JudikaturVwGH

Ra 2024/11/0185 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
07. Mai 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des J M in H, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 24. September 2024, Zl. LVwG 2023/36/2656 3, betreffend ein Verfahren nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 6. Oktober 2023 versagte die belangte Behörde der vom Revisionswerber angezeigten „Teilung im eigenen Besitz“ näher genannter Liegenschaften gemäß § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 und § 7 Abs. 2 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

2 Begründend führte die belangte Behörde aus, durch die Teilung entstünden Baugrundstücke im Ausmaß von 787 m 2 (im Folgen: Grundstück X) und 3.077 m 2 (im Folgen: Grundstück Y). Die Schaffung eines Baugrundstückes von über 3.000 m 2 widerspreche jedoch in erheblichem Ausmaß den Interessen der Landeskultur, da vor allem in einer Vorbehaltsgemeinde wie der vorliegenden im Sinne einer bodensparenden Raumordnung Bauplätze ein überschaubares Ausmaß aufweisen sollten. In Hinblick auf den landwirtschaftlichen Umgebungsgrund entstünde bei betriebswirtschaftlicher Betrachtung zudem eine isolierte, unwirtschaftliche Parzelle. Die vom Revisionswerber angestrebten baurechtlichen Voraussetzungen für Um und Zubauten wären auch bei kleinerer Grundstücksgröße gegeben, ebenso der Erhalt eines Brennrechtes. Es liege die Vermutung nahe, dass die großzügige Einmessung einer beabsichtigten Veräußerung dienen könnte.

3 Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Darin wird (mit näherer Begründung) vorgebracht, die Teilung diene der Vermögensaufteilung auf die Kinder des Revisionswerbers. Sein landwirtschaftlicher Betrieb solle ungeteilt an ein Kind weitergegeben werden. Das neu eingemessene Grundstück Y, das landwirtschaftlich keine Rolle spiele, solle hingegen einem weichenden Kind als Wohnmöglichkeit übertragen werden. Die gewählte Größe orientiere sich an den örtlichen Gegebenheiten und (näher dargelegten) bau und raumordnungsrechtlichen Erwägungen.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol ohne Durchführung der beantragten Verhandlung die Beschwerde des Revisionswerbers ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, dass bereits aufgrund der beabsichtigten künftigen Größe von 3.077 m 2 des neu entstehenden Grundstücks Y der Versagungsgrund des § 7 Abs. 2 TGVG erfüllt sei.

6 Aus dem Tiroler Kunstkataster ergebe sich, dass es sich bei dem auf diesem Grundstück bestehenden Gebäude um einen aus dem 18. Jahrhundert stammenden, regionstypischen zweigeschossigen Einhof handle, dessen Erhaltung im landeskulturellen Interesse liege.

7 Zwar sei der Begriff der landeskulturellen Interessen gesetzlich nicht näher definiert. Dieser umfasse aber jedenfalls Aspekte der Bodenreform, weshalb eine Genehmigung nicht nur dann zu versagen sei, wenn unwirtschaftlich kleine Grundstücke entstehen, sondern auch dann, wenn für Bestandsgebäude wie hier so große neue Grundstücke geschaffen würden, dass ein Widerspruch zum Ziel der örtlichen Raumordnung der bodensparenden Bebauung bestünde.

8 Auch widerspreche ein Grundstück mit über 3.000 m 2 zum Zweck einer rein privaten Wohnbebauung grundsätzlich in erheblichem Maße den Zielen der örtlichen Raumordnung und damit den landeskulturellen Interessen. Diese Grundstücksgröße sei auch nicht durch die konkrete Situierung des vorhandenen Bestandsgebäudes im Hinblick auf baurechtliche Vorgaben gerechtfertigt.

9 Schließlich könne (aus näher dargelegten Gründen) auch dem Argument des Revisionswerbers nicht gefolgt werden, dass sich die gewählte Grundstücksteilung an den tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten orientiere, und eine andere Teilung ein aus landwirtschaftlicher Perspektive unwirtschaftlich kleines, direkt an eine Verkehrsfläche angrenzendes, Grundstück bedingen würde.

10Der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergebe sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Akt sowie aus der Einsicht in das Tiroler Rauminformationssystem (TIRIS), den Kunstkataster Tirol sowie die Homepage des Revisionswerbers. Eine mündliche Erörterung ließe eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Es seien keine Fragen der Beweiswürdigung im Umfang der maßgeblichen Entscheidungserwägungen zu klären gewesen, weshalb einem Entfall der mündlichen Verhandlung weder Art. 6 EMRK noch Art. 47 GRC entgegengestanden sei.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision. Im Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

12 Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht von der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.

13 Sie ist auch begründet.

14Die Versagung der grundverkehrsbehördlichen Bewilligung einer Grundstücksteilung fällt schon wegen der damit einhergehenden Auswirkungen auf die Nutzungsmöglichkeit des Grundeigentums in den Anwendungsbereich des Art. 6 Abs. 1 EMRK (vgl. VwGH 4.12.2023, Ra 2023/11/0097, mwN). Mit der Frage der Genehmigung der gegenständlichen Liegenschaftsteilung war daher der Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK eröffnet, weswegen das Verwaltungsgericht von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG absehen durfte.

15Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lassen die Akten im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer Verhandlung erforderlich wäre. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachenoder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte (vgl. VwGH 20.3.2025, Ra 2024/11/0030, mwN).

16Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen ist (vgl. VwGH 19.12.2024, Ra 2023/11/0150, mwN).

17 Im Revisionsfall hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde weiteres sachverhaltsmäßiges Vorbringen in Bezug auf die gewählte Grenzführung erstattet. Darüber hinaus hat das Verwaltungsgericht seiner Entscheidung neue Beweismittel zu Grunde gelegt.

18Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG für ein Absehen von der mündlichen Verhandlung lagen somit nicht vor.

19Das angefochtene Erkenntnis war schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

20Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den § 47 ff. VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 7. Mai 2025