JudikaturVwGH

Ra 2023/11/0150 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Immobilienrecht
19. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätin Dr. in Oswald als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Janitsch, über die Revision des Ing. M M in L, vertreten durch die Spiessberger Traxler Bart Rechtsanwälte GmbH Co KG in 4813 Altmünster, Maximilianstraße 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 20. September 2023, Zl. LVwG 2022/33/0607 9, betreffend Versagung einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Tirol hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Mit Bescheid vom 1. Februar 2022 versagte die belangte Behörde einem zwischen E G (im Folgenden: Verkäufer) und dem Revisionswerber abgeschlossenen Kaufvertrag betreffend eine näher bezeichnete Liegenschaft gemäß § 4 Abs. 1, § 6 Abs. 1, § 7 Abs. 1 lit. a und lit. d und § 25 Abs. 1 Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 (im Folgenden: TGVG) die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

2 Begründend führte die belangte Behörde aus, dass der Revisionswerber zwar Landwirt sei, der Rechtserwerb jedoch den Grundsätzen des TGVG widerspreche. Die Ausführungen des agrarfachlichen Amtssachverständigen dieser gelangte zur Schlussfolgerung, dass das vom Revisionswerber vorgelegte Betriebskonzept nicht schlüssig und nachvollziehbar sei und eine nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung nicht gewährleiste seien schlüssig und sorgfältig recherchiert. Der Revisionswerber habe sein Betriebskonzept erst nach und nach konkretisiert. Die zunächst beabsichtigte Schweinhaltung sei aufgrund des augenscheinlich ungeeigneten Bodens und der Hanglage sowie ohne adäquate gebäudetechnische Ausstattung nicht mit den Grundsätzen der nachhaltigen Bewirtschaftung in Einklang zu bringen. Auch die angedachte Pferdehaltung erscheine „wenig reflektiert“, wie sich aus den (wörtlich wiedergegebenen) Ausführungen des Sachverständigen ergebe. In seiner abschließenden Stellungnahme habe der Revisionswerber plötzlich auf die Schweine- und Pferdehaltung verzichtet. Er beabsichtige nunmehr eine Haltung von Schafen und Ziegen. Der Revisionswerber erscheine dadurch gänzlich unglaubwürdig. Der Ankauf erfolge nicht auf Basis eines „ausgegorenen“ Betriebskonzeptes, sondern diene vermutlich nur Spekulationszwecken. Zudem bestünden offensichtlich Nebenverträge, welche insgesamt einen Kaufpreis in Höhe von € 2.500.000, (ohne Inventar) ergeben würden, der deutlich über der „Toleranzgrenze“ liege.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte. Darin wird u.a. vorgebracht, die belangte Behörde habe sich nicht mit dem Vorbringen auseinandergesetzt, dass der Verkäufer auf Grund seines schlechten gesundheitlichen Zustandes zur ordnungsgemäßen und nachhaltigen Bewirtschaftung nicht mehr in der Lage sei und auch keine Nachkommen habe, weswegen das Rechtsgeschäft gemäß § 6 Abs. 5 TGVG zu genehmigen sei. Auch sei die Stellungnahme des Revisionswerbers vom 31. Jänner 2022 zur geplanten Bewirtschaftung unter Namhaftmachung eines Kooperationspartners dem Amtssachverständigen nicht mehr zur Beurteilung vorgelegt worden. Zudem habe die Behörde festgestellt, dass es sich beim Revisionswerber um einen Landwirt handle, sodass die Vorlage eines Betriebskonzeptes überhaupt nicht erforderlich gewesen wäre. Die belangte Behörde behaupte überdies zu Unrecht, dass in dem von ihr angenommenen Kaufpreis in der Höhe von € 2.500.000, das Inventar nicht inbegriffen sei. Tatsächlich habe sie in diesen Kaufpreis Kosten für das Inventar in der Höhe von € 350.000, eingerechnet. Ohne Einbeziehung eines näher bezeichneten „Erfüllungsübernahmevertrags“, mit welchem sich der Revisionswerber zur Leistung von € 200.000, bei Aufgabe eines Wohnungsgebrauchsrechts verpflichte, würde sich nur ein Kaufpreis von € 1.950.000, ergeben.

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Tirol die Beschwerde des Revisionswerbers ohne Durchführung der beantragten Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

5 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die nachhaltige ordnungsgemäße Bewirtschaftung des land- und forstwirtschaftlichen Grundstückes oder Betriebes stelle gemäß § 7 Abs. 1 lit. a TGVG die zentrale Genehmigungsvoraussetzung dar. Dem Revisionswerber sei es nicht gelungen, die Absicht der nachhaltigen und ordnungsgemäßen Bewirtschaftung durch ein Betriebskonzept glaubhaft zu machen. Das vorzulegende Betriebskonzept müsse fachkundig und daher von einem gerichtlich beeideten Sachverständigen für Landwirtschaft erstellt worden sein, was hier nicht der Fall sei. Weiters ergebe sich aus der Stellungnahme eines Sachverständigen im grundverkehrsbehördlichen Verfahren, dass die vom Revisionswerber beabsichtigte Schweine- und Pferdehaltung in Hanglage und auf einem ungeeigneten Boden eine nachhaltige Bewirtschaftung nicht möglich mache. Es liege somit der Versagungsgrund des § 7 Abs. 1 lit. a TGVG vor.

6 Auch der Versagungsgrund des § 7 Abs. 1 lit. d TGVG sei erfüllt. Der vertraglich vereinbarte Kaufpreis für die Liegenschaft belaufe sich auf € 1.950.000, . Daneben seien jedoch auch noch ein Erfüllungsübernahmevertrag mit einer Zahlungsverpflichtung in Höhe von € 200.000, sowie ein Kaufvertrag hinsichtlich des Inventars mit einem Kaufpreis von € 350.000, zwischen dem Verkäufer und dem Revisionswerber abgeschlossen worden. Diese Nebenverträge hätten zum Kaufpreis der Liegenschaft hinzugerechnet werden müssen, weshalb der tatsächlich heranzuziehende Kaufpreis den durch einen Sachverständigen des Amtes der Tiroler Landesregierung ermittelten Verkehrswert um mehr als 30 % übersteige.

7Von der beantragten mündlichen Verhandlung habe gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen werden können, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits auf Grund der Aktenlage feststehe und die Akten erkennen ließen, dass eine mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lasse.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

9 Die belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung.

10Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11 Die Revision ist schon deswegen zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, dass das Verwaltungsgericht zu Unrecht von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen habe. Sie ist auch begründet.

12Mit der Frage der Genehmigung eines Vertrages wie des vorliegenden ist der Anwendungsbereich des Art. 6 EMRK eröffnet (vgl. VwGH 4.12.2023, Ra 2023/11/0097, mwN), weswegen das Verwaltungsgericht von der in der Beschwerde beantragten mündlichen Verhandlung nur unter den Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG absehen durfte.

13Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs lassen die Akten im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer Verhandlung erforderlich wäre. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen dem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. In Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG hielt der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt fest, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör sowie darüber hinaus auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte.

14Der Verwaltungsgerichtshof hat auch schon wiederholt ausgesprochen, dass bei einem rechtswidrigen Unterlassen einer nach Art. 6 EMRK erforderlichen mündlichen Verhandlung keine Relevanzprüfung hinsichtlich des Verfahrensmangels vorzunehmen ist (vgl. zu alldem VwGH 5.8.2024, Ra 2022/11/0193 bis 0194, mwN).

15Im Revisionsfall hat der Revisionswerber in seiner Beschwerde sachverhaltsbezogenes und rechtliches Vorbringen sowohl zu seinem Betriebskonzept als auch zum Kaufpreis und somit zu den beiden vom Verwaltungsgericht herangezogenen Versagungsgründen des § 7 Abs. 1 lit. a und d TGVG erstattet. Die Voraussetzungen des § 24 Abs. 4 VwGVG für ein Absehen von der Verhandlung lagen somit nicht vor.

16Das angefochtene Erkenntnis war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

17Von der Durchführung der beantragten Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG abgesehen werden.

18Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 19. Dezember 2024