Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, die Hofräte Dr. Doblinger und Mag. Feiel sowie die Hofrätinnen Dr. Koprivnikar und Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Rieder, über die außerordentliche Revision des Disziplinaranwalts bei der Bezirkshauptmannschaft Mödling, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 9. November 2023, LVwG AV 252/001 2022, betreffend Disziplinarverfahren nach der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Disziplinarkommission für Gemeindebeamte für den Bezirk Mödling; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: A B in C, vertreten durch Mag. Hans Rainer Rienmüller, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kohlmarkt 16),
I. zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang des Freispruchs betreffend Spruchpunkt 1. des Disziplinarerkenntnisses der Disziplinarkommission für Gemeindebeamte für den Bezirk Mödling vom 21. Jänner 2022, MDA3 A 0910/007, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
Ein Aufwandersatz findet nicht statt.
1 Der 1965 geborene Mitbeteiligte steht seit dem Jahr 2003 zuletzt als Amtsleiter in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zur D (in der Folge kurz: Marktgemeinde).
2 Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Gemeindebeamte für den Bezirk Mödling (vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) vom 11. Jänner 2022 wurde der Mitbeteiligte schuldig erkannt, er habe entgegen seinem Diensteid und entgegen § 28 Abs. 1, 2, 3 und 4 sowie § 32 Abs. 1 und § 34 Abs. 1 der NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO)
1. pflichtwidrig als leitender Gemeindebediensteter der Marktgemeinde im Zusammenhang mit der Finanzierung des neuen Gemeindezentrums Informationen, die intern vom namentlich genannten Bürgermeister persönlich ihm gegenüber zur persönlichen Information des Bürgermeisters beauftragt gewesen seien, per E Mail am 6. Juni 2017 um 16:39 Uhr von seiner (jeweils näher bezeichneten) Büroadresse an seine pseudonyme und private Mailadresse und am 6. Juni 2017 um 20:18 Uhr von dieser an die private Mailadresse des namentlich genannten Geschäftsführers der E GmbH (in der Folge kurz: Beratungsunternehmen) weitergeleitet, und
2. pflichtwidrig in der Zeit vom 4. Mai 2015 bis 29. Juni 2018 an 266 Tagen seine Dienstleistung in den im Dienstzeitplan festgelegten Zeiten nicht an der Dienststelle erbracht und darüber hinaus tatsächlich nicht an der Dienststelle geleistete Dienstzeiten bzw. Überstunden durch unkorrekte Zeitaufzeichnungen dem Dienstgeber gegenüber geltend gemacht.
3 Er habe dadurch die mit seiner Stelle verbundenen geschäftlichen Verpflichtungen sowohl zum Teil weisungswidrig als auch in ihrem ganzen Inhalt und Umfang nicht nach bestem Wissen, mit voller Kraft und anhaltendem Fleiße sowie mit vollster Unparteilichkeit erfüllt und damit seine Dienst und Treuepflicht als Gemeindebeamter schuldhaft verletzt, weshalb über ihn gemäß § 114 GBDO eine Geldstrafe von 20.000 Euro verhängt wurde.
4 Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhoben der Mitbeteiligte und der Disziplinaranwalt Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 9. November 2023 sprach das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aus, dass (1.) in Stattgebung der Beschwerde des Mitbeteiligten das behördliche Disziplinarerkenntnis „ersatzlos behoben und dahingehend abgeändert“ werde, dass der Disziplinarbeschuldigte freigesprochen werde. Die Beschwerde des Disziplinaranwalts wies es ab (2.).
Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte es für nicht zulässig.
6 Begründend stellte das Verwaltungsgericht dazu zusammengefasst fest, dass der Mitbeteiligte ab 2003 stellvertretender Amtsleiter der Marktgemeinde gewesen sei und ab 2014 bis zu seiner Suspendierung im Jahr 2018 die Funktion des Amtsleiters ausgeübt habe. Von 2004 bis 2018 sei er zudem Geschäftsführer der F GmbH (in der Folge kurz: GmbH) und ab 2006 auch der in diesem Jahr gegründeten G GmbH Co KG (im Folgenden kurz: GmbH Co KG) gewesen, deren geschäftsführende Komplementärgesellschafterin die GmbH gewesen sei.
7 Hinsichtlich des ersten Vorwurfs führte es weiter aus, dass der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens dem Mitbeteiligten im Dezember 2013 im Rahmen eines zwischen der Marktgemeinde und dem Beratungsunternehmen zur Wiederherstellung der langfristigen Sicherung des Haushaltsgleichgewichts der Marktgemeinde geschlossenen Beratungsauftrags eine Präsentation bzw. ein Arbeitspapier zum Thema allgemeine Finanzierung des Gemeindehaushalts übergeben habe. Darin seien die Vor und Nachteile einer direkten oder einer indirekten Anleihebegebung (über die GmbH Co KG) ausgeführt worden. Im Dezember 2013 habe der damalige Bürgermeister der Marktgemeinde entschieden, dass die Finanzierung durch Umsetzung der indirekten Variante beibehalten werden solle.
8 Am 30. Mai 2017 habe eine Besprechung über die im Jahr 2014 erfolgte Anleihebegebung und die diesbezügliche Beratung durch das Beratungsunternehmen stattgefunden, an der neben dem Mitbeteiligten und dem stellvertretenden Amtsleiter auch der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens teilgenommen hätten. Die dabei erörterten Inhalte seien vom stellvertretenden Amtsleiter der Marktgemeinde im Aktenvermerk vom 31. Mai 2017 dokumentiert worden.
9 Dem Mitbeteiligten sei nach Unterfertigung des Aktenvermerks aufgefallen, dass darin die vollständige Aufklärung mit Verweisen auf die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2013 gefehlt habe, weshalb er am folgenden Tag den nunmehrigen Bürgermeister aufgesucht habe. Dieser habe den Mitbeteiligten zuerst mündlich gebeten, den Aktenvermerk um die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2013 zu ergänzen; in weiterer Folge sei die Ergänzung vom Bürgermeister auch schriftlich eingefordert worden.
10 Der Mitbeteiligte habe den Aktenvermerk mit den im Wesentlichen selben Inhalten ergänzt, die auch die E Mail enthalten habe, die er am 6. Juni 2017 in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG von seiner privaten Mailadresse an den Geschäftsführer des Beratungsunternehmens gesendet habe (Schreibweise im Original, Anonymisierung durch den Verwaltungsgerichtshof):
„Sehr geehrter Herr [...]!
Zu dem AV vom 30.5.2017
Bei dem Gespräch zwischen [Mitbeteiligter], Vizebürgermeistrin [...], [Gemeinderat], [stellvertretender Amtsleiter] und für [das Beratungsunternehmen der Geschäftsführer] wurden einige Ausführungen nicht erwähnt bzw. könnten diese missverständlich interpretiert werden.
Die Arbeitsunterlage vom 17.12.2013 die den gesammelten Unterlagen beigelegen ist, stellte einen Vergleich zwischen der bisherigen gewählten Anleihenvariante (über die KG) und einer direkten Anleihe über die Gemeinde dar.
In der direkten Variante wäre die Grunderwerbssteuerthematik nicht zum Tragen gekommen, jedoch wurden auf Grund der verschiedenen Unsicherheiten die KG Variante gewählt.
In der direkten Variante standen für eine Besicherung der Anleihe in der Höhe von 30,5 Mio Euro lediglich Grundwerte in der Höhe von 24,7 Mio gegenüber: Die im Eigentum der KG befindliche Druckfabrik dürfte aus politischen Gründen (Der Handlungsspielraum für eine allfällige Gesamtverwertung dürfte nicht eingeschränkt werden und konnte daher in die Überlegungen nicht weiter aufgenommen werden). Dadurch hätte sich eine Unterdeckung der Besicherung ergeben, die in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht rasch gelöst werden können.
Im Gegensatz zu der bereits vom Land genehmigten Variante über die KG mit dem Vertrag aus dem Jahr 2012 hätte die Gemeinde bei der direkten Anleihe mit einem höheren Zinssatz rechnen müssen. Bei der KG Variante ergibt sich auf Grund der doppelten Besicherung (Grundstücke und Bürgschaft) ein günstigerer Zinssatz. Die dadurch entstehenden Eintragungsgebühren wären daher der Differenz der beiden Zinssätze gegenüber zu stellen.
Die bisher verfolgte Variante weist darüber hinaus einen indirekten Vorteil auf der erst durch nicht Bedienung der Anleihe auftreten könnte. Die Gemeinde würde in diesem Falle die Liegenschaft verlieren jedoch die Bauwerke blieben unberührt. Die Fortführung des Betriebes wäre somit gewährleistet. Die damals politisch getroffene Entscheidung (Bürgermeister entscheidet über das Gemeindevermögen) die Anleihe weiterhin über die KG abzuwickeln war daher nicht sinnlos sondern wurden die Unterschiede zur direkt Anleihe als nicht einschätzbare Unsicherheiten vor dem Hintergrund eines bereits genehmigten Vertrages bewertet. Dies vor dem Hintergrund eines drohenden Fehlbetrages im ordentlichen Haushaltes [und der] drohenden Zahlungsunfähigkeit der Gemeinde. Der AV von [stellvertretender Amtsleiter] vom 31.5.2017 ist mit diesen Ausführungen zu ergänzen.“
11 Die in der E Mail enthaltenen Informationen seien dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens bereits bekannt gewesen, weil er an der Besprechung teilgenommen habe. Es seien keine geheimen Informationen weitergegeben worden. Zweck der Übersendung sei die Vorbereitung der Ergänzung des Aktenvermerks gewesen.
12 Zum zweiten Vorwurf stellte das Verwaltungsgericht fest, dass dem bei Begründung des Dienstverhältnisses zum Mitbeteiligten im Jahr 2003 im Amt befindlichen Bürgermeister der Marktgemeinde vor allem wichtig gewesen sei, dass die übertragenen Aufgaben erledigt würden; wie viele Überstunden dafür nötig gewesen seien, sei für ihn unerheblich gewesen. Der Mitbeteiligte habe freie Dienstzeiteinteilung und die Erlaubnis gehabt, die Aufgaben auch von zu Hause aus erfüllen zu dürfen. Dies habe der Bürgermeister mit dem Mitbeteiligten besprochen. Es hätten auch vereinzelt zu anderen Mitarbeitern der Marktgemeinde Home Office Vereinbarungen bestanden oder bestünden auch derzeit noch.
13 Die regelmäßig außerhalb der Normaldienstzeit im Rathaus und auch außerhalb des Amtsgebäudes geleisteten Dienstzeiten habe der Mitbeteiligte pauschal zusammengefasst und in der monatlichen Abrechnung zur Normaldienstzeit hinzugerechnet. Dabei sei bei einer Überschreitung der täglichen Normalarbeitszeit im Textfeld „Mehrdienstleistungen Text“ angegeben worden, wofür die Mehrdienstleistungen erbracht worden seien (etwa Gemeinderatssitzung, Protokollierung). Die Genehmigung der Überstundenabrechnung sei jeweils am Ende des Monats durch den Vorgesetzten erfolgt. Die Vorgehensweise hinsichtlich der Abrechnungen bzw. der pauschalen Überstundeneintragungen seien mit dem Bürgermeister mündlich vereinbart worden.
14 Der damalige Bürgermeister sei davon ausgegangen, dass sein Nachfolger darüber informiert gewesen sei, dass der Mitbeteiligte auch außerhalb seiner Normaldienstzeit Dienstleistungen erbringen würde, zumal dieser auch bei den Fraktionssitzungen nach der Normaldienstzeit anwesend gewesen sei. Der Mitbeteiligte sei für den damaligen Bürgermeister „rund um die Uhr“ und auch jederzeit für seine Vorgesetzten, Kollegen, Kolleginnen und Gemeinderatsmitglieder erreichbar gewesen. Während der Amtszeiten dieses Bürgermeisters und seines Nachfolgers habe es keine Hinweise darauf gegeben, dass die Zeitabrechnung des Mitbeteiligten nicht stimmte. Bis zum Jahr 2018 habe es keinerlei Beanstandungen oder Nachfragen zu den nach den monatlichen Zeitabrechnungen erbrachten Mehrdienstleistungen gegeben. Die Erlaubnis bzw. Anordnung, dass der Mitbeteiligte Tätigkeiten auch von zu Hause bzw. außerhalb des Amtsgebäudes erbringen könne, sei von keinem Nachfolger im Bürgermeisteramt widerrufen worden. Eine generelle Weisung, wie erbrachte Mehrdienstleistungen einzutragen und abzurechnen seien, bestehe nicht. Überstunden habe der Mitbeteiligte auch außerhalb der Bürozeiten geleistet.
15 Aus den näher dargelegten beweiswürdigenden Erwägungen, mit denen das Verwaltungsgericht seine Sachverhaltsfeststellungen begründete, ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass es die Feststellung, wonach der Mitbeteiligte die E Mail am 6. Juni 2017 in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG gesendet habe, mit dessen als glaubwürdig eingeschätzten Aussage in der Beschwerdeverhandlung begründete. Dabei habe er angegeben, dass er ein Versenden der E Mail als Amtsleiter auch von seiner dienstlichen Mailadresse hätte vornehmen können. Eine Verschleierungsabsicht im Zusammenhang mit dem Versenden von der privaten E Mail Adresse verneinte es deshalb, weil er bereits am 4. Juni 2017 eine inhaltsgleiche Nachricht von seiner privaten an seine dienstliche E Mail Adresse gesendet habe.
16 In der Beweiswürdigung zu den Feststellungen im Zusammenhang mit dem zweiten Vorwurf stützte sich das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf die Aussage des damaligen Bürgermeisters in der mündlichen Verhandlung der belangten Behörde und vor dem Verwaltungsgericht, wobei es der zuerst genannten, weil diese zeitlich näher am Tatgeschehen gelegen sei, höhere Glaubwürdigkeit zubilligte, als der in einem späteren Verfahrensstadium. Ferner verwies es auf die Genehmigungen der Überstundenabrechnungen durch die Vorgesetzten und den Umstand, dass dem Mitbeteiligten erstmals im Jahr 2018, also rund 15 Jahre nach Dienstantritt bei der Marktgemeinde, vorgeworfen worden sei, dass seine Zeitabrechnungen nicht stimmten.
17 Rechtlich beurteilte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe maßgeblicher gesetzlicher Bestimmungen und verneinender Prüfung der Verjährung den Sachverhalt zum Vorwurf der pflichtwidrigen Informationsweitergabe dahingehend, dass die Informationen im E Mail vom 6. Juni 2017 nicht geheim gewesen seien. Der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens habe den (rechtlichen) Inhalt der übermittelten Informationen gekannt. Das E Mail habe keine neuen Informationen enthalten, weil der Geschäftsführer an der Besprechung teilgenommen und im Jahr 2013 Urheber der Informationen gewesen sei. Schon deshalb könne dem Mitbeteiligten eine Verletzung der Dienstpflicht wegen Weitergabe von Informationen, die intern vom Bürgermeister persönlich zu seiner persönlichen Information beauftragt gewesen seien, nicht vorgeworfen werden, weshalb ein Verstoß gegen die Treue- und Dienstpflicht nach §§ 28 ff GBDO nicht vorliege. Zudem sei der Mitbeteiligte zum Tatzeitpunkt einerseits Amtsleiter der Marktgemeinde gewesen, andererseits Geschäftsführer der GmbH und der GmbH Co KG. Dieses Verhältnis des Mitbeteiligten im Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Gemeindebeamter und seiner Eigenschaft als Geschäftsführer habe die Disziplinarkommission nicht berücksichtigt. Vielmehr sei aufgrund der Initiative des Mitbeteiligten im Hinblick auf die Ergänzung des Aktenvermerks in Zusammenschau mit seiner Aussage davon auszugehen, dass er zur Einholung bzw. Korrektur der Informationen des Beratungsunternehmens in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG aufgetreten sei und deshalb nicht als „leitender Gemeindebediensteter der Marktgemeinde“. Im Rahmen seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG hätten ihm keine Weisungen durch den Bürgermeister erteilt werden können, sodass kein Verstoß gegen eine Treue- oder Dienstpflicht der §§ 28 ff GBDO vorliege.
18 Den Freispruch vom zweiten Vorwurf begründete das Verwaltungsgericht zusammengefasst damit, dass dem Mitbeteiligten vom damaligen Bürgermeister die festgestellte Erlaubnis zur Erbringung von Dienstleistungen außerhalb der Dienststelle erteilt worden sei. Die Vereinbarung sei von den nachfolgenden Bürgermeistern nicht widerrufen worden. Der Mitbeteiligte habe die Zeitabrechnungen im selben Ausmaß wie zuvor und bis 2018 unbeanstandet fortgeführt, weshalb er auch auf das Fortbestehen der Vereinbarung habe vertrauen dürfen.
19 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.
20 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende außerordentliche Revision des Disziplinaranwalts. Die belangte Behörde und der Mitbeteiligte erstatteten in dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren Revisionsbeantwortungen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
21 Gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche fehlt, oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird.
22 Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu prüfen.
23 Weist die angefochtene Entscheidung eines Verwaltungsgerichts mehrere trennbare Spruchpunkte auf, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen. Solche trennbaren Absprüche liegen auch dann vor, wenn die Spruchpunkte eines (vom Verwaltungsgericht etwa bestätigten oder hier: abgeänderten) Bescheids als trennbar anzusehen sind (vgl. VwGH 24.1.2019, Ra 2018/09/0137, mwN). Eine Trennbarkeit von Absprüchen ist dann gegeben, wenn jeder Teil für sich alleine ohne einen inneren Zusammenhang mit anderen Teilen einem gesonderten Abspruch zugänglich ist (vgl. etwa VwGH 20.1.2021, Ra 2019/09/0137, mwN).
24 Die Spruchpunkte des Bescheids der belangten Behörde enthielten hinsichtlich des Schuldspruchs zwei voneinander trennbare Absprüche. Ein innerer Zusammenhang zwischen diesen Spruchpunkten im Sinn der dargelegten Rechtsprechung besteht nicht. Der Freispruch war daher nach den Vorwürfen getrennt zu überprüfen.
25 Vorweg ist zu Spruchpunkt 1. des angefochtenen Erkenntnisses darauf hinzuweisen, dass die abändernde Entscheidung eines Verwaltungsgerichts über die Sache des Verwaltungsverfahrens (hier: Entscheidung über die disziplinarrechtlichen Vorwürfe) an die Stelle des Bescheids der belangten Behörde tritt. Einer vorherigen Aufhebung (hier gar: ersatzlosen Behebung) des angefochtenen Bescheids bedarf es dazu nicht (siehe etwa VwGH 28.2.2022, Ra 2021/09/0251, Rn. 52, mwN).
zu I.: Aufhebung wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit :
26 Der revisionswerbende Disziplinaranwalt macht zur Begründung der Zulässigkeit seiner außerordentlichen Revision im Zusammenhang mit dem Vorwurf der pflichtwidrigen Informationsweitergabe im Wesentlichen geltend, dass das Verwaltungsgericht infolge seiner rechtlichen Beurteilung keine Feststellungen betreffend eine dem Mitbeteiligten vom Bürgermeister erteilte Weisung getroffen habe. Ein Weisungsverstoß würde jedoch eine schwere Dienstpflichtverletzung darstellen. Das Verwaltungsgericht sei auch zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Mitbeteiligte die E Mail als Geschäftsführer verfasst habe, sei dies doch nicht mit einem solchen Zusatz unterschrieben gewesen und habe der Mitbeteiligte zudem den Aktenvermerk in seiner Funktion als Amtsleiter der Marktgemeinde unterfertigt. Aber auch bei einer Versendung als Geschäftsführer hätte er eine Weisung einzuhalten gehabt. Zudem treffe den Mitbeteiligten als leitenden Beamten unabhängig von einer allfälligen Weisung eine besondere Treuepflicht, mit der es unvereinbar sei, interne Informationen an Dritte, noch dazu bereits absehbare spätere Prozessgegner der Marktgemeinde ohne Wissen des Bürgermeisters über eine private E Mail Adresse zu übermitteln. Die Information sei intern gewesen, weil sie vom Bürgermeister zur persönlichen Information in Auftrag gegeben worden sei, weshalb es nicht darauf ankomme, ob sie dem Empfänger bekannt gewesen seien.
27 In diesem Umfang, also sofern sie sich gegen den Freispruch vom ersten Vorwurf wendet, erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.
28 § 28 NÖ Gemeindebeamtendienstordnung 1976 (GBDO), LGBl. 2400 53, lautet (auszugsweise):
„§ 28
Allgemeine Pflichten
(1) Der Gemeindebeamte hat seine Verpflichtungserklärung unverbrüchlich einzuhalten und den mit seiner Stelle verbundenen geschäftlichen Verpflichtungen in ihrem ganzen Inhalte und Umfange nach bestem Wissen, mit voller Kraft und anhaltendem Fleiße sowie mit vollster Unparteilichkeit zu obliegen. Hiebei ist er an die bestehenden Gesetze, Verordnungen, Dienst- und sonstigen einschlägigen Vorschriften gebunden.
(2) Jeder Gemeindebeamte ist verpflichtet, das Standesansehen in und außer Dienst zu wahren, den Weisungen seiner Vorgesetzten in Dienstsachen Folge zu leisten und den Vorgesetzten, Bediensteten und Parteien mit Anstand und Achtung zu begegnen. Der Gemeindebeamte kann die Befolgung einer Weisung ablehnen, wenn sie von einem unzuständigen Organ erteilt wurde oder die Befolgung gegen strafrechtliche Vorschriften verstoßen würde. Der Gemeindebeamte hat überdies das Recht zu verlangen, daß eine ihm erteilte Weisung schriftlich bestätigt wird.
(3) Der Umfang der Dienstobliegenheiten ist nach den besonderen, für die einzelnen Dienstzweige geltenden Vorschriften, oder, wenn diese nicht ausreichen, nach der Natur und dem Wesen des Dienstes zu beurteilen. Der Gemeinderat kann solche Vorschriften nach Beratung mit der Personalvertretung erlassen.
(4) Jedem Gemeindebeamten ist zum Wohl der Gemeinde, der Allgemeinheit und der Parteien die rascheste und wirksamste Durchführung der dienstlichen Obliegenheiten zur Pflicht gemacht. Eine Beschränkung der Gemeindebeamten hinsichtlich der Wahl ihres Wohnsitzes findet in der Regel nicht statt; doch ist der Gemeindebeamte nicht berechtigt, unter Hinweis auf seinen Wohnort Begünstigungen im Dienst gegenüber den anderen Gemeindebeamten zu beanspruchen.
...“
29 Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts fiel dem Mitbeteiligten nach Unterfertigung des Aktenvermerks vom 31. Mai 2017 auf, dass darin „die vollständige Aufklärung mit den Verweisen auf die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2013 “ gefehlt habe. Aus diesem Grund suchte er den Bürgermeister auf, der ihn zuerst mündlich darum bat, den Aktenvermerk um die Entscheidungsgründe aus dem Jahr 2013 zu ergänzen, und diese Ergänzung dann auch schriftlich einforderte. Ferner war Zweck der E Mail die Vorbereitung der Ergänzung des Aktenvermerks.
30 Das Verwaltungsgericht begründete den Freispruch in diesem Punkt zum einen damit, dass der Mitbeteiligte die E Mail in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG geschrieben habe, weshalb es vermeinte auch keine Feststellungen zu einer allfälligen Weisung des Bürgermeisters treffen zu müssen, und weil die Informationen dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens wegen seiner Teilnahme an der Besprechung und weil er Urheber der Informationen im Jahr 2013 gewesen sei, bereits bekannt und diese daher nicht geheim gewesen seien.
31 Diese Argumentation greift jedoch zu kurz: Bereits aus den hervorgehobenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts ergibt sich, dass der Mitbeteiligte den Aktenvermerk als Amtsleiter unterschrieb und dessen Vervollständigung ihm als Amtsleiter vom Bürgermeister beauftragt war. Die allein auf die Aussage des Mitbeteiligten gestützte Feststellung, dass dieser die E Mail in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG geschrieben habe, ist daher nicht nachvollziehbar. Wie der revisionswerbende Disziplinaranwalt zutreffend ausführt, findet sich in der E Mail selbst kein Hinweis auf eine bestimmte Funktion des Mitbeteiligten, in der er tätig geworden wäre.
32 Aber selbst in diesem Fall hätte das Verwaltungsgericht, weil sowohl der Amtsvermerk als auch dessen Ergänzung nach dem Gesagten in der Sphäre der Marktgemeinde gelegen waren, sich mit der Frage des Vorliegens einer Weisung (dem Ersuchen des Bürgermeisters um persönliche interne Information) auseinanderzusetzen gehabt, konnte der Mitbeteiligte eine allfällig bestehende Dienstpflicht als Amtsleiter doch jedenfalls nicht dadurch umgehen, dass er amtliche Informationen außenstehenden Personen unter Berufung auf seine (weitere) Funktion als Geschäftsführer einer (im wirtschaftlichen Eigentum der Marktgemeinde stehenden) GmbH Co KG zugänglich machte.
33 In diesem Zusammenhang hätte sich das Verwaltungsgericht etwa auch mit den Angaben des Bürgermeisters auseinanderzusetzen gehabt, wonach dieser dem Mitbeteiligten einen Kontakt mit dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens untersagt habe. Aber selbst wenn aufgrund der dazu vorliegenden widerstreitenden Beweisergebnisse eine dahingehende Weisung nicht feststellbar sein sollte, wäre im Weiteren zu prüfen, inwieweit dem Mitbeteiligten im Zeitpunkt der Übersendung der E Mail schon bekannt oder zumindest bereits absehbar war, dass es zwischen der Marktgemeinde und dem Beratungsunternehmen zu einem Zivilprozess wegen eines behaupteten Beratungsfehlers kommen würde. In diesem Fall wäre ferner zu beurteilen gewesen, ob nicht bereits diese noch zu diesem Zeitpunkt vorgenommene Kommunikation des Mitbeteiligten mit dem Geschäftsführer des Beratungsunternehmens (im Hinblick auf ihren konkreten Inhalt) einen Verstoß gegen seine allgemeinen Pflichten nach § 28 Abs. 1 GBDO darstellte. Die vom Verwaltungsgericht herangezogenen Gründe, dass die Informationen ursprünglich (im Jahr 2013) vom Beratungsunternehmen stammten oder dessen Geschäftsführer bei der Besprechung am 30. Mai 2017 anwesend war, sprechen unter diesem Gesichtspunkt nicht in jedem Fall gegen das Vorliegen einer Dienstpflichtverletzung.
34 Indem das Verwaltungsgericht allein mit der Begründung, dass der Mitbeteiligte das E Mail am 6. Juni 2017 in seiner Funktion als Geschäftsführer der GmbH Co KG versendet habe und der Inhalt der Sache nach dem Empfänger bekannt gewesen sei, zu diesen Umständen keine Feststellungen traf und sie daher bei seiner rechtlichen Beurteilung außer Acht ließ, belastete es sein Erkenntnis insoweit mit sekundären Feststellungsmängeln.
35 Das angefochtene Erkenntnis war somit, soweit es die Beschwerde des Mitbeteiligenden und des Disziplinaranwalts erledigend den Mitbeteiligten vom Vorwurf des ersten Spruchpunkts des behördlichen Disziplinarerkenntnisses freisprach, gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
zu II.: Zurückweisung der Revision:
36 Im Zusammenhang mit dem Freispruch des Mitbeteiligten vom zweiten Anschuldigungspunkt richtet sich die Revision in erster Linie gegen die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts und moniert unter diesem Gesichtspunkt vor allem, dass den Angaben des Bürgermeisters vor der Disziplinarkommission gefolgt worden sei, während seine spätere, davon abweichende Aussage vor dem Verwaltungsgericht dem Sachverhalt nicht zugrunde gelegt worden sei.
37 Dazu ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick darauf, dass sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren soll als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Die Beweiswürdigung ist einer Kontrolle durch den Verwaltungsgerichtshof nur insofern zugänglich, als es (insbesondere) um die Frage geht, ob die vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, also nicht den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut widersprechen. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung wäre nur dann gegeben, wenn das Verwaltungsgericht die Würdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte. Dafür reicht es nicht aus aufzuzeigen, dass aufgrund der Beweisergebnisse auch ein anderes (gegenteiliges) Ergebnis begründbar gewesen wäre (siehe zum Ganzen VwGH 25.1.2024, Ra 2023/09/0180; 13.12.2016, Ra 2016/09/0104, u.a., mwN).
38 Dass dem Verwaltungsgericht im vorliegenden Fall ein derart krasser Fehler bei der nach Durchführung der Beweisaufnahme in einer mündlichen Verhandlung erfolgten Beweiswürdigung unterlaufen wäre, wird in der Revision nicht aufgezeigt. Ein solcher ist auch nicht zu erkennen, sagte der Zeuge nach der Aktenlage doch auch bei seinen Einvernahmen in dem gegen den Mitbeteiligten in diesem Zusammenhang geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Wesentlichen so aus, wie auch in der Folge vor der belangten Behörde, was letztlich auch zur Einstellung des Strafverfahrens gegen den Mitbeteiligten führte. Zudem stützte sich das Verwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung auch auf die monatlich (vom jeweiligen Bürgermeister als Dienstvorgesetzten) unbeanstandet abgezeichneten Arbeitszeitaufzeichnungen und weitere konkret benannte Zeugenaussagen über die Erreichbarkeit des Mitbeteiligten auch über die Dienstzeit hinaus.
39 Der Verwaltungsgerichtshof ist jedoch nicht berechtigt, einer Beweiswürdigung, die einer Überprüfung unter den genannten Gesichtspunkten standhält, mit der Begründung entgegenzutreten, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 28.11.2022, Ra 2022/09/0051, mwN).
40 Davon ausgehend wird jedoch in der Zulässigkeitsbegründung insoweit auch kein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aufgezeigt. Zwar ist dem revisionswerbenden Disziplinaranwalt darin zuzustimmen, dass nach dieser die Einhaltung von Arbeitszeit und Arbeitsplatz durch Beamte zu den schwerwiegenden Interessen der Verwaltung gehört (vgl. VwGH 17.12.2013, 2013/09/0138). Ein Verstoß gegen die den Mitbeteiligten unter diesem Gesichtspunkt treffenden Pflichten ist aus dem festgestellten Sachverhalt jedoch nicht abzuleiten.
41 Im Umfang des Freispruchs vom zweiten Tatvorwurf war die Revision daher mit dem in jeder Lage des Verfahrens zu fassenden Beschluss gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG zurückzuweisen.
42 Die Kostenentscheidung zum Aufwandersatzbegehren des Mitbeteiligten gründet auf den §§ 47 ff VwGG, insbesondere auf § 50 VwGG.
Wien, am 18. Juni 2024