreffend Feststellungsantrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt B), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Das Landesverwaltungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Beschwerde gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt B vom 2. Oktober 2023, mit dem dieser einen Feststellungsantrag des Revisionswerbers zurückgewiesen hatte, als nicht fristgerecht eingebracht zurück.

2 Es stellte fest, dass der Bescheid dem Rechtsvertreter des Revisionswerbers am 3. Oktober 2023 zugestellt worden sei. Am vorletzten Tag der Beschwerdefrist, nämlich am 2. November 2023, sei Beschwerde erhoben und diese an diesem Tag auch zur Beförderung der Post übergeben worden. Diese Beschwerde sei an die „Stadt B“ mit der Adresse „XX, Stadt F“ gerichtet gewesen. Diese Beschwerde sei am 6. November 2023 beim Amt der Stadt F eingelangt. Eine Weiterleitung dieser Beschwerde an die Stadt B habe nicht stattgefunden. Am 9. November 2023 sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt sowie erneut Bescheidbeschwerde erhoben worden. Der Bürgermeister der Stadt B habe eine zurückweisende Beschwerdevorentscheidung erlassen, woraufhin der Revisionswerber einen Vorlageantrag gestellt habe.

3 Die Rechtsmittelfrist sei am 3. November 2023 abgelaufen. Die dagegen erhobene Beschwerde, welche an die Stadt B als zuständige Behörde gerichtet gewesen sei, sei erst am 9. November 2023 zur Beförderung der Post übergegeben worden. Die Beschwerde vom 9. November 2023 sei daher verspätet und zurückzuweisen. Im Vorlageantrag habe der Revisionswerber im Wesentlichen vorgebracht, dass der Bescheid vom 2. Oktober 2023 rechtswidrig sei. Mangels zeitgerechter Erhebung einer Beschwerde sei es dem Verwaltungsgericht verwehrt, sich inhaltlich mit dem angefochtenen Bescheid auseinander zu setzen.

4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die als Revisionspunkte geltend macht, der Revisionswerber erachte sich in seinem Recht verletzt, dass die unzuständige Behörde über seinen Wiedereinsetzungsantrag entschieden habe, da die belangte Behörde über den Wiedereinsetzungsantrag bescheidmäßig absprechen hätte müssen und nicht das Landesverwaltungsgericht, zumal der Wiedereinsetzungsantrag zu einem Zeitpunkt gestellt worden sei, als die Beschwerde noch gar nicht vorgelegt worden sei. Der Revisionswerber erachte sich auch in seinem Recht verletzt, dass die Beschwerde sehr wohl an die richtige Behörde geschickt worden sei und die Fehlbezeichnung, wonach die Bescheidbeschwerde die falsche Adresse aufgewiesen habe, lediglich einen minderen Grad des Versehens darstelle.

5 In seiner Zulässigkeitsbegründung führt die Revision aus, es sei eine Verhandlung beantragt worden, weshalb das Verwaltungsgericht eine solche anzuberaumen gehabt hätte. Die Angabe einer falschen Adresse in einem Rechtsmittel, das rechtzeitig zur Post gegeben worden, aber der falschen Behörde ausgehändigt worden sei, sei restituierbar, da das Einkuvertieren und das Aufgeben von Poststücken bei der Post Kanzleikräften vorbehalten sei und diese im Hinblick auf Fehler lediglich stichprobenartig zu überwachen und anzuleiten seien, allerdings nicht fehlerfrei seien. Zur Frage, „ob eine rechtzeitig zur Post gegebene Frist, die durch die Post einer falschen Behörde ausgefolgt“ worden sei, sich aber an die richtige Behörde richte, fehle oberstgerichtliche Rechtsprechung. Es liege nur ein minderer Grad des Versehens vor.

6Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses gemäß § 41 Abs. 1 VwGG gebunden ist. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 27.8.2024, Ra 2022/15/0070).

7 Mit dem wiedergegebenen Vorbringen macht die Revision keinen tauglichen Revisionspunkt geltend.

8Der erste Revisionspunkt betrifft ausschließlich die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und nicht die revisionsgegenständliche Beschwerde. Wenn die Revision sich weiters in ihrem Recht „dass die Beschwerde sehr wohl an die richtige Behörde geschickt worden sei und die Fehlbezeichnung, wonach die Bescheidbeschwerde die falsche Adresse aufgewiesen habe, lediglich einen minderen Grad des Versehens darstelle“ verletzt erachtet, wird auch damit kein tauglicher Revisionspunkt geltend gemacht, weil es sich dabei um einen Revisionsgrund iSd § 28 Abs. 1 Z 5 VwGG handelt, der nur in Verbindung mit der Verletzung eines aus einer materiellrechtlichen Vorschrift ableitbaren subjektiven Rechts zielführend vorgebracht werden kann (vgl. VwGH 27.8.2024, Ra 2022/15/0070).

9 Die Revision erweist sich daher schon aus diesem Grund als nicht gesetzmäßig ausgeführt.

10 Aber auch der Zulässigkeitsbegründung gelingt es nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

11 Die Unterlassung einer rechtzeitig beantragten mündlichen Verhandlung stellt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes außerhalb des Anwendungsbereichs der Grundrechtecharta (Art. 47 GRC)eine Verletzung von Verfahrensvorschriften dar, die nur dann zur Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses führt, wenn dieser Verfahrensmangel relevant im Sinne eines möglichen Einflusses auf das angefochtene Erkenntnis sein könnte und der Revisionswerber bereits in der Zulässigkeitsbegründung eine solche Relevanz aufzeigt (vgl. etwa VwGH 18.6.2024, Ra 2024/15/0039, mwN). Eine solche Relevanzdarstellung enthält die Revision nicht.

Eine Anwendbarkeit des Art. 6 EMRK ist im Revisionsfall, in dem weder „civil rights“ noch strafrechtliche Anklagen, sondern öffentliche Abgaben betroffen sind, ebensowenig gegeben wie mangels Bezugs zum Unionsrecht die Anwendung des Art. 47 GRC (vgl. VwGH 7.9.2022, Ra 2020/15/0086, mwN).

12 Wenn die Revision vorbringt, die Beschwerde sei an die richtige Behörde gerichtet gewesen und nur von der Post an die falsche Behörde ausgefolgt worden, ist dem entgegenzuhalten, dass die ursprüngliche Beschwerde vom 2. November 2023 laut den unbestrittenen Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts bei der belangten Behörde nicht eingelangt ist. Erst die Beschwerde, die am 9. November 2023 zur Beförderung der Post übergegeben wurde, ist in weiterer Folge bei der Stadt B eingelangt und war damit verspätet.

13Mit Beschluss vom heutigen Tag, Ra 2024/13/0104, wurde die Revision gegen das Erkenntnis betreffend die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages vom 9. November 2023 zurückgewiesen.

14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 22. Oktober 2024