Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed als Richter sowie die Hofrätinnen Mag. Dr. Maurer Kober und Mag. Schindler als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision des M in V, vertreten durch Mag. Philipp Wolm, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Kolingasse 4/1.OG, gegen das am 12. Juni 2024 mündlich verkündete und am 26. Juni 2024 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW 031/V/057/4141/20243, betreffend Antrag auf Gewährung eines Aufschubes von wegen Übertretungen des FSG verhängten Strafen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
1Mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Wien vom 9. März 2023 wurden über den Revisionswerber wegen Übertretungen gemäß § 37 Abs. 1 iVm § 1 Abs. 3 FSG vier Geldstrafen von jeweils € 2.180, sowie jeweils eine primäre Freiheitsstrafe von sieben Tagen, somit insgesamt 28 Tagen, verhängt.
2Der Revisionswerber wurde zum Antritt der (primären) Freiheitsstrafe aufgefordert. Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2023 stellte der Revisionswerber einen „Antrag auf Aufschub des Strafvollzuges wegen Gefährdung der Erwerbsmöglichkeit gemäß § 54a VStG“. Diesen Antrag begründete er damit, dass er Geschäftsführer von zwei im Baugewerbe tätigen Gesellschaften sei. Die Durchführung der bestehenden Aufträge, für die das unmittelbare Tätigwerden des Antragstellers innerhalb der nächsten zwölf Monate unbedingt erforderlich sei, sei von existenzieller Bedeutung.
3 Die belangte Behörde wies diesen Antrag mit Bescheid vom 24. Jänner 2024 mit der Begründung ab, dass im Hinblick auf den Unrechtsgehalt der Taten und der Uneinsichtigkeit des Revisionswerbers (sechs einschlägige rechtskräftige Vormerkungen) ein zeitnaher Vollzug der Freiheitsstrafe erforderlich sei. Das Vorbringen im Antrag könne nicht zu einem für ihn günstigen Abwägungsergebnis führen.
4Dagegen erhob der Revisionswerber Beschwerde, in der er wiederum auf seine selbständige Tätigkeit hinwies. Eine unverzügliche Vollstreckung würde ihn massiv und mit einer unbilligen Härte treffen, was einen Aufschub des Strafantrittes nach § 54a StVG (wohl gemeint: § 54a VStG) jedenfalls rechtfertige. Des Weiteren wies der Revisionswerber darauf hin, dass er aufgrund von Panikattacken, Insomnie, Klaustrophobie und eines depressiven Syndroms eine emotional instabile Persönlichkeitsstörung aufweise und daher „defacto“ haftunfähig sei.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (Verwaltungsgericht) die Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es für nicht zulässig.
6In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass es dem Revisionswerber als Geschäftsführer zweier Gesellschaften bzw. Verantwortlicher zweier Bauprojekte möglich sei, sich vertreten zu lassen. Der Revisionswerber sei über lange Strecken des letzten Jahres ortsabwesend gemeldet und auch auf Urlaub gewesen. Zu diesen Zeiten habe er sich ebenfalls nicht um die gegenständlichen Projekte kümmern können. Bei der zu vollziehenden Freiheitsstrafe handle es sich lediglich um 28 Tage. Ebenfalls habe es der Revisionswerber unterlassen, Umstände darzulegen, welche geeignet wären, in unbilliger Weise in seine private Lebensführung einzugreifen. Es lägen keine hinreichenden Gründe vor, den Vollzug aufzuschieben. Im Zusammenhang mit der Behauptung einer Haftunfähigkeit wies das Verwaltungsgericht darauf hin, dass die Überprüfung der Haftfähigkeit nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens im Zusammenhang mit einem Antrag gemäß § 54a VStG sei. Gemäß § 54 VStG sei diese vor dem Vollzug der Freiheitsstrafe bzw. nach den §§ 7 und 10 AnhalteO während der Anhaltung zu überprüfen.
7 Dagegen richtet sich die gegenständliche außerordentliche Revision. In dem vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
8 Nach Art. 133 Abs. 4 BVG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahren zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).
9Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
10Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
11 Der Revisionswerber sieht die Zulässigkeit seiner Revision darin gelegen, dass der Aufschub des Strafvollzugs bereits dann zu erfolgen habe, wenn in die persönliche Lebensführung eingegriffen werde. Fallbezogen würde seine wirtschaftliche Existenz durch den unmittelbaren Vollzug massiv gefährdet bzw. würde auch seine Lebenssituation darunter leiden. Das Verwaltungsgericht habe es zudem unterlassen, sich mit der vorgebrachten Haftunfähigkeit auseinanderzusetzen und entsprechende Feststellungen dazu zu treffen.
12Gemäß § 54a Abs. 1 VStG kann auf Antrag des Bestraften aus wichtigem Grund der Strafvollzug aufgeschoben werden, insbesondere wenn 1. durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe die Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde oder 2. dringende Angelegenheiten, die Angehörige (§ 36a AVG) betreffen, zu ordnen sind.
13Entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Rechtsauffassung, reicht für die Gewährung eines Aufschubs des Strafvollzugs nach § 54a Abs. 1 Z 1 VStG nicht jeglicher Eingriff in die persönliche Lebensführung des Bestraften aus. Eine Entscheidung nach § 54a Abs. 1 VStG ist eine Ermessensentscheidung, wobei die vom Antragsteller geltend gemachten wichtigen Gründe gegen die Strafzwecke abzuwägen sind (vgl. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG 3[2023] § 54a Rz 6; siehe auch zur Vorgängerbestimmung des § 53 Abs. 2 VStG 1950 VwGH 17.5.1988, 87/04/0181). In der ablehnenden Entscheidung sind die hiefür maßgebende Sachverhaltsannahme und die maßgebenden rechtlichen Erwägungen in der Begründung aufzuzeigen (vgl. VwGH 27.1.1982, 81/01/0282; neuerlich VwGH 17.5.1988, 87/04/0181).
14 Die Ausübung des Ermessens geht, sofern weder Ermessensmissbrauch noch Ermessensüberschreitung vorliegt, über die Bedeutung des Einzelfalls nicht hinaus und stellt keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG dar (vgl. etwa VwGH 15.9.2020, Ra 2020/16/0003, mwN).
15 Mit dem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen, dass die Wertungsfragen im angefochtenen Erkenntnis unvertretbar gelöst worden wären und eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge.
16Soweit der Revisionswerber die Zulässigkeit seiner Revision darin erblickt, dass das Verwaltungsgericht sich nicht mit der vorgebrachten Haftunfähigkeit auseinandergesetzt habe, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG eine Revision die Bezeichnung der Rechte zu enthalten hat, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte). Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung er behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich ausgeführt, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. etwa VwGH 18.9.2024, Ra 2024/02/0173, mwN).
17Der Revisionswerber erachtet sich nach dem von ihm formulierten Revisionspunkt in seinem einfachgesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Aufschub des Strafvollzuges gemäß § 54a Abs. 1 Z 1 VStG verletzt. Diese Bestimmung bezieht sich nur auf das Recht auf Haftaufschub, wenn durch den sofortigen Vollzug der Freiheitsstrafe der Erwerbsmöglichkeit des Bestraften oder der notwendige Unterhalt der ihm gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen gefährdet würde. Schon deshalb ist auf das weitere Vorbringen des Revisionswerbers, der Vollzug der Freiheitsstrafe wäre wegen seiner körperlichen Beschwerden gemäß § 54 VStG unzulässig gewesen, fallbezogen nicht weiter einzugehen.
18 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 22. Jänner 2025