Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und den Hofrat Dr. Faber als Richter sowie die Hofrätin Dr. in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der S H in V, vertreten durch Mag. Thomas Mayer, Rechtsanwalt in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 7/63, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 25. Jänner 2024, Zl. LVwG 70.33 3469/2023 9, betreffend Ausstellung eines Waffenpasses (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Voitsberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht den Antrag der Revisionswerberin auf Ausstellung eines Waffenpasses in Bestätigung eines entsprechenden Bescheides der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.
2 Dem legte das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung im Wesentlichen Folgendes zugrunde:
3 Die Revisionswerberin, die über eine Waffenbesitzkarte verfüge, habe die Ausstellung eines Waffenpasses zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B für die Ausübung ihres Dienstes als Wachorgan bei einem näher genannten privaten Unternehmen beantragt, da sie ohne Waffenpass nicht für sämtliche Tätigkeitsbereiche, wie z.B. Geld und Werttransporte, den Personenschutz, den Gerichtskontrolldienst, den Objektschutz von kritischer Infrastruktur oder die Alarmverfolgung (Einbruch , Sabotage und Bedrohungsalarm), eingesetzt werden könne. Die Revisionswerberin werde dadurch an ihrem beruflichen Fortkommen gehindert. Sie sei selbst bislang noch nie in einer Situation gewesen, in der eine Schusswaffe erforderlich gewesen wäre.
4 Ausgehend davon erwog das Verwaltungsgericht, dass es der Revisionswerberin nicht gelungen sei, den Bedarf zur Ausstellung eines Waffenpasses nachzuweisen. Sie habe nicht glaubhaft machen können, dass sie einer konkreten Gefährdung ausgesetzt sei, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichten nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichteten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergebe. Eine konkrete Gefährdung sei von der Revisionswerberin nicht dargelegt worden, zumal sie keine Situation habe nennen können, im Rahmen derer eine Waffe geradezu erforderlich sei, um das bedarfsbegründende Ziel zu erreichen. Daraus ergebe sich, dass die Revisionswerberin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit keinesfalls genehmigungspflichtige Schusswaffen mit sich führen müsse, sondern Gefahrenlagen mit gelinderen Mitteln abgewehrt werden könnten. Die belangte Behörde habe zutreffend ausgeführt, dass der Besitz eines Waffenpasses als Anstellungserfordernis für sich allein keinen waffenrechtlichen Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 erster Satz Waffengesetz 1996 (WaffG) begründen könne. Die Abwehr der von der Revisionswerberin genannten Gefahren durch mögliche (bewaffnete) Straftäter komme nach dem Sicherheitspolizeigesetz den Sicherheitsbehörden und den Organen des Sicherheitsdienstes zu. Es sei keinesfalls die Absicht des Gesetzgebers, jede Person, die irgendwann einem tätlichen Angriff ausgesetzt sein könnte, mit dem Recht, Schusswaffen der Kategorie B zu führen, auszustatten. Das Vorliegen eines Bedarfs zum Führen einer Schusswaffe der Kategorie B sei von der belangten Behörde folglich zu Recht verneint worden. Auch die von der belangten Behörde vorgenommene Ermessensentscheidung im Sinne des § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG erweise sich aus näher genannten Gründen als rechtskonform. Daher sei der Antrag auf Ausstellung eines Waffenpasses abzuweisen.
5 Mit Beschluss vom 12. März 2024, E 734/2024 5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis von der Revisionswerberin erhobenen Beschwerde ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
6 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht.
7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
8 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
9 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 Die demnach für die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision allein maßgebliche Zulässigkeitsbegründung der Revision rügt im Wesentlichen ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 2.4.1998, 96/20/0792), wonach bei der Beurteilung der Bedarfsfrage kein überspitzt strenger Maßstab angelegt und dadurch schlechthin generell die Ausstellung eines Waffenpasses auch an verlässliche Personen verweigert werden dürfe. Dagegen verstoße das Verwaltungsgericht, wenn es davon ausgehe, dass sich aus der beruflichen Tätigkeit der Revisionswerberin keine konkreten persönlichen Gefährdungen ergäben. Hätte es nämlich die persönlichen Gefährdungen der Revisionswerberin, die sie durch ihren Beruf träfen, mit jenen eines „Durchschnittsmenschen“ verglichen, wäre das Verwaltungsgericht mit Sicherheit zu dem Schluss gekommen, dass bei der Revisionswerberin berufsbedingt eine erhöhte Gefahrenlage vorliege. Soweit es aus Sicht des Verwaltungsgerichts nicht ausgeschlossen werden könne, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter und dies wiederum zu einer Erhöhung der Gefährlichkeit führen könne, sei zu entgegnen, dass von der Revisionswerberin jedenfalls nicht verlangt werden könne, erst „Raubüberfälle abzuwarten“, um anschließend „einen Waffenpass erfolgreich beantragen zu können“.
11 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
12 Gemäß § 21 Abs. 2 erster Satz WaffG hat die Behörde verlässlichen EWR Bürgern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, und bei denen soweit es sich nicht um Angehörige der in § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG genannten Berufsgruppen handelt keine Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie einen verfassungsgefährdenden Angriff gemäß § 6 Abs. 2 Staatsschutz und Nachrichtendienst Gesetz, BGBl. I Nr. 5/2016, begehen werden und einen Bedarf zum Führen von Schusswaffen der Kategorie B nachweisen, einen Waffenpass auszustellen. Kann ein solcher Bedarf nicht nachgewiesen werden, liegt nach § 21 Abs. 2 zweiter Satz WaffG die Ausstellung eines Waffenpasses im Ermessen der Behörde.
13 Ein Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 2 WaffG ist in den in § 22 Abs. 2 Z 1 bis 4 WaffG genannten Fällen „jedenfalls als gegeben anzunehmen“, also dann, wenn der Waffenpasswerber glaubhaft macht, dass er außerhalb von Wohn oder Betriebsräumen oder seiner eingefriedeten Liegenschaften besonderen Gefahren ausgesetzt ist, denen am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann (Z 1) oder wenn er dem Personenkreis des § 22 Abs. 2 Z 2 bis 4 WaffG zuzurechnen ist.
14 Der Verwaltungsgerichtshof erkennt dazu in ständiger Rechtsprechung, dass es allein Sache des Waffenpasswerbers ist, das Vorliegen eines Bedarfes zum Führen genehmigungspflichtiger Schusswaffen nachzuweisen und im Anwendungsbereich des § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG die dort geforderte besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden kann, glaubhaft zu machen. Der Waffenpasswerber hat daher im Verwaltungsverfahren konkret und in substanzieller Weise im Einzelnen darzutun, woraus er für seine Person die geforderte besondere Gefahrenlage ableite, dass diese Gefahr für ihn gleichsam zwangsläufig erwachse und dass es sich hierbei um eine solche qualifizierte Gefahr handle, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne. Bloße Vermutungen und Befürchtungen einer möglichen Bedrohung reichen zur Dartuung einer Gefährdung nicht aus, solange sich Verdachtsgründe nicht derart verdichten, dass sich schlüssig eine konkrete Gefährdung ergibt. Es reicht also nicht aus, dass in bestimmten Situationen das Führen einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe zweckmäßig sein kann, vielmehr ist zum einen glaubhaft zu machen, dass in derartigen Situationen eine solche Waffe geradezu erforderlich ist und dass auf andere Weise der Bedarf nicht befriedigt, das bedarfsbegründende Ziel nicht erreicht werden kann; zum anderen ist erforderlich, dass der Antragsteller selbst mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommt (vgl. zu allem z.B. VwGH 20.12.2021, Ra 2021/03/0162, mwN).
15 Die Bestimmungen des WaffG, die den Besitz von Schusswaffen im „privaten“ Bereich bloß an eine Rechtfertigung binden, für das Recht auf das Führen von Schusswaffen im „öffentlichen“ Bereich aber den Nachweis eines Bedarfs bzw. eine positive Ermessensentscheidung verlangen, sind insofern vom Ziel bestimmt, die Zahl der Menschen zu begrenzen, die berechtigt sein sollen, Waffen zu führen.
16 In diesem Zusammenhang wurde vom Verwaltungsgerichtshof wiederholt betont, dass die Bekämpfung einer etwaigen Gefahrensituation durch (private) Waffengewalt zu einer erheblichen Gefährdung Unbeteiligter führen und der Versuch, Gefahrensituationen mit Waffengewalt hintanzuhalten, eine Erhöhung der Gefährlichkeit solcher Situationen mit sich bringen kann (vgl. zum Ganzen VwGH 15.5.2024, Ra 2024/03/0018, mwN).
17 Im Revisionsfall hat das Verwaltungsgericht einen Bedarf im Sinne der dargestellten Rechtslage deshalb verneint, weil es der Revisionswerberin mit ihrem Vorbringen bezüglich ihrer beruflichen Tätigkeit nicht gelungen sei, eine besondere Gefahrenlage, der am zweckmäßigsten mit Waffengewalt wirksam begegnet werden könne, glaubhaft zu machen. Dies stützte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen darauf, dass die Revisionswerberin im Verfahren keine Situation nennen habe können, im Rahmen derer eine Waffe geradezu erforderlich sei, um das bedarfsbegründende Ziel zu erreichen. Daraus ergebe sich, dass die Revisionswerberin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit keinesfalls genehmigungspflichtige Schusswaffen mit sich führen müsse, sondern Gefahrenlagen mit gelinderen Mitteln abgewehrt werden könnten.
18 Die Revisionswerberin führt in der Revision ihre berufliche Tätigkeit als Wachorgan bei einem privaten Unternehmen ins Treffen, um einen besonderen Bedarf zu begründen. Soweit die Zulässigkeitsbegründung anführt, es könne von der Revisionswerberin jedenfalls nicht verlangt werden, erst „Raubüberfälle abzuwarten“, um anschließend „einen Waffenpass erfolgreich beantragen zu können“, zeigt sie allein damit nicht auf, dass sie auch mit einer hohen Wahrscheinlichkeit in die bedarfsbegründende Situation kommen werde. Die Revision legt insoweit nicht näher dar, dass sich die Situation der Revisionswerberin hinsichtlich einer im Sinne des § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG maßgeblichen Gefährdung von der anderer (privater) Wachorgane, die in den von der Revision beschriebenen Bereichen (z.B. Geld und Werttransporte, den Personenschutz, Gerichtskontrolldienst, Objektschutz von kritischer Infrastruktur oder Alarmverfolgung) tätig sind, abheben würde, und dass das Verwaltungsgericht bei seiner Beurteilung von den Leitlinien der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen wäre. Anders als es die Revision vorbringt, kommt hierbei als Vergleichsmaßstab im Übrigen auch nicht das für den „Durchschnittsmenschen“ gegebene Sicherheitsrisiko zum Tragen, sondern jenes von Personen in einer vergleichsweisen beruflichen Position wie die Revisionswerberin, zumal deren geltend gemachter besonderer Bedarf konkret auf ihre berufliche Tätigkeit abstellt (vgl. z.B. erneut VwGH 15.5.2024, Ra 2024/03/0018, zu Inhabern von Tabaktrafiken; sowie VwGH 16.11.2021, Ra 2021/03/0114, betreffend Angehörige des Jagdkommandos).
19 Zutreffend hebt das Verwaltungsgericht des Weiteren nicht nur hervor, dass die Abwehr der vorgebrachten Gefahren den Sicherheitsbehörden und den Organen des Sicherheitsdienstes zukomme, sondern auch, dass allfällige Vorgaben eines Dienstgebers, insbesondere auch die Notwendigkeit des Besitzes eines Waffenpasses als Anstellungserfordernis, für sich allein keinen waffenrechtlichen Bedarf begründen können, läge es ansonsten doch in der Disposition einzelner Dienstgeber, die Ausstellung von Waffenpässen unabhängig vom jeweiligen Vorliegen eines für die Ausstellung eines Waffenpasses notwendigen Bedarfs zu erwirken (vgl. VwGH 20.12.2021, Ra 2021/03/0162, mwN).
20 Ausgehend davon legt die Revision nicht dar, dass das Verwaltungsgericht einen überspitzt strengen Maßstab angelegt hätte. Im Übrigen begründet die bloße Zweckmäßigkeit des Führens einer genehmigungspflichtigen Schusswaffe allein weder einen Bedarf iSd § 22 Abs. 2 Z 1 WaffG noch einen in Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 21 Abs. 2 letzter Satz WaffG maßgeblichen Gesichtspunkt (vgl. wiederum VwGH 20.12.2021, Ra 2021/03/0162, mwN).
21 In der Revision werden nach dem Gesagten somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 21. März 2025