JudikaturBVwG

I419 2310582-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 2025

Spruch

I419 2310582-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Tomas JOOS als Vorsitzenden und die fachkundigen Laienrichter MMag. Marc Deiser und Thomas Geiger als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des AMS XXXX vom 14.01.2025 betreffend Rückforderung von Notstandshilfe nach Beschwerdevorentscheidung vom 19.03.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem angefochtenen Bescheid verpflichtete das AMS die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung von € 1.084,86 (Spruchpunkt A), und schloss die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid aus (Spruchpunkt B).

Die Beschwerdeführerin sei aufgrund einer Entscheidung der Landesgeschäftsstelle des AMS zum Rückersatz dieses Betrages verpflichtet, von dem bereits € 400,63 einbehalten worden seien, sodass eine offene Forderung in Höhe von € 684,50 bestehe.

2. Beschwerdehalber wird vorgebracht, die Rückzahlungsvorschreibung erfolge wegen eines Anspruchsverlustes, der eingetreten sei, nachdem ihr eine Stelle angeboten worden wäre, deren Arbeitszeiten ihr die Heimkehr nach Dienst mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht gestattet hätten. Sie ersuche daher um Nachsicht.

Das AMS wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab. Die Vorschreibung des Betrags beruhe darauf, dass im vorigen Verfahren, das mit Abweisung der damaligen Beschwerde geendet habe, aufgrund deren aufschiebender Wirkung Auszahlungen erfolgt seien.

Den dagegen erhobenen Vorlageantrag legte das AMS mit dem Bemerken vor, es verweise auf die Beschwerdevorentscheidung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt, wie in I. wiedergegeben. Außerdem wird festgestellt:

1.1 Die Beschwerdeführerin bezog mehrfach Notstandshilfe, zuletzt bis zumindest 14.03.2025 in Höhe von € 25,83 täglich, wobei der tägliche Betrag seit 2021 unverändert blieb, also auch für den hier interessierenden Zeitraum 20.07. bis 30.08.2024 galt.

1.2 Mit Bescheid vom 02.09.2024 sprach das AMS aus, die Beschwerdeführerin habe den Anspruch auf Notstandshilfe für 42 Tage ab 20.07.2024 verloren. Sie habe ohne triftigen Grund das Zustandekommen einer zugewiesenen zumutbaren Beschäftigung als Reinigungskraft vereitelt. Nachsichtsgründe seien nicht vorgelegen.

1.3 Die Beschwerde dagegen wies das AMS mit Beschwerdevorentscheidung vom 29.10.2024 ab, wobei die Beschwerdeführerin diese übernahm und keinen Vorlageantrag dagegen einbrachte.

1.2 Das AMS wies der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe wie folgt an:

- am 02.08.2024 (19 Tage für 01.07. bis 19.07.2024, gesamt € 490,77),

- am 02.09.2024 (1 Tag für den 31. August 2024 á € 25,83, gesamt € 25,83),

- am 06.09.2024 (42 Tage für 20.07. bis 30.08.2024 á € 25,83, gesamt € 1.084,86),

- am 02.10. (30 Tage für September 2024 á € 25,83, gesamt € 774,90),

- am 04.11. (31 Tage für Oktober 2024 á € 25,83, gesamt € 800,73),

- am 02.12. (30 Tage für November 2024 á € 25,83, gesamt € 774,90, wobei € 761,10 ausgezahlt und € 13,80 als Service-Entgelt für die e-Card abgeführt wurden),

- am 02.01.25 (31 Tage für Dezember 2024 á € 25,83, gesamt € 400,37, wobei € 400,36 einbehalten wurden),

- am 02.02.25 (31 Tage für Jänner 2025 á € 25,83, gesamt € 400,37, wobei € 400,36 einbehalten wurden) und

- am 03.03.25 (28 Tage für Feber 2025 á € 25,83, gesamt € 439,10, wobei € 284,14 einbehalten wurden).

Demnach hat das AMS im ersten Quartal 2025 den vorliegend zur verpflichtenden Rückzahlung vorgeschriebenen Betrag von € 1.084,86 einbehalten (400,36 + 400,63 + 284,14).

1.3 Die Beschwerdeführerin machte weder in der Beschwerde noch im Vorlageantrag Angaben dazu, inwiefern sie ein Interesse daran hat, dass ihr Notstandshilfe weiter ungeschmälert auszahlt und die Einbringlichkeit der gesamten am 06.09.2024 vorläufig ausbezahlten € 1.084,86 zu einem späteren Zeitpunkt dennoch gesichert sein werde.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden AMS-Akt und den vom AMS vorgelegten Auszügen des AMS-Akts Zl. XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde

3.1 § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG sieht vor, dass eine Verpflichtung zum Rückersatz auch für jene Leistungen nach dem AlVG besteht, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

3.2 Der Beschwerdeführerin wurde die Notstandshilfe für den Zeitraum 20.07. bis 30.08.2024 mit Bescheid vom 02.09.2024 entzogen. Der dagegen erhobenen Beschwerde kam nach § 13 Abs. 1 VwGVG aufschiebende Wirkung zu. Die Beschwerdevorentscheidung darüber erwuchs mangels eines Vorlageantrags in Rechtskraft, womit verbindlich entschieden ist, dass der Beschwerdeführerin die Notstandshilfe für 20.07. bis 30.08.2024 nicht zustand.

Das AMS stützt die Rückforderung zu Recht auf § 25 Abs. 1 letzter Satz AlVG, welcher die Verpflichtung zum Rückersatz von Leistungen anordnet, die wegen „Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels“ weiter gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten. Betreffend die Höhe der vom AMS erhobenen Rückforderung ergibt sich aus den Feststellungen, dass für die Zeit von 20.07. bis 30.08.2024 insgesamt € 1.084,86 ausgezahlt wurden. Die mit dem bekämpften Bescheid erfolgte Vorschreibung der Zahlung der Rückforderung des AMS bestand also auch in der genannten Höhe zu Recht.

Soweit sich die vorliegende Beschwerde gegen die Rückforderung der gemäß der Beschwerdevorentscheidung vom 03.02.2020 unberechtigt empfangenen Leistung im angefochtenen Bescheid richtet, erweist sie sich somit als nicht berechtigt.

Daher war sie betreffend den Spruchpunkt A dieses Bescheids als unbegründet abzuweisen, wie das auch die Beschwerdevorentscheidung zum Inhalt hat, die insoweit zu bestätigen war.

3.3 Soweit in der Beschwerde, wo die Beschwerdeführerin auf den rechtskräftig erfolgten Widerruf der Notstandshilfe Bezug nimmt, um Nachsicht ersucht wird, ist darauf zu verweisen, dass nach der Rechtsprechung die Rückforderung unberechtigt empfangener Leistung nicht im Ermessen des AMS steht, sondern verpflichtend vorzunehmen ist. (VwGH 11.02.2021, Ra 2020/08/0103, Rz. 8, mwN)

3.4 Ferner hat das AMS der Beschwerde gegen die nun geltend gemachte Rückforderung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid der Behörde ausgeschlossen werden, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Das kann etwa der Fall sein, wenn die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. (VwGH 27.04.2020, Ra 2020/08/0030, mwN)

Um die vom Gesetzgeber nach § 13 Abs. 2 VwGVG außerdem geforderte Interessenabwägung vornehmen zu können, hat ein Arbeitslosengeld- oder Notstandshilfebezieher insbesondere die nicht ohne weiteres erkennbaren Umstände, die sein Interesse an einer Weitergewährung untermauern, sowie die in seiner Sphäre liegenden Umstände, die entgegen entsprechender Feststellungen des AMS für die Einbringlichkeit einer künftigen Rückforderung sprechen, spätestens in der Begründung (§ 9 Abs. 1 Z. 3 VwGVG) seiner Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung konkret darzutun und zu bescheinigen, zumal das Verwaltungsgericht gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden hat. (VwGH 29.08.2024, Ra 2024/08/0078, Rz. 12, mwN)

3.5 Ein im öffentlichen Interesse gelegener Bedarf nach einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ist im Allgemeinen insbesondere bei der Verhängung einer Sperrfrist mangels Arbeitswilligkeit gemäß § 10 Abs. 1 Z. 1 AlVG (i. V. m. § 38 AlVG) gegeben, deren disziplinierender Zweck weitgehend verloren ginge, wenn sie erst Monate nach ihrer Verhängung in Kraft treten würde. Die Interessenabwägung kann vor allem dann zu Gunsten einer Aberkennung der aufschiebenden Wirkung ausschlagen, wenn für den Fall einer vorläufigen Weitergewährung einer Leistung die Einbringlichkeit des Überbezuges gefährdet ist. Ob eine solche Gefährdung vorliegt, hat das AMS zu ermitteln und gegebenenfalls auf Grund konkret festzustellender Tatsachen über die wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Partei festzustellen. Wirkt der Notstandshilfebezieher allerdings nicht in der oben beschriebenen Weise an den Feststellungen über die Prognose der Einbringlichkeit mit, kann von einer Gefährdung derselben ausgegangen werden. (VwGH 29.08.2024, Ra 2024/08/0078, Rz. 13)

3.6 Vorliegend hat die Beschwerdeführerin gegen den Bescheid nichts vorgebracht, was über die allgemein zutreffenden Auswirkungen der Rückzahlung hinausginge (im vorigen Verfahren führte sie an, der Verlust der Notstandshilfe schlage ihr „auf die Psyche“, zumal diese schon chronisch belastet sei, und die Mietzahlungen, die „nicht wenig“ seien, trotzdem geleistet werden müssten; im neuen Verfahren erstattete sie keinerlei Vorbringen zur aufschiebenden Wirkung). Sie ließ im Verfahren betreffend den Verlust der Notstandshilfe die Beschwerdevorentscheidung rechtskräftig werden und erstattete auch in dem nun eingebrachten Vorlageantrag lediglich das Vorbringen, dass sie mit der Beschwerdevorentscheidung vom 19.03.2025 nicht einverstanden sei.

3.7 Da vorliegend der disziplinierende Zweck der Verhängung der Sperrfrist in Anbetracht der unberechtigten Beschwerde in der Hauptsache ohnehin durch die Verzögerung der Einbringung des Überbezuges litt, während die Beschwerdeführerin kein Vorbringen dahingehend erstattete, dass sie die Einbringung der Rückforderung unverhältnismäßig hart träfe (die bei Bescheiderlassung zu mehr als einem Drittel erfolgt war, in der Beschwerdefrist zu mehr als einem weiteren), ist die vom AMS vorgenommene Abwägung, es sei keine andere Entscheidung zu erwarten, wogegen eine weitere Verzögerung und Gefährdung der Einbringung wieder zulasten der Versichertengemeinschaft ginge, im Ergebnis - dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung - nicht zu beanstanden.

3.8 Eine maßgebliche Gefährdung der Einbringlichkeit des Überbezuges wäre allerdings dann nicht anzunehmen, wenn die prima facie beurteilten Erfolgsaussichten der Beschwerde eine Rückforderung der weiter gezahlten Notstandshilfe unwahrscheinlich machen. (VwGH 27.04.2020, Ra 2020/08/0030, Rz. 13) Darauf lag - speziell angesichts des Verweisens der Beschwerdeführerin auf belastende Mietzinszahlungen - fallbezogen aber kein Hinweis vor. Demnach ist auch der mit Beschwerdevorentscheidung bestätigte Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht zu beanstanden.

3.9 Demnach erwies sich die Beschwerde im Ergebnis als unbegründet, sodass sie abzuweisen und die Beschwerdevorentscheidung zu bestätigen war.

4. Zum Unterbleiben der Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Nach § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Antrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Fallbezogen liegt dem Bundesverwaltungsgericht ein umfassender Verwaltungsakt mit einem ausreichenden Ermittlungsverfahren und entsprechenden Ermittlungsergebnissen vor. Eine mündliche Erörterung und die Einvernahme der Parteien hätte daher, insbesondere im Hinblick darauf, dass die Beschwerdeführerin in ihrem Rechtsmittel nicht dezidiert bestreitet, dass der Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe im vorangehenden Verfahren in Rechtskraft erwuchs (siehe VwGH 15.05.2019, Ra 2019/08/0034 Rz 12), keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lassen. Der Sachverhalt war entscheidungsreif im Sinne des eben angeführten § 24 Abs. 4 VwGVG. Es liegt eine reine Rechtsfrage vor. Daher konnte von einer Verhandlung abgesehen werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder fehlt es an einer Rechtsprechung betreffend die Verpflichtung zum Rückersatz zu Unrecht bezogener Notstandshilfe und betreffend den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde in diesen Fällen, noch weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

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