Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kleiser sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Mag. Bayer als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Oberwart gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 21. Februar 2024, E 136/088/2024.004/002, betreffend eine Übertretung des Bundesstraßen Mautgesetzes 2002 (mitbeteiligte Partei: B M P in Z), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (Verwaltungsgericht) der Beschwerde der Mitbeteiligten gegen das Straferkenntnis der Amtsrevisionswerberin vom 6. Dezember 2023, mit welchem ihr eine Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 1 iVm. § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 Bundesstraßen-Mautgesetz 2002 (BStMG) zu Last gelegt und über sie eine Geldstrafe in der Höhe von € 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe ein Tag und 15 Stunden) verhängt worden war, weil sie am 21. Dezember 2022 um 12:36 Uhr ein mehrspuriges Kraftfahrzeug mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3.5 t auf dem mautpflichtigen Straßennetz gelenkt habe, ohne die zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, Folge, behob das Straferkenntnis und stellte das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG ein. Gleichzeitig sprach das Verwaltungsgericht aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B VG unzulässig sei.
2 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte habe am 19. Dezember 2022 eine digitale Vignette mit der Gültigkeit vom 19. Dezember 2022 bis 31. Jänner 2024 erworben. Bei der Kennzeichenangabe sei es durch einen Irrtum zu einer Verwechslung der Reihenfolge der Buchstaben- und Ziffernkombination des Kennzeichens gekommen. Am 21. Dezember 2022 um 12:36 Uhr habe die Mitbeteiligte ihr Fahrzeug im mautpflichtigen Straßennetz gelenkt.
3 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht aus, die Entrichtung der zeitabhängigen Maut sei bereits beim Kauf der digitalen Vignette am 19. Dezember 2022 erfolgt. Da die zeitabhängige Maut durch die Anbringung einer Mautvignette am Fahrzeug (entsprechend den Bestimmungen der Mautordnung) „oder durch die digitale Vignette“ ordnungsgemäß entrichtet worden sei, sei im gegenständlichen Strafverfahren der objektive Tatbestand nicht erfüllt. Die Mitbeteiligte habe somit die ihr zur Last gelegte Verwaltungsübertretung nicht begangen.
4 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision mit dem Begehren, das angefochtene Erkenntnis aufzuheben. Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
5Die Revision erweist sich angesichts des in ihrer Zulässigkeitsbegründung aufgezeigten Abweichens des Verwaltungsgerichts von der näher genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Tatbestand der Mautprellerei gemäß § 20 Abs. 1 BStMG als zulässig.
6Die maßgeblichen Bestimmungen des BStMG, BGBl. I Nr. 109/2002 § 10 sowie § 11 in der Fassung BGBl. I Nr. 45/2019 und § 20 in der Fassung BGBl. I Nr. 155/2021 lauten auszugsweise:
„ Zeitabhängige Maut
Mautpflicht
§ 10.
(1) Die Benützung von Mautstrecken mit einspurigen Kraftfahrzeugen und mit mehrspurigen Kraftfahrzeugen, deren höchstes zulässiges Gesamtgewicht nicht mehr als 3,5 Tonnen beträgt, unterliegt der zeitabhängigen Maut.
...
Mautentrichtung
§ 11.
(1) Die zeitabhängige Maut ist vor der Benützung von Mautstrecken durch Anbringen einer Klebevignette am Fahrzeug oder durch Registrierung des Kennzeichens des Fahrzeugs im Mautsystem der Autobahnen- und Schnellstraßen-Finanzierungs-Aktiengesellschaft (digitale Vignette) zu entrichten.
...
(6) Die näheren Bestimmungen über die Beschaffenheit der Klebevignetten, über ihre Anbringung an den Fahrzeugen, über das Mitführen der Klebevignetten an Stelle der Anbringung, über Ersatzklebevignetten, über die Registrierung des Kennzeichens des Fahrzeugs im Mautsystem und über die Umregistrierung digitaler Jahresvignetten sind in der Mautordnung zu treffen. ...
Mautprellerei
§ 20.
(1) Kraftfahrzeuglenker, die Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben, begehen eine Verwaltungsübertretung und sind mit Geldstrafe von 300 € bis zu 3000 € zu bestrafen.
...“
7Die auf Grundlage der §§ 14ff BStMG erlassene Mautordnung (Version 70, gültig ab 1. Dezember 2022), GZ: 325.009/1 I/K2 2003, führt zur Mautprellerei (Pkt. 1.9) und zu den weiterführenden Bestimmungen bei der Verwendung der digitalen Vignette (Pkt. 3) auszugsweise aus:
„ 1.9.1 Strafbarkeit des Mautprellens
Die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mautpflichtigen Kraftfahrzeugen im Sinne dieser Mautordnung, ohne eine gültige Vignette ordnungsgemäß angebracht, gemäß Punkt 2.2.2 Mautordnung Teil A I ordnungsgemäß mitgeführt bzw. das Kraftfahrzeugkennzeichen ordnungsgemäß im Mautsystem registriert zu haben, ist verboten. Kraftfahrzeuglenker, die gegen dieses Verbot verstoßen, begehen gemäß § 20 Abs 1 BStMG eine Verwaltungsübertretung und werden von der Bezirksverwaltungsbehörde mit einer Geldstrafe von 300,00 EUR bis 3.000,00 EUR bestraft.
...
3.1 VERFÜGBARKEIT DER DIGITALEN VIGNETTE
Alternativ zur Klebevignette kann die zeitabhängige Maut auch durch Registrierung des Kfz Kennzeichens des Kraftfahrzeugs im Mautsystem der ASFINAG (Digitale Vignette) entrichtet werden.
Ab dem Zeitpunkt der Gültigkeit der Digitalen Vignette (...) gilt die Maut für das angegebene Kfz-Kennzeichen als ordnungsgemäß entrichtet und berechtigt die Digitale Vignette zur Benützung von Bundesstraßen gemäß §§ 1 Abs 1 und 11 Abs 1 BStMG.
...“
8Der in § 20 Abs. 1 BStMG normierte Verwaltungsstraftatbestand wird verwirklicht, wenn Kraftfahrzeuglenker Mautstrecken benützen, ohne die nach § 10 Abs. 1 BStMG geschuldete zeitabhängige Maut ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Von einer ordnungsgemäß entrichteten Maut gemäß § 20 Abs. 1 BStMG kann aus nachstehenden Gründen aber nur dann gesprochen werden, wenn das Kennzeichen im Sinn der näheren Regelungen der Mautordnung registriert ist.
9Es kommt im Zusammenhang mit einer Übertretung des § 20 Abs. 1 iVm § 10 Abs. 1 und § 11 Abs. 1 BStMG nicht auf die Zahlung des Vignettenpreises an, sondern darauf, ob das Kennzeichen ordnungsgemäß registriert war (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2019/06/0094, oder in diesem Sinne zum Anbringen einer Mautvignette am Fahrzeug VwGH 23.3.2017, Ra 2016/06/0137, jeweils mwN).
10Nach § 11 Abs. 6 BStMG sind die näheren Bestimmungen unter anderem über die Registrierung des Kennzeichens des Fahrzeugs im Mautsystem (digitale Vignette) in der Mautordnung zu treffen.
11 Die Mautordnung in der vorliegend anwendbaren Fassung (Version 70) legt unter Punkt 3.1 „Verfügbarkeit der digitalen Vignette“ ausdrücklich fest, dass die zeitabhängige Maut auch durch Registrierung des Kfz Kennzeichens des Kraftfahrzeugs im Mautsystem der ASFINAG (Digitale Vignette) entrichtet werden kann. Die Maut gilt ab dem Zeitpunkt der Gültigkeit der Digitalen Vignette für das angegebene Kfz Kennzeichen als ordnungsgemäß entrichtet. Nach Punkt 1.9.1. der Mautordnung ist die Benützung des mautpflichtigen Straßennetzes mit mautpflichtigen Kraftfahrzeugen, ohne das KfzKennzeichen ordnungsgemäß im Mautsystem registriert zu haben, verboten und verwirklicht den Tatbestand des Mautprellens gemäß § 20 Abs. 1 BStMG.
12Entgegen der Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts kommt es somit nicht auf die Zahlung des Vignettenpreises, sondern darauf an, ob das Kennzeichen ordnungsgemäß registriert war. Fallbezogen lag eine ordnungsgemäße Registrierung nicht vor, weil nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts das in der Vignettenevidenz an diesem Tag hinterlegte Kennzeichen nicht mit dem von der Mitbeteiligten auf der mautpflichtigen Strecke gelenkten Kraftfahrzeug übereinstimmte, wodurch der Straftatbestand der Mautprellerei gemäß § 20 Abs. 1 BStMG in objektiver Hinsicht erfüllt wurde.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass es auf allenfalls im Zuge des Erwerbs der Vignette erfolgende „Fehler“ Dritter wie hier laut Aktenlage des Lebenspartners der Mitbeteiligtenim Zusammenhang mit der Verwirklichung des in Rede stehenden Verwaltungsstraftatbestandes nicht ankommt (vgl. etwa erneut VwGH 23.3.2017, Ra 2016/06/0137, mwN).
14Vor diesem Hintergrund erweist sich das angefochtene Erkenntnis als inhaltlich rechtswidrig und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 13. Mai 2025