JudikaturVwGH

Ro 2020/05/0007 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
11. Januar 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Röder, in der Revisionssache der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 18. November 2019, LVwG S 2009/001 2019, betreffend Übertretung der NÖ Bauordnung 2014 (mitbeteiligte Partei: A G in O), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit dem revisionsgegenständlichen Spruchpunkt 1. des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich (LVwG) vom 18. November 2019 wurde eine von der belangten Behörde (Amtsrevisionswerberin) über die mitbeteiligte Partei gemäß § 37 Abs. 1 Z 1 vierter Fall iVm § 14 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) verhängte Verwaltungsstrafe nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung aufgehoben und das Strafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 2 VStG eingestellt. Eine Revision dagegen erklärte das LVwG für zulässig, weil Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 37 Abs. 1 Z 1 vierter Fall NÖ BO 2014 fehle „und das dort umschriebene Tatbild einschließlich des für die Annahme von Fahrlässigkeit entscheidenden objektiven Sorgfaltsmaßstabes auch anders ausgelegt werden“ könnte.

2 Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision.

3 Die mitbeteiligte Partei erstattete eine selbst verfasste Revisionsbeantwortung mit dem Antrag, die Entscheidung des LVwG zu bestätigen.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

7 Nach § 28 Abs. 1 und 2 VwGG entspricht der Inhalt einer außerordentlichen Revision grundsätzlich dem Inhalt der ordentlichen Revision. Die vom Verwaltungsgerichtshof vorzunehmende Kontrolle einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung stützt sich für außerordentliche und ordentliche Revisionen in gleicher Weise jeweils auf eine gesonderte Darlegung der Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Revision (vgl. VwGH 21.6.2017, Ro 2016/03/0011, mwN). Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung (vgl. für viele etwa VwGH 24.9.2019, Ra 2019/06/0104, oder auch 6.7.2021, Ro 2021/05/0025, jeweils mwN); der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, oder auch nochmals 6.7.2021, Ro 2021/05/0025, jeweils mwN).

8 Die Begründung der Zulässigkeit der Revision erfordert (abgesehen von den Fällen einer abweichenden oder uneinheitlichen Rechtsprechung) die konkrete Darlegung, welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet hat (vgl. VwGH 27.6.2019, Ro 2018/07/0046, mwN). Ein pauschales bzw. nur ganz allgemein gehaltenes Vorbringen ohne Herstellung eines Fallbezuges und ohne jede fallbezogene Verknüpfung mit der angefochtenen Entscheidung reicht jedenfalls nicht aus (vgl. VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001; 20.5.2020, Ra 2020/09/0018; 12.10.2020, Ra 2020/10/0131, oder auch 2.6.2021, Ra 2021/02/0114, jeweils mwN).

9 Reicht die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für deren Zulässigkeit nicht aus oder erachtet der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben, hat der Revisionswerber nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch in einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen (vgl. VwGH 16.9.2022, Ro 2022/05/0019, oder auch erneut VwGH 26.4.2021, Ro 2020/05/0020, und 25.9.2019, Ro 2019/05/0013, jeweils mwN).

10 In einem solchen Fall ist von der revisionswerbenden Partei auf die vorliegende Rechtssache bezogen bezüglich jeder von ihr - hinausgehend über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts - als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierten Rechtsfrage konkret (unter Berücksichtigung auch der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes) aufzuzeigen, warum der Verwaltungsgerichtshof diese Rechtsfrage in einer Entscheidung über die Revision als solche von grundsätzlicher Bedeutung zu behandeln hätte, von der das Schicksal der Revision abhängt (vgl. etwa erneut VwGH 6.7.2021, Ro 2021/05/0025, oder auch 16.11.2017, Ro 2017/07/0027). Zweck der Begründungspflicht des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG ist die Fokussierung auf die vom Verwaltungsgerichtshof zu lösende Rechtsfrage (vgl. etwa VwGH 25.3.2020, Ro 2020/10/0005, mwN).

11 Im Revisionsfall legt das LVwG mit seinen allgemeinen Ausführungen zur Zulassung der Revision betreffend den revisionsgegenständlichen Spruchpunkt seines Erkenntnisses nicht dar, welche konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogene grundsätzliche Rechtsfrage, die für das gegenständliche Verfahren von entscheidender Bedeutung wäre, der Verwaltungsgerichtshof bei der Entscheidung über die Revision (erstmals) zu lösen habe. Der bloße Umstand, dass zu einer bestimmten Regelung keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besteht, begründet für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG (vgl. etwa VwGH 22.4.2022, Ra 2019/06/0049, oder auch 26.3.2021, Ra 2021/05/0043, jeweils mwN).

12 Die Amtsrevision schließt sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung der Zulassungsbegründung des LVwG an und bringt darüber hinaus vor, es fehle „Rechtsprechung zur Frage, ob das objektive Tatbild des ‚benützen lassen‘ iSd § 37 Abs. 1 Z 1 4. Fall NÖ BO 2014 durch Untätigkeit des Liegenschaftseigentümers in Kenntnis der Benützung eines konsenslosen Bauwerkes durch einen Dritten und unter Missachtung eines Abbruchauftrages verwirklicht werden“ könne.

13 Auch mit diesen allgemeinen Zulässigkeitsausführungen wird ein Bezug zum konkreten Sachverhalt des Revisionsfalles nicht hergestellt und schon insofern nicht dargestellt, dass und inwiefern das Schicksal der Revision von den angesprochenen Fragen abhängen sollte. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aufgrund von Revisionen nicht zuständig (vgl. nochmals etwa VwGH 27.1.2020, Ro 2020/04/0001; 20.5.2020, Ra 2020/09/0018; 2.6.2021, Ra 2021/02/0114, oder auch 16.9.2022, Ro 2022/05/0019, jeweils mwN).

14 Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 18.12.2019, Ro 2018/10/0002, mwN).

15 Die Revision war daher schon aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 11. Jänner 2023

Rückverweise