JudikaturVwGH

Ra 2024/03/0079 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
16. September 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer sowie die Hofräte Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des D M, vertreten durch Prof. Dipl. Ing. Mag. Andreas O. Rippel, Rechtsanwalt in Wien, gegen das am 4. April 2024 mündlich verkündete und mit 19. April 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, Zl. VGW 103/040/13601/2023 7, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht einen Antrag des Revisionswerbers auf Ausstellung eines Waffenpasses in Bestätigung eines Bescheides der belangten Behörde vom 20. September 2023 gemäß § 21 Abs. 2 Waffengesetz 1996 (WaffG) ab und sprach aus, dass eine Revision gegen diese Entscheidung nicht zulässig sei.

2 Dazu stellte es als Sachverhalt im Wesentlichen fest, dass der Revisionswerber Geschäftsführer einer GmbH sei, die ein Waffengeschäft in W betreibe. Er sei Jäger und Sportschütze und verfüge über eine Waffenbesitzkarte. Der Revisionswerber arbeite selbst in diesem Geschäft und schließe dieses regelmäßig in den Abend bzw. Nachtstunden ab. Bareinnahmen bringe er anschließend zur Bank. Am 5. April 2023 sei gegen 3:30 Uhr Früh die Auslagenscheibe des Geschäftes eingeschossen worden, am Tatort hätten sich mehrere Buck Schrothülsen Kaliber 12 befunden. Ein unbeteiligter Zeuge habe einen Mann mit Fahrrad als mutmaßlichen Täter beschrieben. Weil sich vor der Scheibe ein stabiles Gitter befunden habe, sei es offenbar bei einem versuchten Einbruchsdiebstahl (oder auch lediglich einer Sachbeschädigung) geblieben. Zu diesem Zeitpunkt habe sich niemand im Geschäftslokal befunden. Bis zu diesem Vorfall und auch seither habe es keine vergleichbare Situation gegeben. Das Geschäft sei mit einem massiven Gitter und einer Alarmanlage gesichert. Der Alarm gehe bei der Polizei ein, und der Revisionswerber erhalte eine Alarmnachricht auf sein Handy. Eine konkrete, persönliche Bedrohung des Revisionswerbers könne nicht festgestellt werden.

3 Im Rahmen der Beweiswürdigung ergänzte das Verwaltungsgericht, dass ausgehend von der Wahrnehmung des unbeteiligten Zeugen, wonach der Täter, der auf die Scheibe des Geschäfts geschossen habe, mit einem Fahrrad am Tatort gewesen sei, nicht von einem professionellen Täterverhalten auszugehen und ein Einbruchsversuch wenig wahrscheinlich sei, weil der Abtransport mehrerer Waffen oder von Munition per Fahrrad wenig praktikabel erscheine. Dass der etwaige Einbruchsversuch nahe an der Untauglichkeit gelegen sei, sei nicht nur durch das auf sich Aufmerksam machen aufgrund der Lärmerregung infolge mehrfacher Schussabgabe im Wohngebiet gegen 3:30 Uhr morgens begründet, sondern auch dadurch, dass das Geschäft durch ein massives Gitter vor der eingeschossenen Scheibe gesichert und ein Eindringen in das Geschäft nahezu unmöglich gewesen sei.

4In rechtlicher Hinsicht erwog das Verwaltungsgericht, dass eine Voraussetzung für die Ausstellung eines Waffenpasses unter anderem das Vorliegen eines Bedarfs im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG sei. Ein solcher liege etwa nach der Z 1 dieser Bestimmung vor, wenn der Betroffene glaubhaft mache, dass er außerhalb von Wohn oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt sei, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne.

5 Der Revisionswerber begründe den Bedarf mit seiner beruflichen Tätigkeit als Waffenhändler und der damit verbundenen Gefahren beim Verschließen des Geschäfts in den Abend und Nachtstunden, im Besonderen aber mit dem festgestellten Vorfall vom 5. April 2023 (Schüsse auf die Schaufensterscheibe des Waffengeschäfts) und sekundär mit dem Bargeldtransport nach Geschäftsschluss.

6Nach der Darstellung von mehreren Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes führte das Verwaltungsgericht dazu aus, dass ein Vergleich der Bedrohungslage des Revisionswerbers mit diesen Fällen zeige, dass nach der Leitlinienjudikatur des Verwaltungsgerichtshofes keine besondere Gefährdung des Revisionswerbers bestehe, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Weiters sei die zweite Bedingung des § 22 Abs. 2 WaffG (Zweckmäßigkeit der Waffengewalt) nicht erfüllt, weil organisatorische Möglichkeiten zur Verfügung stünden, um die vom Revisionswerbers angesprochenen Gefahren zu entschärfen.

7 Ein Antragsteller habe nach der näher zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum einen glaubhaft zu machen, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe geradezu erforderlich sei und auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden könne; zum anderen sei erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation komme. Weder hinsichtlich der abstrakten Gefahr eines Überfalls beim Schließen des Geschäfts noch beim Transport von Bargeld sei dem Revisionswerber diese Glaubhaftmachung gelungen.

8Es sei zwar tatsächlich ein Vorfall vom 5. April 2023 aktenkundig. Bei diesem sei aber offenbar eine Schusswaffe gegen eine Sache (Glasscheibe des Geschäfts) eingesetzt worden. Ein solcher Vorfall wäre auch nicht durch die Innehabung eines Waffenpasses verhinderbar gewesen. Es sei der Exekutive zu überlassen, bei einem von der Alarmanlage ausgelösten Verdacht einer strafbaren Handlung einzuschreiten. Auch aus den vom Revisionswerber ins Treffen geführten Bargeldtransporten ergebe sich nach der näher dargestellten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine „besondere Gefahr“ im Sinne des § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG.

9Insgesamt liege damit kein Bedarf (zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B im Sinne des § 21 Abs. 2 erster Satz WaffG) vor.

10Aus näher dargestellten Erwägungen sei dem Revisionswerber auch nicht im Wege des § 10 iVm § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG, also im Rahmen einer Ermessensentscheidung, ein Waffenpass auszustellen.

11 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die sich zur ihrer Zulässigkeit auf eine Abweichung von näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stützt.

12 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

13Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

14Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

15Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ist es allein Sache des Waffenpasswerbers, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hiebei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine ganz konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. etwa VwGH 13.11.2018, Ra 2018/03/0120, und 21.3.2025, Ra 2024/03/0051, je mwN).

16 Die Revision bringt vor, das Verwaltungsgericht weiche von jener Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach für die Annahme eines waffenrechtlichen Bedarfes eine Gefahrenlage erforderlich sei, die sich vom Sicherheitsrisiko, dem jedermann außerhalb seines Wohn und Betriebsbereiches oder seiner eingefriedeten Liegenschaften ausgesetzt sei, deutlich erkennbar abhebe (Hinweis auf VwGH 18.7.2002, 98/20/0563).

17 Es sei wesentlich, dass es vor kurzem zu einem bewaffneten Angriff auf das vom Revisionswerber betreute Geschäftslokal unter Einsatz von Schusswaffen gekommen sei. Straftäter hätten versucht, unter Abgabe von Schüssen aus großkalibrigen Waffen nachts in das Geschäftslokal einzudringen. Die angerichteten Beschädigungen am Geschäftslokal und an den Waren seien groß gewesen, glücklicherweise habe der Außenschutz des Geschäftslokales dem Waffeneinsatz noch so weit standgehalten, dass ein volles Eindringen der Täter verhindert worden sei. Dabei zeige der Einsatz der Schusswaffe die enorme Gewaltbereitschaft der Straftäter und außerdem das besondere Interesse an den Waffen und Munition oder allenfalls am Bargeld im gegenständlichen Geschäftslokal. Aus geschäftlichen Notwendigkeiten und aufgrund der anfallenden Arbeit verlasse der Revisionswerber grundsätzlich erst in der Nacht, zwischen 21:00 und 23:00 Uhr, das Geschäftslokal und sei dabei extrem verwundbar, da völlig unbewaffnet. Dass die Gefahr eines Raubüberfalles auf den Revisionswerber mit Waffengewalt keine bloße Spekulation sei, zeige der kürzlich stattgefundene Vorfall. Derartige Straftäter schreckten vor nichts zurück, und es sei nur ein Zufall, ob der Revisionswerber den Straftätern in die Quere komme oder nicht. Der Vorfall zeige, dass offensichtlich ein hohes verbrecherisches Interesse an den Sach und/oder Geldwerten im Geschäftslokal bestehe. Hinzu komme, dass es der Polizei nicht gelungen sei, den oder die Täter ausfindig zu machen. Diese seien nach wie vor auf freiem Fuß. Der dargestellte Vorfall zeige, dass sich das Sicherheitsrisiko, dem der Revisionswerber ausgesetzt sei, vom Sicherheitsrisiko der Allgemeinheit deutlich erkennbar abhebe.

18 Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausdrücklich zur Beurteilung gelangt, dass das Sicherheitsrisiko, dem der Revisionswerber ausgesetzt sei, auch unter Berücksichtigung des festgestellten Vorfalls vom 5. April 2023, der in Abwesenheit des Revisionswerbers um ca. 3:30 Uhr Früh stattgefunden und von dem er nach eigenen Angaben erst am nächsten Morgen durch einen Anruf eines Kollegen erfahren habe, im Vergleich zu jenem der Allgemeinheit nicht erhöht sei. Dabei hat es daraus insbesondere auf Grund des von ihm als unprofessionell gewerteten Vorgehens (Untauglichkeit des bloßen Einschießens der Auslagenscheibe für einen Einbruchsdiebstahl, Einzeltäter auf einem Fahrrad) und der Einmaligkeit des Vorfalles (ein Jahr vor dem Entscheidungszeitpunkt des Verwaltungsgerichtes) keine verdichteten Hinweise auf mögliche Überfälle auf den Revisionswerber abgeleitet. Die Revision vermag nicht aufzuzeigen, dass diese Beurteilung im Einzelfall korrekturbedürftig wäre oder in Widerspruch zur Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stünde.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 BVG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 16. September 2025