JudikaturVwGH

Ra 2023/21/0044 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
31. August 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofrätin Dr. Wiesinger und die Hofrätin Dr. in Oswald als Richter und Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Thaler, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. Jänner 2023, G304 2251792 9/9E, betreffend Festnahme, Anhaltung und Schubhaft (mitbeteiligte Partei: A K, p.A. Jana Zunker, Deserteurs und Flüchtlingsberatung, 1010 Wien, Schottengasse 3a/1/59), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Der Mitbeteiligte, ein marokkanischer Staatsangehöriger, reiste ohne ein Reisedokument unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und begab sich am 27. Oktober 2021 aus Eigenem zur Polizeiinspektion Spielfeld. Um 21:30 Uhr desselben Tages wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes gemäß § 39 FPG festgenommen.

2 Nachdem der Mitbeteiligte am 28. Oktober 2021 um 9:55 Uhr zum Zweck der Prüfung der Voraussetzungen einer Zurückschiebung nach Ungarn von einem Organ der Landespolizeidirektion Steiermark unter Beiziehung eines Dolmetschers einvernommen worden war, setzte die genannte Behörde um 13:16 Uhr das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) per E Mail vom erwähnten Sachverhalt in Kenntnis und teilte mit, dass aufgrund der Angaben des Mitbeteiligten über seine Reiseroute zunächst dessen Zurückschiebung nach Ungarn in Aussicht genommen worden sei, dies aber mangels ausreichender Beweise für einen Aufenthalt in Ungarn nicht möglich sei. Somit so die Landespolizeidirektion Steiermark weiter „ändert sich der Haftgrund am 28.10.2021, 13:00 Uhr, von § 39 FGP [richtig: FPG] auf § 40 BFA VG“.

3 Mit Mandatsbescheid vom 28. Oktober 2021, der dem Mitbeteiligten am selben Tag um 19:00 Uhr ausgehändigt wurde, verhängte das BFA über den Mitbeteiligten gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme.

4 Mit in der Folge unbekämpft rechtskräftig gewordenem Bescheid vom 29. Oktober 2021 erließ das BFA gegen den Mitbeteiligten eine Rückkehrentscheidung und ein auf zwei Jahre befristetes Einreiseverbot. Ein vom Mitbeteiligten dann im Stande der Schubhaft im Mai 2022 gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 4. Juli 2022 abgewiesen. Unter einem wurde gegen den Mitbeteiligten erneut eine Rückkehrentscheidung erlassen.

5 Im Rahmen von Überprüfungen gemäß § 22a Abs. 4 BFA VG stellte das BVwG mit am 23. Februar 2022, am 23. März 2022, am 14. April 2022, am 6. Mai 2022, am 3. Juni 2022, am 29. Juni 2022 und am 21. Juli 2022 mündlich verkündeten Erkenntnissen jeweils das Vorliegen der für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen und die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung fest. Mit am 16. August 2022 mündlich verkündetem Erkenntnis stellte das BVwG dann fest, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen nicht vorlägen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft nicht verhältnismäßig sei. Am selben Tag wurde der Mitbeteiligte aus der Schubhaft entlassen.

6 Mit Schriftsatz vom 22. September 2022 erhob der Mitbeteiligte eine Schubhaftbeschwerde gegen „die Festnahme am 27.10.2021 und die Anhaltung in Administrativ und Schubhaft vom 27.10.2021 bis zum 16.08.2022 (ausgenommen der Tage: 23.02.2022, 23.03.2022, 14.04.2022, 06.05.2022, 03.06.2022, 29.06.2022)“.

7 Mit dem angefochtenen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17. November 2022 erlassenen Erkenntnis vom 25. Jänner 2023 gab das BVwG der Beschwerde hinsichtlich der Festnahme am 27. Oktober 2021, der Anhaltung in Administrativhaft von 27. Oktober 2021, 21:30 Uhr, bis 28. Oktober 2021, 19:00 Uhr, sowie der Anhaltung in Schubhaft von 28. Oktober 2021, 19:00 Uhr, bis 23. Februar 2022 gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 BFA VG iVm § 41 Abs. 1 und § 40 Abs. 4 zweiter Satz BFA VG statt und stellte fest, dass diese Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien (Spruchpunkt A.I.). Hinsichtlich der Anhaltung in Schubhaft von 23. Februar 2022 bis 21. Juli 2022 wies es die Beschwerde gemäß § 22a Abs. 1 Z 2 BFA VG ab und stellte fest, dass sie in diesem Zeitraum rechtmäßig gewesen sei (Spruchpunkt A.II.). Die vom Mitbeteiligten und dem BFA gestellten Anträge auf Kostenersatz wies es gemäß § 35 Abs. 2 und 3 VwGVG ab (Spruchpunkt A.III.). Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das BVwG aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei.

8 Dazu ist schon an dieser Stelle zu erwähnen, dass das BVwG die in Rn. 6 wiedergegebene Anfechtungserklärung dahin deutete, dass der Beschwerdeumfang nur den Zeitraum ab Festnahme am 27. Oktober 2021 bis zur Entscheidung des BVwG über die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 21. Juli 2022 umfasse. Die am 21. Juli 2022 seitens des BVwG getroffene Feststellung der Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Revisionswerbers in Schubhaft sei nämlich in Revision gezogen worden und das diesbezügliche Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (zu Ra 2022/21/0156) anhängig. Deshalb werde so begründete das BVwG seine diesbezügliche Auffassung der Zeitraum vom 21. Juli 2022 bis zur Schubhaftentlassung am 16. August 2022 als vom Beschwerdeumfang ausgenommen angesehen, weil über die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG vom 21. Juli 2022, worauf die darauffolgende Schubhaft bis zu deren Beendigung basiere, noch vom Verwaltungsgerichtshof abgesprochen werde.

9 Gegen Spruchpunkt A.I., soweit damit der Beschwerde in Bezug auf den auf § 40 BFA VG gestützten Teil der Festnahme samt Anhaltung in Administrativhaft am 28. Oktober 2021 von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr und die daran anschließende Anhaltung in Schubhaft bis 23. Februar 2022 stattgegeben wurde, und Spruchpunkt A.III., erkennbar soweit damit der Antrag des BFA auf Zuspruch von Kostenersatz abgewiesen wurde, richtet sich die gegenständliche Amtsrevision des BFA, zu der vom Mitbeteiligten eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde.

10 Die Revision erweist sich unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B VG als unzulässig.

11 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

12 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).

13 Das BVwG erklärte im ersten Teil des Spruchpunktes A.I. des angefochtenen Erkenntnisses die Festnahme des Mitbeteiligten am 27. Oktober 2021 und seine anschließende Anhaltung von 21:30 Uhr bis 28. Oktober um 19:00 für rechtswidrig. Soweit für das gegenständliche Revisionsverfahren von Relevanz, begründete es dies damit, dass dem Mitbeteiligten bis zur Aushändigung des Schubhaftbescheides am 28. Oktober 2021 um 19:00 Uhr die Gründe seiner Festnahme und Anhaltung nicht mitgeteilt worden seien.

14 Diesbezüglich macht das BFA in der Begründung der Zulässigkeit der Amtsrevision nur geltend, dass der Mitbeteiligte erst mit Aushändigung des Schubhaftbescheides darüber „im Bilde“ gewesen sei, erkennbar gestützt auf § 40 Abs. 1 Z 3 BFA VG zur Verfahrenssicherung festgenommen worden zu sein, mache die Festnahme nicht rechtswidrig.

15 Einzuräumen ist, dass das BVwG wie das BFA in der Revision auch richtig aufzeigt nicht nur über den gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA VG in seine sachliche Zuständigkeit fallenden Zeitraum der auf § 40 BFA VG gestützten Anhaltung des Mitbeteiligten am 28. Oktober 2021 von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr, sondern auch über dessen auf § 39 FPG gestützte Festnahme am 27. Oktober 2021 und seine darauf gegründete Anhaltung bis 28. Oktober 2021 um 13:00 Uhr abgesprochen hat, obwohl für eine dagegen gerichtete Maßnahmenbeschwerde gemäß § 82 Abs. 1 Z 1 und 2 FPG das Landesverwaltungsgericht zuständig gewesen wäre (vgl. dazu VwGH 3.9.2015, Ro 2015/21/0025, Pkt. 4. der Entscheidungsgründe). Die insoweit gegebene Unzuständigkeit des BVwG ist fallgegenständlich freilich schon aufgrund des Anfechtungsumfanges der Revision (siehe Rn. 9) nicht aufzugreifen.

16 Sowohl für eine auf § 39 FPG gegründete Festnahme als auch für eine auf § 40 BFA VG gegründete Festnahme ist im Einklang mit den im Verfassungsrang stehenden Normen des Art. 4 Abs. 6 PersFrG und des Art. 5 Abs. 2 EMRK in § 40 Abs. 1 FPG bzw. § 41 Abs. 1 BFA VG vorgesehen, dass jeder Festgenommene ehestens in einer ihm verständlichen Sprache über die Gründe seiner Festnahme zu unterrichten ist.

17 Den vom BFA unbestrittenen Feststellungen des BVwG ist nicht zu entnehmen, dass der Mitbeteiligte, und zwar vor allem nicht nach Änderung des Festnahmegrundes am 28. Oktober 2021 um 13:00 Uhr, über die Gründe seiner Festnahme und Anhaltung unterrichtet wurde. Der Mitbeteiligte wäre aber gemäß § 41 Abs. 1 BFA VG ehestens auch über die (nunmehr geänderten) Gründe der Anhaltung in Administrativhaft zu unterrichten gewesen. Schon vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 5 Abs. 2 EMRK kann sich die Informationspflicht nach § 41 Abs. 1 BFA VG nämlich nicht nur auf eine formal ausgesprochene Festnahme beziehen, sondern gilt für alle Arten der Freiheitsentziehung (vgl. Grabenwarter/Pabel , Europäische Menschenrechtskonvention 7 , § 21 Rz 56; vgl. idZ auch VwGH 18.2.2021, Ra 2021/21/0025, Rn. 23, zur Rechtsschutzfunktion des gemäß § 76 Abs. 6 FPG dem Fremden auszuhändigenden Aktenvermerks bei einer Änderung des Haftgrundes im Sinne der genannten Bestimmung).

18 Wie das BFA in der Revision zutreffend ausführt, war die Anhaltung des Mitbeteiligten aber ab dem Zeitpunkt der Änderung des Festnahmegrundes auf § 40 BFA VG jedenfalls dem BFA zuzurechnen, was auch für diesbezügliche Unterlassungen der Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gilt (siehe § 6 BFA VG; vgl. dazu auch VwGH 25.4.2017, Ro 2016/01/0005, Rn. 11).

19 Dem BVwG ist daher nicht entgegenzutreten, wenn es die Anhaltung des Mitbeteiligten schon deswegen für rechtswidrig erachtete, weil dieser auch bezogen auf den hier verfahrensgegenständlichen Zeitraum der Anhaltung am 28. Oktober 2021 von 13:00 Uhr bis 19:00 Uhr entgegen § 41 Abs. 1 BFA VG nicht ehestens, und zwar wie vor dem Hintergrund von VfGH 29.9.1997, B 3059/96, VfSlg. 14.903, zu ergänzen ist auch nicht im Zuge der Erlassung des Schubhaftbescheides oder aufgrund von dessen Inhalt, über die Gründe der Anhaltung informiert wurde (dazu, dass eine ohne Einhaltung der vergleichbaren Informationspflichten nach § 36 Abs. 1 VStG vorgenommene Festnahme und Anhaltung Rechtswidrigkeit begründen kann, siehe VwGH 12.4.2005, 2003/01/0490).

20 In Bezug auf den Schubhaftbescheid vom 28. Oktober 2021 und die darauf gegründete Anhaltung des Mitbeteiligten in Schubhaft bis 23. Februar 2022 wird in der Amtsrevision unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG geltend gemacht, das BVwG habe in seiner Entscheidung nicht nachvollziehbar begründet, weshalb es die im Schubhaftbescheid ins Treffen geführten, gegen die Anordnung bloß gelinderer Mittel sprechenden Gründe als unzureichend befunden habe.

21 Das BFA begründete in seinem Schubhaftbescheid vom 28. Oktober 2021 die von ihm angenommene Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1 und 9 FPG im Wesentlichen damit, dass der Mitbeteiligte über keinen Wohnsitz und auch über keine sozialen oder familiären Bindungen in Österreich verfüge, weshalb in Verbindung mit seinem „bisherigen fremdenrechtlichen Fehlverhalten und der damit einhergehenden Unzuverlässigkeit“ damit zu rechnen sei, er werde untertauchen. Zudem habe er in seiner Einvernahme vor der Landespolizeidirektion Steiermark angegeben, nach Frankreich oder Italien weiterreisen zu wollen. Gelindere Mittel seien zur Erreichung des Schubhaftzweckes nicht ausreichend. So komme die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit aufgrund der finanziellen Situation des Mitbeteiligten von vorneherein nicht in Betracht und es könne mit einer Anordnung, in bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, oder einer periodischen Meldeverpflichtung in Anbetracht „der persönlichen Lebenssituation und des bisherigen Verhaltens“ des Mitbeteiligten nicht das Auslangen gefunden werden.

22 Der Verwaltungsgerichtshof hat schon mehrfach zum Ausdruck gebracht, dass unzureichend begründete Schubhaftbescheide rechtswidrig und demzufolge nach Maßgabe der erhobenen Schubhaftbeschwerde für rechtswidrig zu erklären sind. Nicht jeder Begründungsmangel bewirkt jedoch Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, sondern nur ein wesentlicher Mangel. Das ist ein solcher, der zur Folge hat, dass die behördliche Entscheidung in ihrer konkreten Gestalt die konkret verhängte Schubhaft nicht zu tragen vermag (VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0004, Rn. 18, mit Verweis auf VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, Rn. 10 und 13, mwN).

23 Ob ein im Sinn des Gesagten wesentlicher Begründungsmangel vorliegt, ist stets eine Frage des Einzelfalls, daher nicht generell zu klären und als einzelfallbezogene Beurteilung grundsätzlich nicht revisibel, wenn diese Beurteilung auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage in vertretbarer Weise vorgenommen wurde (erneut VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0004, nunmehr Rn. 19, mit Verweis auf VwGH 5.10.2017, Ro 2017/21/0007, nunmehr Rn. 14).

24 Das ist hier der Fall, weil wie das BVwG vertretbar angenommen hat sich das BFA im Schubhaftbescheid nicht ausreichend mit der Möglichkeit der Verhängung eines gelinderen Mittels auseinandergesetzt hat.

25 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bedarf es zwar umso weniger einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel, je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung (hier zunächst: das Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenen Maßnahme) zu sichern, auf der Hand liegt. Umgekehrt ist das Begründungserfordernis aber größer, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt (vgl. VwGH 1.9.2022, Ra 2021/21/0113, Rn. 11, mit Hinweis auf VwGH 2.8.2013, 2013/21/0008, Punkt 5.3.4. der Entscheidungsgründe, und VwGH 19.11.2020, Ra 2020/21/0264, Rn. 18).

26 Das BFA begründete im Schubhaftbescheid das Vorliegen von Fluchtgefahr damit, der über keine sozialen Bindungen in Österreich verfügende Mitbeteiligte habe bei seiner Einvernahme angegeben, letztlich nach Italien oder Frankreich weiterreisen zu wollen. Allerdings durfte daraus vom BFA noch nicht zwingend abgeleitet werden, mit diesen nur im Zuge der Befragung zu seiner Reiseroute getätigten Angaben habe der Mitbeteiligte zum Ausdruck gebracht, sich gegenteiligen behördlichen Anordnungen widersetzen zu wollen. Den unbestrittenen Feststellungen zufolge hatte sich der Mitbeteiligte nämlich zeitnah nach seiner Einreise von sich aus mit der Intention, eine Unterkunftsmöglichkeit zu erhalten, zu einer Polizeiinspektion begeben und ermöglichte durch die Vorlage einer Reisepasskopie auch die Feststellung seiner Identität.

27 In Anbetracht dieser besonderen Umstände war es fallgegenständlich somit nicht unvertretbar anzunehmen, dass es einer näheren Begründung dafür bedurft hätte, aus welchen konkreten Gründen im vorliegenden Fall etwa mit der Anordnung, in bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, in Verbindung mit der Auferlegung einer engmaschigen periodischen Meldeverpflichtung nicht das Auslangen hätte gefunden werden können (vgl. VwGH 19.3.2013, 2011/21/0260).

28 Die Revision war daher zur Gänze mangels Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG mit Beschluss zurückzuweisen.

29 Bei diesem Ergebnis kann dahingestellt bleiben, ob in Bezug auf die Bekämpfung des Spruchpunktes A.III. des hier angefochtenen Erkenntnisses eine (echte) Klaglosstellung eingetreten ist, weil der Verfassungsgerichtshof mit dem Erkenntnis VfGH 28.6.2023, E 745/2023, über Beschwerde des Mitbeteiligten nicht nur Spruchpunkt A.II., sondern auch den die Kostenersatzanträge des BFA und des Mitbeteiligten abweisenden Spruchpunkt A.III. dem uneingeschränkten Wortlaut des Spruchs zufolge: zur Gänze aufhob.

Wien, am 31. August 2023

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