JudikaturVwGH

Ro 2023/12/0051 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
04. September 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. a Nussbaumer Hinterauer sowie Hofrat Mag. Cede, Hofrätin Mag. I. Zehetner, Hofrätin Dr. Holzinger und Hofrätin Mag. Dr. Pieler als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Strasser, über die Revision des Mag. M R in W, vertreten durch Mag. Andreas Greger, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Ziegelofengasse 29/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 31. Mai 2023, W122 2256850 1/5E, betreffend Besoldungsdienstalter (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Oberstaatsanwaltschaft Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber steht als Richter des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund.

2 Mit Bescheid des Präsidenten des Oberlandesgerichtes Wien vom 21. Dezember 2006 wurde für den Revisionswerber mit Wirksamkeit vom 1. Juli 2006 der Vorrückungsstichtag festgelegt. Dabei wurden unter anderem Zeiten einer Tätigkeit des Revisionswerbers als Rechtsanwaltsanwärter im Zeitraum von 14. August 1999 bis 5. Juli 2000 und von 3. Mai 2001 bis 19. Dezember 2001 sowie als Rechtsanwalt im Zeitraum von 10. Jänner 2002 bis 30. Juni 2005 zur Gänze angerechnet. Verbleibende Zeiten im Ausmaß von sechs Jahren und sechs Monaten wurden im Ausmaß von einem Jahr und sechs Monaten angerechnet.

3Mit Schreiben vom 23. Juli 2019 beantragte der Revisionswerber die bescheidmäßige Erhöhung seines Besoldungsdienstalters gemäß § 169h Abs. 1 Gehaltsgesetz 1956 (GehG) um Zeiten einer Tätigkeit oder eines Studiums. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Oberstaatsanwaltschaft Wien vom 18. Mai 2022 abgewiesen.

4 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 31. Mai 2023 wies das Bundesverwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für zulässig.

5 In seiner Entscheidungsbegründung stellte das Bundesverwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 31. August 2000 und von 1. Mai 2001 bis 9. Jänner 2002 als Rechtsanwaltsanwärter tätig gewesen. Von 10. Jänner 2002 bis 30. Juni 2005 habe er den Beruf eines Rechtsanwaltes ausgeübt. Von 10. Oktober 2005 bis 30. Juni 2006 sei er in der Rechtsabteilung eines Unternehmens tätig gewesen. Seit 1. Juli 2006 stehe der Revisionswerber in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund. Dabei sei er zunächst als Richteramtsanwärter im Sprengel des Oberlandesgerichtes Wien tätig gewesen. Mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 2007 sei der Revisionswerber auf die Planstelle eines Staatsanwaltes der Staatsanwaltschaft Wien und ab 1. Jänner 2012 auf jene eines Leiters einer staatsanwaltschaftlichen Gruppe der Staatsanwaltschaft Wien ernannt worden. Seit 1. Jänner 2023 sei der Revisionswerber als Richter beim Landesgericht für Strafsachen Wien tätig.

6 Als Rechtsanwaltsanwärter sei der Revisionswerber im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 13. August 1999 in geringem Umfang mit dem Strafrecht befasst gewesen. Er habe Haft und Hauptverhandlungen verrichtet, letztere sowohl vor Bezirks als auch vor Landesgerichten. Er habe auch Schriftsätze bzw. Rechtsmittelausführungen verfasst. Sein Haupttätigkeitsbereich sei das Zivilrecht gewesen. Seine Aufgaben seien die Beratung von Klienten, die juristische Recherche, das Verfassen von Klagen und Schriftsätzen aller Art sowie das Vertreten von Klienten vor Gericht, insbesondere im Rahmen mündlicher Streit und Berufungsverhandlungen gewesen. Die vom Revisionswerber betreuten Fälle hätten auch umfangreiche und komplexe Rechtsprobleme auf dem Gebiet des gesamten Zivilrechts, vor allem im Bestandrecht sowie in familienrechtlichen Angelegenheiten umfasst. Auch habe er zahlreiche exekutionsrechtliche Verfahren geführt. Außerhalb seiner gerichtsbezogenen Tätigkeit sei der Revisionswerber mit Vertragserrichtungen insbesondere auf dem Gebiet des Franchise und Liegenschaftsrechts sowie mit dem Ausverhandeln derartiger Verträge befasst gewesen. Er habe Akten bearbeitet, indem er den Fall aufbereitet, Gespräche mit Mandanten geführt, Schriftsätze verfasst und an Verhandlungen teilgenommen habe.

7 Als Richteramtsanwärter sei der Revisionswerber zunächst von 3. Juli bis 13. August 2006 der Staatsanwaltschaft Wien zugeteilt gewesen. Dabei habe seine Tätigkeit in der Erstellung von Entwürfen für Erledigungen, der Wahrnehmung von Sitzungsvertretungen beim Landesgericht für Strafsachen Wien, der Bearbeitung des staatsanwaltlichen Akteneinlaufs, der Aufarbeitung von primär strafrechtlichen Rechtsfragen sowie der Durchführung von Recherchetätigkeiten bestanden. Von 14. August bis 24. September 2006 sei der Revisionswerber beim Landesgericht für Strafsachen Wien in der „UR Abteilung“ (heute: „HR Abteilung“) tätig gewesen. Dem Bezirksgericht Donaustadt sei der Revisionswerber im Zeitraum 25. September bis 21. November 2006 in Außerstreit , Familien Bestand und allgemeinen Streitsachen zugeteilt gewesen. Er habe Entscheidungsentwürfe geschrieben, an Verhandlungen mitgewirkt, Auskünfte am Amtstag erteilt, den Akteneinlauf bearbeitet, Parteianträge protokolliert, Rechtsfragen aufgearbeitet und Recherchen durchgeführt. Schließlich sei der Revisionswerber bei seiner letzten Zuteilung als Richteramtsanwärter von 22. November bis 31. Dezember 2006 wiederum bei der Staatsanwaltschaft Wien tätig gewesen.

8 Im Rahmen seiner rechtlichen Beurteilung wies das Bundesverwaltungsgericht darauf hin, für die Frage, ob dem Revisionswerber die Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 13. August 1999 zur Gänze angerechnet werden könne, komme es darauf an, ob diese Berufstätigkeit zu jener als Richteramtsanwärter, die er in den ersten sechs Monaten seines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübt habe, vor dem Hintergrund des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG als gleichwertig anzusehen sei. Maßgeblich dafür sei, ob die mit den jeweiligen Berufstätigkeiten verbundenen Aufgaben einander zu mindestens 75% entsprächen und eine erforderliche Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene vorliege.

9 Im Hinblick auf das Kriterium, wonach die Aufgaben der anzurechnenden Tätigkeit zu mindestens 75% jenen Aufgaben zu entsprechen hätten, mit denen der Revisionswerber in den ersten sechs Monaten seines öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses überwiegend betraut gewesen sei, legte das Bundesverwaltungsgericht zunächst in einem „organisatorisch funktionellen Vergleich“ dar, dass sich die aus dem jeweiligen Berufsbild eines Rechtsanwaltes bzw. eines Richters oder Staatsanwaltes ergebende Zielsetzung maßgeblich unterscheide. Bei Richtern und Staatsanwälten habe die korrekte Vollziehung der unter „demokratischer Rückkoppelung“ vom Parlament beschlossenen Gesetze als einziger Maßstab zu gelten. Demgegenüber liege es in der Natur der Rechtsanwaltstätigkeit, das für den jeweiligen Mandanten beste rechtliche Ergebnis zu erzielen. Dabei stünden nicht der objektiv rechtsrichtige Gesetzesvollzug, sondern die Interessen des Mandanten im Vordergrund.

10 Im Rahmen eines „materiell inhaltlichen Vergleichs“ der konkret vom Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter einerseits und als Richteramtsanwärter andererseits ausgeübten Tätigkeiten kam das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass das Zivilrecht und das Strafrecht „grundverschiedene Rechtsmaterien“ seien. Ihre Methoden, Zielrichtungen und Zwecke seien unterschiedlich, und auch die „jeweiligen Verfahren“ seien unterschiedlich konzipiert und bedürften konkreter facheinschlägiger Kenntnisse und Erfahrungen.

11 Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes ergebe sich daher unter Einbeziehung sowohl „organisatorisch funktioneller“ als auch „materiellinhaltlicher“ Vergleichsaspekte, dass der Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter im maßgeblichen Zeitraum „jedenfalls mehr als erheblich, nahezu überwiegend“ andere Aufgaben ausgeübt habe als jene, mit denen er in seiner Zeit als Richteramtsanwärter betraut gewesen sei. Im Ergebnis liege daher keine Gleichwertigkeit der Tätigkeiten iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa GehG vor.

12 Die Zulassung der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG begründete das Bundesverwaltungsgericht damit, dass höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu fehle, „ob und inwieweit Vordienstzeiten als Rechtsanwaltsanwärter im Vergleich zur Tätigkeit als Richteramtsanwärter iSd § 12 Abs. 2 Z 1a GehG als gleichwertig“ anzusehen seien.

13 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

14 Das Bundesverwaltungsgericht führte ein Verfahren gemäß § 30a Abs. 4 bis 6 VwGG durch, in dessen Rahmen die Bundesministerin für Justiz eine Revisionsbeantwortung erstattete und die Abweisung der Revision beantragte.

15 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

16Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision führt der Revisionswerber das Fehlen einschlägiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 12 Abs. 2 Z 1a GehG ins Treffen. Mit diesem Vorbringen erweist sich die vorliegende Revision als zulässig; sie ist auch berechtigt.

17§ 12 Gehaltsgesetz 1956 (GehG), BGBl. Nr. 54, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 153/2020, lautet:

„Besoldungsdienstalter

§ 12.

(1) Das Besoldungsdienstalter umfasst die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten, soweit die Dauer all dieser Zeiten das Ausmaß eines allfälligen Vorbildungsausgleichs übersteigt.

(2) Als Vordienstzeiten auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen sind die zurückgelegten Zeiten

1. in einem Dienstverhältnis zu einer Gebietskörperschaft oder zu einem Gemeindeverband eines Mitgliedstaats des Europäischen Wirtschaftsraums, der Türkischen Republik oder der Schweizerischen Eidgenossenschaft;

1a. einer gleichwertigen Berufstätigkeit oder eines gleichwertigen Verwaltungspraktikums; eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist gleichwertig, wenn

a) bei Verwendung auf einem Arbeitsplatz, für dessen Ausübung außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist, die rechtmäßige Ausübung der Berufstätigkeit unter dieser Berufsbezeichnung erfolgt ist oder erfolgt wäre,

b) bei Verwendung als Lehrperson die Beamtin oder der Beamte als Lehrkraft an einer öffentlichen Schule oder an einer Privatschule mit Öffentlichkeitsrecht tätig war oder

c) die mit der Berufstätigkeit oder dem Verwaltungspraktikum verbundenen Aufgaben

aa) zu mindestens 75% den Aufgaben entsprechen, mit denen die Beamtin oder der Beamte betraut ist, und

bb) für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist;

für den Vergleich ist der Arbeitsplatz maßgebend, mit dem die Beamtin oder der Beamte in den ersten sechs Monaten des öffentlich rechtlichen Bundesdienstverhältnisses überwiegend betraut ist;

2. in einem Dienstverhältnis zu einer Einrichtung der Europäischen Union oder zu einer zwischenstaatlichen Einrichtung, der Österreich angehört;

3. in denen die Beamtin oder der Beamte aufgrund des bis 30. Juni 2016 in Geltung gestandenen Heeresversorgungsgesetzes, BGBl. Nr. 27/1964, oder des HeeresentschädigungsgesetzesHEG, BGBl. I Nr. 162/2015, Anspruch auf eine Beschädigten oder Versehrtenrente entsprechend einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 90% hatte, sowie

4. der Leistung

a) des Präsenz oder Ausbildungsdienstes nach dem Wehrgesetz 2001WG 2001, BGBl. I Nr. 146/2001, des Zivildienstes nach dem Zivildienstgesetz 1986ZDG, BGBl. Nr. 679/1986, eines Dienstes, aufgrund dessen der Beamte nach § 12c Abs. 2 ZDG nicht mehr zur Ableistung des Zivildienstes heranzuziehen ist, sowie die Zeit der Tätigkeit als Fachkraft der Entwicklungshilfe im Sinne des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983, oder

eines den in lit. a angeführten Diensten vergleichbaren militärischen Dienstes oder zivilen Ersatzpflichtdienstes in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums, in der Türkischen Republik oder in der Schweizerischen Eidgenossenschaft.

(3) Über die in Abs. 2 angeführten Zeiten hinaus sind Zeiten der Ausübung einer nützlichen Berufstätigkeit oder eines nützlichen Verwaltungspraktikums bis zum Ausmaß von insgesamt höchstens zehn Jahren als Vordienstzeiten anrechenbar. Eine Berufstätigkeit oder ein Verwaltungspraktikum ist nützlich, insoweit eine fachliche Erfahrung vermittelt wird, durch die

1. eine fachliche Einarbeitung auf dem neuen Arbeitsplatz überwiegend unterbleiben kann oder

2. ein erheblich höherer Arbeitserfolg durch die vorhandene Routine zu erwarten ist.

...“

18Zu der hier maßgeblichen Bestimmung des § 12 Abs. 2 Z 1a GehG ist in den Gesetzesmaterialien auszugsweise Folgendes ausgeführt (ErläutRV 461 BlgNR 27. GP, 9 f):

„Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 8. Mai 2019, Rechtssache C 24/17, festgestellt, dass eine zeitliche Beschränkung der Anrechnung von einschlägigen Vordienstzeiten aus der Privatwirtschaft nicht mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit vereinbar ist. Die entsprechenden dienstrechtlichen Bestimmungen wurden deshalb bereits mit der 2. Dienstrechts Novelle 2019, BGBl. I Nr. 58/2019, überarbeitet. Nach Inkrafttreten dieser Änderungen hat der Europäische Gerichtshof seine Rechtsprechung allerdings mit Urteil vom 10. Oktober 2019, Rechtssache C 703/17, dahingehend präzisiert, dass seiner Rechtsprechung ein eigenständiger, unionsrechtlicher Begriff der Einschlägigkeit zugrunde zu legen ist. Demzufolge ist durch einen Vergleich der Tätigkeiten zwischen identischer bzw. gleichwertiger Berufserfahrung einerseits und schlicht nützlicher Berufserfahrung andererseits zu unterscheiden. Während die Anrechnung identischer bzw. gleichwertiger Vorerfahrung zur Sicherstellung der Arbeitnehmerfreizügigkeit unionsrechtlich geboten ist, ist dies bei schlicht nützlicher Vorerfahrung nicht der Fall. Diese Rechtsprechung wurde mit Urteil vom 23. April 2020, Rechtssache C 710/18, weiter gefestigt und ausgeführt.

Vor diesem Hintergrund ist eine neuerliche Anpassung der dienstrechtlichen Bestimmungen erforderlich, die bislang einen von dieser Rechtsprechung abweichenden Begriff der Einschlägigkeit vorgesehen hatten. Zukünftig sollen daher alle Zeiten einer gleichwertigen Berufstätigkeit oder eines gleichwertigen Verwaltungspraktikums unbeschränkt zur Gänze angerechnet werden. Im Sinne dieser Rechtsprechung kommt es dabei auf die inhaltliche Vergleichbarkeit der Tätigkeiten an und nicht etwa auf deren monetäre Bewertung. Dem Begriff der Berufstätigkeit wird dabei dasselbe weite Begriffsverständnis zugrunde gelegt wie bisher in § 12 Abs. 3 GehG bzw. § 26 Abs. 3 VBG.

...

In der Praxis ist bei der Anrechnung von Vordienstzeiten in einem Beruf ohne gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung sofern es sich nicht um eine (Vertrags )Lehrperson handelteine Auflistung aller Aufgaben bzw. Tätigkeiten zu erstellen, die der Arbeitsplatz im Bundesdienst umfasst und deren prozentueller Anteil an der Gesamttätigkeit festzustellen (wenn dies nicht bereits im Rahmen eines Verfahrens zur Bewertung des Arbeitsplatzes geschehen ist; maßgeblich ist der Arbeitsplatz, mit dem die oder der Bedienstete in den ersten sechs Monaten überwiegend betraut war). Im nächsten Schritt ist festzustellen, ob die einzelnen Tätigkeiten bzw. Aufgaben auch im Rahmen der früheren Berufstätigkeit erbracht wurden und gegebenenfalls in welchem Ausmaß (wenn z.B. eine Tätigkeit 30% des Arbeitsplatzes im Bundesdienst umfasst, aber diese Tätigkeit im Rahmen der früheren Berufstätigkeit nur in einem geringen Ausmaß von rund 10% ausgeübt wurde, kann hinsichtlich dieser Tätigkeit nur von einer Übereinstimmung zu 10% ausgegangen werden). Eine Gleichwertigkeit nach Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa GehG bzw. § 26 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa VBG liegt vor, wenn die Summe der Übereinstimmungen für alle aufgelisteten Tätigkeiten bzw. Aufgaben mindestens 75% beträgt (quantitative Gleichwertigkeit). Ebenso ist nach § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. bb GehG bzw. § 26 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. bb VBG festzustellen, ob für die übereinstimmenden Tätigkeiten dieselbe fachliche Vorbildung erforderlich ist (qualitative Gleichwertigkeit). Bei Vorliegen einer quantitativen und qualitativen Gleichwertigkeit sind die Zeiten zur Gänze zu berücksichtigen.“

19Aus den zitierten Materialien ergibt sich, dass der Regelung des § 12 Abs. 2 Z 1a GehG die Absicht zugrunde liegt, den Anforderungen des Unionsrechts, wonach „identische bzw. gleichwertige Berufserfahrung“ als Vordienstzeiten voll anzurechnen sind, nachzukommen. Im Gesetzeswortlaut kommt dies betreffend Berufstätigkeiten, für die nicht außerhalb eines öffentlichen Dienstverhältnisses eine im Inland gesetzlich geschützte Berufsbezeichnung vorgesehen ist (lit. a) und abgesehen vom Lehrberuf (lit. b), dadurch zum Ausdruck, dass die Bestimmung (lit. c) ohne weitere Einschränkungen auf „Aufgaben“ abstellt, die einander zu mindestens 75% „entsprechen“ müssen und dass für die Besorgung dieser entsprechenden Aufgaben eine Ausbildung auf gleicher fachlicher Ebene erforderlich ist.

20 Vor diesem Hintergrund ist zunächst davon auszugehen, dass für den anzustellenden Vergleich der Vortätigkeit und der in den ersten sechs Monaten des öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses ausgeübten Berufstätigkeit (zur Maßgeblichkeit dieses Zeitraumes siehe die ausdrückliche Anordnung in § 12 Abs. 2 Z 1a letzter Satz GehG) auf den Inhalt der jeweils im Einzelfall konkret wahrgenommenen Aufgaben abzustellen ist. Eine lediglich abstrakte und allenfalls ausschließlichanhand des jeweiligen „Berufsbildes“ orientierte Beurteilung kommt vor dem Hintergrund der geltenden Rechtslage nicht in Betracht. So mag es zwar für die Berufe des Richters und des Rechtsanwaltes gesetzlich normierte Berufsbilder geben; allerdings ist § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG gegenüber den abstrakt auf bestimmte Berufe abstellenden Tatbeständen des § 12 Abs. 2 Z 1a lit. a und b GehG als Auffangtatbestand konzipiert, dessen Anwendbarkeit nicht auf jeweils einen Beruf (mit einem inhaltsgleichen abstrakten Berufsbild), der gleichermaßen im öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis und davor ausgeübt wurde, beschränkt ist.

21 Fallbezogen ist somit die Frage zu klären, ob jene Aufgaben, die der Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 13. August 1999 wahrgenommen hat, jenen, die er in den ersten sechs Monaten seines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses, sohin im Zeitraum von 1. Juli bis 31. Dezember 2006 als Richteramtsanwärter wahrzunehmen hatte, iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG gleichwertig sind. Dafür ist es gemäß § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa GehG erforderlich, dass die Aufgaben, die der Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter wahrgenommen hat, zu mindestens 75%, jenen „entsprechen“, mit denen der Revisionswerber in dem genannten Zeitraum als Richteramtsanwärter betraut war.

22 Nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis hat der Revisionswerber im Zeitraum von 1. Juli bis 31. Dezember 2006 als Richteramtsanwärter im Wesentlichen folgende Aufgaben wahrgenommen: Erstellung von Entwürfen für Erledigungen und Wahrnehmung von Sitzungsvertretungen, Bearbeitung des Akteneinlaufs, Aufarbeitung von Rechtsfragen, Durchführung von Recherchetätigkeiten, Erteilung von Rechtsauskünften, Bearbeitung des Akteneinlaufs und Protokollierung von Anträgen. Als Rechtsanwaltsanwärter war der Revisionswerber nach den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichtes im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 13. August 1999 im Wesentlichen mit folgenden Aufgaben betraut: Verrichtung von Verhandlungen, Verfassen von Schriftsätzen, juristische Recherche, Vertragsverhandlung und errichtung, Aktenbearbeitung und Führung von Mandantengesprächen.

23 Bei dem anzustellenden Aufgabenvergleich kommt es entgegen der vom Bundesverwaltungsgericht vertretenen Rechtsansicht zunächst nicht darauf an, in welcher konkreten Rechtsmaterie (Strafrecht oder Zivilrecht) der Revisionswerber jeweils tätig geworden ist. Es mag zwar zutreffen, dass sich strafrechtliche Regelungen auf der einen und zivilrechtliche Regelungen auf der anderen Seite hinsichtlich ihrer Zielrichtung und ihres Zwecks in gewisser Hinsicht unterscheiden. Allerdings ist nicht zu sehen, dass die Methoden der Rechtsanwendung in diesen Rechtsbereichen in einem solchen Ausmaß voneinander abwichen, dass die Rechtsanwendung in dem einen Rechtsbereich nicht der Rechtsanwendung in dem anderen Rechtsbereich entspräche.

24 Dass die Rechtsanwendung als Rechtsanwaltsanwärter in einem Rechtsgebiet der Rechtsanwendung in jedem anderen Gebiet qualitativ „gleichwertig“ ist, zeigt sich auch daran, dass unabhängig davon, in welchen Rechtmaterien die erforderliche Berufserfahrung überwiegend erworben wurde der Rechtsanwaltsanwärter nach Absolvierung der Rechtsanwaltsprüfung und bei Erfüllung der sonstigen VoraussetzungenEintragung in die Liste der Rechtsanwälte gemäß § 8 Abs. 1 RAO das Recht zur berufsmäßigen Parteienvertretung in allen gerichtlichen und außergerichtlichen sowie in allen öffentlichen und privaten Angelegenheiten und somit in sämtlichen Rechtsbereichen erwirbt.

25Dass der Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter überwiegend im Bereich des Zivilrechts tätig war, während er in den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit als Richteramtsanwärter vornehmlich mit dem Strafrecht befasst war, steht somit einer Qualifikation der jeweils wahrgenommenen Aufgaben als einander entsprechend iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. aa GehG nicht entgegen.

26 Weiters ist auch nicht davon auszugehen, dass die Aufgaben eines Rechtsanwaltsanwärters und eines Richteramtsanwärters einander aufgrund der unterschiedlichen Funktionen, die der Berufsgruppe der Richter bzw. Staatsanwälte auf der einen Seite und jener der Rechtsanwälte auf der anderen Seite abstrakt im rechtsstaatlichen Gefüge zukommen, nicht entsprächen. Zwar trifft es zu, dass wie das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt hat Richter „dem Gesetz“ und „der Objektivität“ verpflichtet sind, während Rechtsanwälte in erster Linie die Interessen ihrer Mandanten wahrzunehmen haben. Allerdings erfordert sowohl die Tätigkeit eines Richters als auch jene eines Rechtsanwaltes jeweils die Kenntnis der objektiven Rechtslage und damit einhergehend die Durchführung entsprechender Recherchetätigkeiten. Sowohl Richter als auch Rechtsanwälte haben zudem jeweils eine vollständige Erhebung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes und dessen „objektive“ rechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Aspekte vorzunehmen. Der Richter hat diese Beurteilung sodann der von ihm zu treffenden „objektiv richtigen“ Entscheidung zu Grunde zu legen; für den Rechtsanwalt ist eine „objektiv richtige“ Beurteilung Voraussetzung dafür, dass er eine Risikoabschätzung eines (allfälligen) Rechtsstreites vornehmen und in der Folge seine Argumentation (z.B. in den einzubringenden Anträgen und Schriftsätzen) auch unter Vorwegnahme möglicher Gegenargumente im Interesse seines Mandanten gestalten kann.

27 Dass bei dem Aufbau der entsprechenden Argumentation und der Abfassung von Schriftstücken durch einen Richter auf der einen Seite und einen Rechtsanwalt auf der anderen Seite der Fokus bzw. das verfolgte Ziel ein jeweils unterschiedliches ist, erweist sich damit für die unterschiedslos zugrunde liegende Tätigkeit des Konzeptionierens und der schriftlichen Ausarbeitung einer juristischen Argumentationsführung als von bloß untergeordneter Bedeutung und führt nicht dazu, dass nicht von einander entsprechenden Aufgaben iSd § 12 Abs. 1 Z 1a lit. c GehG auszugehen wäre.

28Bei den verfahrensgegenständlich zu beurteilenden Aufgaben eines Rechtsanwaltsanwärters und Richteramtsanwärters ist zusätzlich zu bedenken, dass diese ohnehin nicht eigenverantwortlich tätig werden, sondern den Anordnungen ihrer jeweiligen Vorgesetzten unterliegen (vgl. § 21b RAO bzw. §§ 24 Abs. 2 und 58b RStDG). Auch daraus ergibt sich, dass jeweils deren Aufgabe insbesondere die praktische Anwendung der rechtswissenschaftlichen Methoden zur Ermittlung und Beurteilung von konkreten Sachverhalten ist.

29 Dass aus Unterschieden in der den betreffenden Berufsgruppen innerhalb des Rechtsstaates zugewiesenen konkreten Funktionen (z.B. als Richter oder Rechtsanwalt) nicht abzuleiten ist, dass die zu bewältigenden Aufgaben als einander nicht entsprechend anzusehen sind, gilt sowohl für die das materielle Recht betreffenden Aspekte der jeweiligen Aufgaben, als auch im Hinblick auf die anzuwendenden Verfahrensrechte. Auch in dieser Hinsicht erfordert sowohl die Tätigkeit des Rechtsanwaltes als auch jene des Richters auf Basis entsprechender Recherchetätigkeitenumfassende Kenntnisse der maßgeblichen Rechtslage und sodann die Anwendung dieser Rechtskenntnis in der konkreten Situation. Dass sich der Zweck dieser Tätigkeiten insoweit in gewisser Hinsicht unterscheidet, als der Richter „objektiv richtig“ zu handeln hat, während der Rechtsanwalt zu prüfen hat, ob das Vorgehen des Richters den Verfahrensvorschriften entspricht, und weiters darauf zu achten hat, dem von ihm vertretenen Rechtsstandpunkt mit prozessualen Mitteln möglichst effektiv zum Durchbruch zu verhelfen, vermag vor dem Hintergrund der dargestellten inhaltlichen Gleichartigkeit der zugrunde liegenden Aufgaben jedoch nicht zu bewirken, dass die Anwendung des Prozessrechts in konkreten Situationen und auf konkrete Sachverhalte als solche einander nicht iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG entsprächen.

30 Fallbezogen ist somit davon auszugehen, dass jene Aufgaben, die der Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter im Zusammenhang mit der Vorbereitung oder Führung von gerichtlichen Verfahren wahrgenommen hat, wie die Führung von Mandantengesprächen und die Aktenbearbeitung, die juristische Recherche, die Vorbereitung und Verrichtung von Verhandlungen sowie das Verfassen von Schriftsätzen, den von ihm als Richteramtsanwärter wahrgenommenen Aufgaben der Erstellung von Entwürfen für Erledigungen und der Wahrnehmung von Sitzungsvertretungen, der Bearbeitung des Akteneinlaufs, der Aufarbeitung von Rechtsfragen, der Durchführung von Recherchetätigkeiten sowie der Erteilung von Rechtsauskünften und Protokollierung von Anträgen entsprechen.

31 Weiters ist auch im Hinblick auf die vom Revisionswerber als Rechtsanwaltsanwärter wahrgenommenen „außergerichtlichen“ Aufgaben des Ausverhandelns und Errichtens von Verträgen anzunehmen, dass diese den von ihm als Richteramtsanwärter im maßgeblichen Zeitraum wahrgenommenen Aufgaben entsprechen. Auch diese Aufgaben erfordern nämlich zunächst entsprechende Recherchetätigkeiten, eine darauf aufbauende Kenntnis der objektiven Rechtslage und deren Anwendung auf den zuvor umfassend erhobenen jeweiligen Sachverhalt. Dass fallbezogen die juristischen Überlegungen nicht in einem Schriftsatz, sondern in Gestalt eines Vertrages niedergeschrieben worden sind, ändert nichts daran, dass die zugrunde liegenden Aufgaben jenen entsprechen, die der Revisionswerber als Richteramtsanwärter im maßgeblichen Zeitraum zu erfüllen hatte.

32 Damit ergibt sich aber, dass sämtliche Aufgaben, die der Revisionswerber bei den im angefochtenen Erkenntnis festgestellten, von ihm im Zeitraum von 1. Juli 1996 bis 13. August 1999 als Rechtsanwaltsanwärter erbrachten Tätigkeiten wahrgenommen hat, jenen entsprechen, die er als Richteramtsanwärter in den ersten sechs Monaten seines öffentlichrechtlichen Dienstverhältnisses zu bewältigen hatte. Da weiters für beide Aufgaben auch mit dem Abschluss eines Studiums der Rechtswissenschaften eine Ausbildung „auf gleicher fachlicher Ebene“ iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c sublit. bb GehG erforderlich ist, erweisen sich die Aufgaben des Revisionswerbers als Richteramtsanwärter in diesem Zeitraum jenen als Rechtsanwaltsanwärter als „gleichwertig“ iSd § 12 Abs. 2 Z 1a lit. c GehG.

33Da das Bundesverwaltungsgericht demgegenüber die Gleichwertigkeit der in Rede stehenden Aufgaben verneinte, hat es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

34Von der in der Revision beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte in diesem Fall gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.

35Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 4. September 2024