Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede und Hofrätin Mag. I. Zehetner als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des A B in M, vertreten durch Mag. Wolfgang Kleinhappel, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Rabensteig 8/3a, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Juli 2023, W183 22611341/2E, betreffend Vorschuss zur besonderen Hilfeleistung gemäß § 23a GehG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Justiz), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber steht in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und ist als Justizwachebeamter tätig.
2Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 2022 wurde der Antrag des Revisionswerbers auf Geltendmachung von Ansprüchen nach § 23a Gehaltsgesetz 1956 (GehG) betreffend Schmerzengeld in Höhe von € 480, abgewiesen.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die vom Revisionswerber dagegen erhobene Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG sei nicht zulässig.
4 Das Bundesverwaltungsgericht traf dazu insbesondere folgende Feststellungen:
„...
1.2. Der Beschwerdeführer wurde am 20.11.2021 im Zuge einer Amtshandlung gegen einen Dritten durch diesen verletzt. Aufgrund dieses Unfalles war er ab dem 20.11.2021 bis einschließlich 26.11.2021 im Krankenstand und in diesem Zeitraum erwerbsunfähig.
1.3. Der Unfall wurde von der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisbahnen und Bergbau (BVAEB) mit Schreiben vom 03.12.2021 als Dienstunfall gewertet.
1.4. Der Beschwerdeführer machte keinen Ersatz für Heilungskosten geltend.“
5 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht soweit vorliegend relevantaus, der Revisionswerber sei ab dem 20. bis einschließlich 26. November 2021 im „Krankenstand“ und somit insgesamt sieben Kalendertage an der Ausübung seines Dienstes verhindert gewesen. Da die Erwerbsfähigkeit des Revisionswerbers insgesamt nur sieben Kalendertage gemindert gewesen sei, mangle es gegenständlich an der in § 23a Z 3 GehG geforderten Minderung der Erwerbsfähigkeit durch mindestens zehn Kalendertage.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
7 In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren erstattete die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
8 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit unter anderem vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Revisionswerbers durch den gegenständlichen Dienstunfall mit der Dauer seines Krankenstandes gleichgesetzt und es daher unterlassen, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zum Grad und zur tatsächlichen Dauer der Minderung seiner Erwerbsfähigkeit - unter Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens - zu treffen.
9 Bereits mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig und berechtigt.
10§ 23a GehG in der Fassung BGBl. I Nr. 60/2018 lautet:
„ Besondere Hilfeleistungen
§ 23a. Der Bund hat als besondere Hilfeleistung die vorläufige Übernahme von Ansprüchen zu erbringen, wenn
1. eine Beamtin oder ein Beamter
a) einen Dienstunfall gemäß § 90 Abs. 1 des Beamten Kranken-und Unfallversicherungsgesetzes B KUVG, BGBl. Nr. 200/1967, oder
b)einen Arbeitsunfall gemäß § 175 Abs. 1 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, in unmittelbarer Ausübung ihrer oder seiner dienstlichen Pflichten erleidet, und
2. dieser Dienst- oder Arbeitsunfall eine Körperverletzung oder eine Gesundheitsschädigung zur Folge hatte und
3. der Beamtin oder dem Beamten dadurch Heilungskosten erwachsen oder ihre oder seine Erwerbsfähigkeit voraussichtlich durch mindestens zehn Kalendertage gemindert ist.“
11Zu der in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Rechtsfrage der Auslegung des Begriffs der „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ gemäß § 23a Z 3 GehG und, ob eine solche mit der Dauer des Krankenstandes gleichgesetzt werden könne, genügt es, auf die in diesem Zusammenhang ergangene ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Danach ist der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit grundsätzlich abstrakt nach dem Umfang aller verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens zu beurteilen und in Beziehung zu allen Erwerbsmöglichkeiten - und nicht nur den tatsächlich genützten - zu setzen. Die Erwerbsfähigkeit eines Menschen ist nämlich seine Fähigkeit, sich unter Ausnützung der Arbeitsmöglichkeiten, die sich nach seinen gesamten Kenntnissen sowie körperlichen und geistigen Fähigkeiten auf dem ganzen Gebiet des Erwerbslebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen (vgl. VwGH 21.3.2023, Ro 2021/12/0005, mwN).
12 Indem das Bundesverwaltungsgericht die Minderung der Erwerbsfähigkeit mit der Dauer des Krankenstandes gleichsetzte und es aufgrund dieser unrichtigen Rechtsansicht unterließ, entsprechende Sachverhaltsfeststellungen zum Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit und der dadurch bedingten tatsächlichen Dauer der Minderung der Erwerbsfähigkeit unter Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens (vgl. etwa VwGH 24.3.2004, 2003/12/0050)zu treffen, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit einem sekundären Feststellungsmangel, sodass es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtwidrigkeit aufzuheben war (vgl. erneut VwGH 21.3.2023, Ro 2021/12/0005, mwN).
13 Auf die weiteren, in der Zulässigkeitsbegründung der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen war vor diesem Hintergrund nicht mehr einzugehen.
14Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 2. Dezember 2024