JudikaturVwGH

Ra 2023/07/0171 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
13. Januar 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Mag. Haunold und die Hofrätin Dr. Holzinger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Bamer, über die Revision des C K in R, vertreten durch Dr. Simon Brüggl, Rechtsanwalt in 6370 Kitzbühel, Rathausplatz 2/II, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 10. Juli 2023, LVwG 2023/38/1578 1, betreffend eine Angelegenheit nach dem Tiroler Höfegesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Der Revisionswerber ist Eigentümer eines in der Gemeinde R gelegenen geschlossenen Hofes. Mit Schreiben vom 5. April 2023 beantragte er die Genehmigung zur Abtrennung des Grundstücks Nr. 279/3, KG R, von seinem geschlossenen Hof nach dem Tiroler Höfegesetz (THG).

2 Mit Bescheid vom 9. Mai 2023 wies die Bezirkshauptmannschaft Kitzbühel (belangte Behörde) diesen Antrag gemäß §§ 5 und 9 THG ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der Abtrennung erhebliche landeskulturelle Bedenken entgegenstünden. Der Revisionswerber habe das verfahrensgegenständliche Grundstück Nr. 279/3 verkauft. Die Käuferin sei auch Eigentümerin eines an das verfahrensgegenständliche Grundstück angrenzenden Grundstückes (Nr. 279/2), das mit einem Wohngebäude bebaut sei. Überdies habe der Revisionswerber der Käuferin auf einem anderen, dem abzuschreibenden Grundstück ebenfalls angrenzenden Grundstück (Nr. 280) ein „Bauverbot“ auf die Dauer von 24 Jahren eingeräumt. Nach Ansicht der Behörde könne der Eindruck entstehen, die Käuferin wolle sich „freie Sicht“ ausgehend von ihrem bebauten Grundstück behalten und denke allenfalls gar nicht an eine Bebauung des verfahrensgegenständlichen Grundstückes. Dadurch würden der heimischen Bevölkerung zwei potentielle Bauplätze entzogen. Der Revisionswerber habe mit der Gemeinde R am 23. Mai (gemeint wohl: März) 2015 einen Raumordnungsvertrag abgeschlossen. Gemäß diesem Vertrag sollten die Grundstücke Nr. 279/3 und 280 dem sozialen Wohnbau zukommen; dafür solle das Grundstück Nr. 279/2 frei verkäuflich sein. Das Grundstück Nr. 279/2 sei bereits an die auch nunmehrige Käuferin verkauft worden. Im Ergebnis werde die Käuferin als Eigentümerin des bebauten Grundstücks Nr. 279/2 auch Eigentümerin des direkt angrenzenden Grundstückes Nr. 279/3 sein und noch dazu von einem Bauverbot auf dem weiters angrenzenden Grundstück Nr. 280 profitieren. Dies sei keinesfalls im Interesse der örtlichen Raumplanung gelegen und widerspreche dem Ziel des abgeschlossenen Raumordnungsvertrages. Der konkrete Wohnbedarf heimischer Interessenten werde dadurch ignoriert. Deshalb stünden der beantragten Abschreibung erhebliche landeskulturelle Bedenken entgegen.

3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol (Verwaltungsgericht).

4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet ab. Die Revision erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

5 In seiner Entscheidungsbegründung wies das Verwaltungsgericht unter Berufung auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 26.4.1995, 94/07/0134) darauf hin, dass der Begriff der landeskulturellen Bedenken Aspekte der Bodenreform umfasse. Der Verfassungsgerichtshof habe Bodenreform „definiert“ als Aktionen auf dem Gebiet der Landeskultur, durch die die gegebenen Bodenbesitz , Benützungs und Bewirtschaftungsverhältnisse den geänderten sozialen oder wirtschaftlichen Bedürfnissen entsprechend einer planmäßigen Neuordnung oder Regelung unterzogen würden. Demnach zählten auch Fragen der Raumordnung zu den Agenden der Bodenreform und es sei bei der Frage, ob landeskulturelle Bedenken vorlägen, auch auf die Ziele der Raumordnung abzustellen.

6 Vor diesem Hintergrund führte das Verwaltungsgericht ins Treffen, dass mit dem am 23. März 2015 abgeschlossenen Raumordnungsvertrag drei Grundstücke (Nr. 279/2, 279/3 und 280, alle KG R) einer Verbauung zugänglich gemacht werden sollten, wobei zwei Grundstücke (Nr. 279/3 und 280) dem sozialen Wohnbau zukommen sollten. Das Grundstück Nr. 279/2 sollte frei verkäuflich sein. In der Folge habe der Revisionswerber das Grundstück Nr. 279/2 an die nunmehrige Käuferin veräußert. Weiters habe er aber auch das Grundstück Nr. 279/3 an diese verkauft und überdies zu deren Gunsten ein Bauverbot für das Grundstück Nr. 280 für 24 Jahre eingeräumt. Damit sei entgegen den Intentionen des Raumordnungsvertrages nicht nur das Grundstück Nr. 279/2 an eine Privatperson veräußert worden, sondern es komme faktisch zu einer „Vergrößerung des Gartens“ für das Grundstück Nr. 279/2 durch das Grundstück Nr. 279/3 und darüber hinaus auch noch zu einer Freihaltung des Grundstücks Nr. 280 für die Dauer von 24 Jahren. Der geschlossene Kaufvertrag „konterkariere“ damit den Raumordnungsvertrag zur Gänze. Die Schaffung eines „Zusatzgartens“ für ein Einfamilienhaus rufe „massive landeskulturelle Bedenken“ hervor. Die vorliegenden landeskulturellen Bedenken seien auch erheblich. 1.600 m 2 mögliches Bauland würden einer Nutzung für den sozialen Wohnbau entzogen, während im Gegenzug für ein Einzelhaus ein „Zusatzgarten von faktisch 1.600 m 2 “ geschaffen werde.

7 Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung verwies das Verwaltungsgericht darauf, dass der Sachverhalt unbestritten festgestanden habe und es rein um die Klärung von Rechtsfragen gehe.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein Vorverfahren durchgeführt, in dessen Rahmen die belangte Behörde eine Revisionsbeantwortung erstattete und die kostenpflichtige Zurück , in eventu Abweisung der Revision beantragte.

9 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.

11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12 Zur Begründung der Zulässigkeit seiner Revision beanstandet der Revisionswerber zunächst das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung und macht geltend, nach der näher zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei Zweck einer mündlichen Verhandlung nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör, sondern auch die mündliche Erörterung strittiger Rechtsfragen. Weiters bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht habe im Zusammenhang mit dem Raumordnungsvertrag vom 23. März 2015 auch neue wesentliche Sachverhaltsfeststellungen getroffen.

13 Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht nur dann ungeachtet eines Parteienantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen. Art. 6 Abs. 1 EMRK bzw. Art. 47 GRC stehen einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht, oder wenn das Vorbringen des Revisionswerbers angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung kann auch in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (vgl. zum Ganzen VwGH 9.3.2023, Ra 2022/07/0052, Rn. 30, mwN).

14 Fallbezogen hat der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision nicht dargetan, dass und gegebenenfalls welche Rechtsfragen besonderer Komplexität, bezüglich derer nicht auf bestehende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zurückgegriffen habe werden können, zu lösen gewesen wären. Folglich zeigt er vor dem Hintergrund der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht auf, dass die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, wonach auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung habe verzichtet werden können, unvertretbar gewesen wäre.

15 Im Übrigen erweist sich die Behauptung des Revisionswerbers, das Verwaltungsgericht habe „neue wesentliche Sachverhaltsfeststellungen“ im Zusammenhang mit dem Raumordnungsvertrag vom 23. März 2015 getroffen, als nicht nachvollziehbar. Zwar hat das Verwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis anders als die belangte Behörde im Bescheid vom 9. Mai 2023 den Raumordnungsvertrag vom 23. März 2023 auszugsweise wörtlich wiedergegeben. Dass damit aber Feststellungen getroffen worden wären, die inhaltlich über die dem Bescheid vom 9. Mai 2023 zu Grunde liegenden Feststellungen hinausgehen, hat der Revisionswerber nicht dargetan und dies ist auch nicht ersichtlich, zumal sich sowohl der Bescheid vom 9. Mai 2023 als auch das angefochtene Erkenntnis tragend darauf stützen, dass mit dem abgeschlossenen Raumordnungsvertrag zwei Grundstücke dem sozialen Wohnbau hätten zukommen sollen, und diese beiden Grundstücke nunmehr als Freifläche dem Immobilienmarkt entzogen würden, was erheblichen landeskulturellen Bedenken begegnete. Auch in dieser Hinsicht liegt somit keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor.

16 Weiters moniert der Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision einen Begründungsmangel und macht geltend, das Verwaltungsgericht habe nicht ausreichend begründet, weshalb es die von ihm angenommenen landeskulturellen Bedenken als „erheblich“ angesehen habe. Abgesehen davon, dass es der Revisionswerber unterlassen hat, in der Zulässigkeitsbegründung seiner Revision die Relevanz des geltend gemachten Begründungsmangels darzulegen (zum diesbezüglichen Erfordernis siehe etwa VwGH 12.11.2024, Ra 2024/07/0203, Rn. 14, mwN), erweist sich dieser Einwand vor dem Hintergrund der Begründung des angefochtenen Erkenntnisses auch als nicht nachvollziehbar. Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Erkenntnis ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es die bestehenden landeskulturellen Bedenken als erheblich ansieht, weil „1.600 m 2 mögliches Bauland“ der Nutzung für den sozialen Wohnbau entzogen und als „Zusatzgarten“ für ein Einzelhaus genutzt werden. Dass diese Beurteilung als solche unvertretbar wäre, macht der Revisionswerber nicht geltend. Auch insoweit wird daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgezeigt.

17 Schließlich behauptete der Revisionswerber, das Verwaltungsgericht wäre verpflichtet gewesen, eine Abwägung zwischen öffentlichen Interessen und den Interessen des Revisionswerbers vorzunehmen und es sei auf sein diesbezügliches Beschwerdevorbringen in dem angefochtenen Erkenntnis nicht eingegangen, weshalb auch insoweit ein Begründungsmangel vorliege. Auch insoweit unterlässt es der Revisionswerber jedoch, die Relevanz des von ihm geltend gemachten Begründungsmangels aufzuzeigen (vgl. neuerlich zur Notwendigkeit einer entsprechenden Relevanzdarstellung VwGH 12.11.2024, Ra 2024/07/0203, Rn. 14, mwN).

18 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

19 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 13. Jänner 2025

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