JudikaturVwGH

Ra 2022/05/0099 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. September 2022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Revisionssache des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde L, vertreten durch die Onz Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schwarzenbergplatz 16, gegen das am 27. Jänner 2022 verkündete und am 22. Februar 2022 ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, LVwG AV 196/001 2021, betreffend Erteilung einer Baubewilligung (mitbeteiligte Partei: R GmbH in W, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L. vom 7. Juli 2017 wurde dem Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei gemäß § 23 Abs. 1 und 2 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) die baubehördliche Bewilligung für die Errichtung eines Doppelwohnhauses mit straßenseitiger Einfriedung auf einer näher bezeichneten Liegenschaft der KG L. erteilt. Mit Bescheiden des Gemeindevorstandes der Marktgemeinde L. (Amtsrevisionswerber) vom 17. Oktober 2017 wurden die dagegen von zwei Nachbarn erhobenen Berufungen als unbegründet abgewiesen; die dagegen wiederum erhobenen Beschwerden wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) mit Erkenntnis vom 4. Juli 2019 als unbegründet ab. Mit Beschlüssen des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Oktober 2019, Ra 2019/05/0281, und vom 29. Juli 2021, Ra 2019/05/0282, wurden die von den Nachbarn gegen das Erkenntnis des LVwG vom 4. Juli 2019 erhobenen außerordentlichen Revisionen zurückgewiesen. Die dem Rechtsvorgänger der mitbeteiligten Partei erteilte baubehördliche Bewilligung zur Errichtung des Doppelwohnhauses ist somit rechtskräftig.

2 Am 7. Februar 2020 ersuchte die mitbeteiligte Partei den Bürgermeister der Marktgemeinde L. um Erteilung der baubehördlichen Bewilligung für einen Umbau des Doppelwohnhauses; den unbestrittenden Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis zufolge handelt es sich bei dem beabsichtigten Umbau im Wesentlichen um Änderungen beim Eingangsportal und der Raumaufteilung der beiden Doppelhaushälften, die Schaffung eines weiteren Zuganges zu TOP 2, den Umbau bzw. Abbruch bestehender Treppen, den Umbau bestehender Dachbodenräume samt künftiger Nutzung als weitere Wohn bzw. Nebenräume und eine Erhöhung der Zahl bzw. Verlegung der Fenster. Den ebenfalls unbestrittenen Ausführungen des angefochtenen Erkenntnisses zufolge umfasst das Änderungsbauvorhaben gegenüber der ursprünglichen Baubewilligung weder eine Veränderung der Kubatur, der Seitenabstände zu den Nachbarn und der bewilligten Gebäudehöhe, noch eine Veränderung des bewilligten Verwendungszweckes als Wohngebäude.

3 Mit Bescheid des Bürgermeisters der Marktgemeinde L. vom 13. August 2020 wurde der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Erteilung der Baubewilligung für den Umbau des Doppelwohnhauses abgewiesen. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde aus, das Gebäude diene zur Unterbringung einer größeren Personenanzahl, denen keine selbstständigen Wohnungen zur Verfügung stünden, und sei daher nicht als Wohngebäude, sondern als „sonstige Einrichtung“ zu qualifizieren. Eine solche sei nur zulässig, wenn sie dem täglichen Bedarf der im betroffenen Gebiet wohnenden Bevölkerung dient. Ein solcher Bedarf sei nicht erkennbar und das Bauvorhaben daher in der für das Baugrundstück geltenden Widmung „Bauland-Wohngebiet“ widmungswidrig.

4 Die dagegen erhobene Berufung der mitbeteiligten Partei wies der Amtsrevisionswerber mit Bescheid vom 24. November 2020 als unbegründet ab und begründete diese Entscheidung zusammengefasst damit, es sei geplant, in dem Wohngebäude bis zu dreißig Personen im Rahmen einer Wohngemeinschaft unterzubringen. Das Vorliegen einer Wohnung setze die Führung eines „eigenen Haushaltes“ voraus, wovon im Falle einer Wohngemeinschaft, bei der den Nutzern eines Gebäudes jeweils ein Zimmer samt kleinen Nebenräumen und Gemeinschaftseinrichtungen zugewiesen seien, keine Rede sein könne. Die Nutzungseinheiten würden nicht über alle Ausstattungsmerkmale verfügen und der Flächenwidmungsplan die Anzahl der Wohneinheiten auf zwei begrenzen. Durch den beantragten Umbau wäre das rechtskräftig bewilligte Gebäude nicht mehr als Wohngebäude im Sinne des § 16 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 2014 zu qualifizieren. Das Bauvorhaben sei daher nicht mit der Widmung „Bauland Wohngebiet“ vereinbar.

5 Die mitbeteiligte Partei erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde an das LVwG, in der sie auf das Wesentliche zusammengefasst geltend machte, die mitbeteiligte Partei habe ausnahmslos betont, dass eine reine Wohnnutzung durch mehrere Personen im Rahmen einer häuslichen Wohngemeinschaft in einem Wohngebäude vorgesehen sei. Es seien zwei Wohnungen in einem Wohngebäude geplant, dessen Zweck überwiegend in der Deckung von Wohnbedürfnissen liege. Die Anzahl der sich im Gebäude regelmäßig befindlichen Personen sei baurechtlich irrelevant.

6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG der Beschwerde nach Einholung des Gutachtens eines bautechnischen Amtssachverständigen und Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge, erteilte der mitbeteiligten Partei die Baubewilligung für den beantragten (näher beschriebenen) Umbau des Doppelwohnhauses und erlegte dieser Verfahrenskosten in näher bezeichneter Höhe auf (Spruchpunkte 1. und 2.). Zudem sprach das LVwG aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt 3.).

7 Begründend führte das LVwG nach Darstellung des beantragten Bauvorhabens dazu zusammengefasst aus, die ursprüngliche Baubewilligung für das Doppelwohnhaus, das umgebaut werden solle, umfasse lediglich Wohnzwecke und die mitbeteiligte Partei habe keine Änderung dieses Verwendungszweckes angestrebt. Die NÖ BauO 2014 stelle für Wohnungen Mindestanforderungen auf (Verweis auf § 4 Z 32a und § 47 Abs 1 leg.cit.), beschränke aber weder deren Größe, etwa durch eine Höchstanzahl von Räumen, noch schließe sie Wohnzwecke ab einer gewissen Größe der baulichen Einheit aus. Die Mindestanforderungen an eine Wohneinheit würden nicht mehr als zweifach vorliegen, weshalb kein Verstoß gegen die Widmung „Bauland-Wohngebiet“ mit dem Zusatz „maximal zwei Wohneinheiten“ vorliege. Da im Verfahren auch sonst keine Hindernisse nach § 20 Abs. 1 NÖ BauO 2014 hervorgekommen seien, sei die beantragte Baubewilligung zu erteilen gewesen.

8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vorbringt (Verweis auf VwGH 20.9.2012, 2010/06/0037, zu einem Erstaufnahmezentrum für Asylwerber), da der Begriff des Wohnens auch „mit der Haushaltsführung nach allgemeinem Verständnis“ verbunden sei. Diesem Kriterium habe das LVwG zu Unrecht keine Beachtung geschenkt; unter Zugrundelegung der Angaben der mitbeteiligten Partei sei das verfahrensgegenständliche Gebäude nicht als Wohngebäude zu qualifizieren. Darüber hinaus macht die Amtsrevision fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage geltend, ob ein Gebäude, in dem bis zu dreißig Personen in Form einer „Wohngemeinschaft“ untergebracht seien, als im „Bauland - Wohngebiet“ zulässiges Wohngebäude zu qualifizieren sei.

9 Die Revision ist unzulässig.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 29.6.2022, Ra 2022/05/0120, mwN).

14 In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret auf die vorliegende Rechtssache bezogen darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 22.12.2021, Ra 2020/06/0180, mwN).

15 Die Revision rügt in ihren Zulässigkeitsgründen zunächst unter Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 20. September 2012, 2010/06/0037, ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Der Begriff „Wohnen“ sei nicht nur mit der Unterkunft, sondern auch mit der Haushaltsführung nach allgemeinem Verständnis verbunden. „Unter Zugrundlegung der Angaben der mitbeteiligten Partei“ diene das verfahrensgegenständliche Gebäude nicht der Haushaltsführung.

16 Mit dieser unkonkreten Behauptung wird zum einen schon nicht dargelegt, inwiefern und aus welchen Gründen eine „Haushaltsführung nach allgemeinem Verständnis“ im vorliegenden Fall nicht möglich sein sollte. Zum anderen ging es in dem vom Amtsrevisionswerber genannten Fall zu 2010/06/0037 nicht wie vorliegend um die Errichtung bzw. den Umbau eines Gebäudes zu Wohnzwecken, sondern nach dem dort auch in dieser Form beantragten Verwendungszweck um die Errichtung eines Erstaufnahmezentrums für Asylwerber. Weder ist die dort bezughabende Rechtslage im Bundesland Burgenland mit der niederösterreichischen Rechtslage vergleichbar (vgl. etwa § 4 Z 32a und § 47 Abs 1 NÖ BauO 2014), noch ist der dort zu Grunde liegende Sachverhalt mit dem Sachverhalt des Revisionsfalles, in dem der Bauwille des Projektwerbers unbestritten schon im ursprünglichen Bewilligungsverfahren und auch im nunmehrigen Verfahren zur Abänderung der Baubewilligung durchgehend auf die Verwendung des Gebäudes ausschließlich zu Wohnzwecken gerichtet war, vergleichbar. Darauf hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang, dass es sich nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes beim Baubewilligungsverfahren um ein Projektgenehmigungsverfahren handelt, in dem das in den Einreichplänen und sonstigen Unterlagen dargestellte Projekt zu beurteilen ist, wobei der in den Einreichplänen und den Baubeschreibungen zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend ist. In diesem Verfahren kommt es daher nicht darauf an, welcher tatsächliche Zustand besteht oder ob die Bauausführung tatsächlich anders erfolgt, als im beantragten Projekt angegeben ist, noch kommt es darauf an, ob die Absicht zu vermuten ist, dass das Projekt anders errichtet oder verwendet werden soll als eingereicht. Im Fall einer nicht bewilligten Ausführung oder Verwendung des Projektes wäre gegebenenfalls mit baupolizeilichen Aufträgen und Strafen vorzugehen. Angesichts der alleinigen Maßgeblichkeit der Einreichunterlagen kann im Baubewilligungsverfahren eine eventuell illegale Ausführung oder zukünftige Verwendung keine Rolle spielen (vgl. für viele VwGH 21.2.2022, Ra 2022/06/0013, 0014, mwN). Das Zulässigkeitsvorbringen der Revision enthält keinerlei Auseinandersetzung mit dieser - im angefochtenen Erkenntnis zutreffend angeführten - Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

17 Zum weiteren Vorbringen in den Zulässigkeitsgründen, es fehle Rechtsprechung zu der Frage, ob ein Gebäude, „in dem bis zu 30 Personen in Form einer ‚Wohngemeinschaft‘ untergebracht sind“ als im Bauland Wohngebiet nach § 16 Abs. 1 Z 1 NÖ ROG 2014 zulässiges Wohngebäude zu qualifizieren sei, ist Folgendes festzuhalten:

18 Die Voraussetzungen für die Erhebung einer außerordentlichen Revision fehlen auch dann, wenn sich das Verwaltungsgericht auf eine klare Rechtslage stützen kann. Ist die Rechtslage nach den in Betracht kommenden Normen klar und eindeutig, dann liegt keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG vor, und zwar selbst dann nicht, wenn zu einer der anzuwendenden Normen noch keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ergangen ist (vgl. etwa VwGH 14.6.2022, Ra 2022/05/0036, mwN).

19 Der Ausführung des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, wonach das verfahrensgegenständliche Doppelhaus zwei Wohneinheiten beeinhaltet, weshalb ein Verstoß gegen die für das Baugrundstück bestehende Widmung „Bauland Wohngebiet“ mit dem Zusatz „maximal zwei Wohneinheiten“ (vgl. dazu § 16 Abs. 1 Z 1 und Abs. 5 dritter Unterabsatz Niederösterreichisches Raumordnungsgesetz 2014 NÖ ROG 2014) nicht vorliege, tritt der Amtsrevisionswerber nicht entgegen. Die Frage, ob eine konkrete Raumgruppe eine Wohneinheit im Sinn der genannten Bestimmung des NÖ ROG 2014 darstellt, unterliegt dabei grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes; eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. etwa VwGH 2.3.2021, Ra 2018/05/0222, mwN). Derartiges wird in der Revision wie erwähnt weder aufgezeigt, noch ist es ersichtlich. Eine Beschränkung der maximalen Anzahl an Bewohnern einer Wohneinheit ist der vom Amtsrevisionswerber ins Treffen geführten Bestimmung des § 16 NÖ ROG 2014 aber nach deren eindeutigem Wortlaut nicht zu entnehmen; auch mit dem genannten Zulässigkeitsvorbringen wird daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung für den Revisionsfall nicht aufgeworfen.

20 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 30. September 2022

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