JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0195 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
10. Dezember 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Pollak sowie die Hofrätinnen Dr. Leonhartsberger und Dr. in Gröger als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, über die Revision des C F in S, vertreten durch die Wetzl Pfeil Partner Rechtsanwälte GmbH in 4400 Steyr, Stadtplatz 20 22/1/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 10. November 2021, LVwG 152980/10/RK/FE, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Steyr; weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Stadt Steyr hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 5. Jänner 2021 wurde dem Revisionswerber „als Eigentümer“ einer baubewilligungspflichtigen baulichen Anlage („Gaststätte samt angebautem Schutzdach“) gemäß § 49 Oö. Bauordnung 1994 (Oö. BauO 1994) aufgetragen, diese auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG H befindliche Anlage binnen sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides zu beseitigen.

2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab (mit der Maßgabe, dass die Beseitigungsfrist an die Erlassung des Erkenntnisses gebunden werde) und erklärte eine Revision für unzulässig.

3 Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, die gegenständliche bauliche Anlage sei rückführbar auf ein Ansuchen eines Rechtsvorgängers des Revisionswerbers vom 14. November 1979 um baubehördliche Genehmigung eines fahrbaren Würstelstandes samt zerlegbarem Vorbau. Grundeigentümer der Liegenschaft sei die Stadt S. Der ursprüngliche Würstelstand habe eine Grundfläche von ca. 44 m² beansprucht. Nunmehr, nach umfangreichen An , Zu und Umbauten, die jeweils ohne Bewilligung durchgeführt worden seien, ergebe sich ein Ausmaß des gesamten Gebäudes von mindestens 185 m². Es handle sich nun um ein Gebäude, dem ostseitig ein Baukörper mit einer Größe von etwa 12,5 x 8 m angebaut und in den Gebäudebestand voll integriert worden sei. Weiters sei ein Zubau in Form eines Küchenbereichs und ein weiterer Zubau als überdachter Sitzplatz ausgeführt worden. Bereits im Antragszeitpunkt wäre zur Errichtung eines Würstelstandes samt zerlegbarem Vorbau eine Bewilligung erforderlich gewesen; eine solche sei nie erteilt worden. Im Jahr 1980 sei dem Rechtsvorgänger des Revisionswerbers die Beschlussfassung des Gemeinderats mitgeteilt worden, dass der Würstelstand einschließlich zerlegbarem Vorbau gegen jederzeitigen Widerruf ohne Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung toleriert würde. Auch sei mitgeteilt worden, dass die Erteilung einer Baubewilligung nicht möglich wäre.

4 Der aktuelle Flächenwidmungsplan sehe für das Grundstück die Widmung „Grünfläche mit besonderer Widmung“, Widmung „GZ Grünzug landschaftsgestaltende bzw. gliedernde Maßnahmen, von Bebauung frei zu halten“ vor.

5 Rechtlich folgerte das Verwaltungsgericht, dass bereits der ursprüngliche Würstelstand eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne baubehördliche Genehmigung gewesen sei. Der bewilligungslose Zustand habe bis zum Zeitpunkt des angefochtenen Erkenntnisses durchgehend bestanden. Eine nachträgliche Baubewilligung sei aufgrund der Grünland-Widmung nicht möglich. Ein Superädifikat liege „eindeutig, sachverständig untermauert, nicht vor“, die Erfüllung des Gebäudebegriffs könne nicht zweifelhaft sein. Eine allfällige Abtrennbarkeit von Gebäudeteilen sei nicht gegeben. Es handle sich letztlich vollends um einen Schwarzbau.

6 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 15. März 2023, E 10/2022 7, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie in der Folge über nachträglichen Antrag des Revisionswerbers dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7 Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision eingebracht. Zur Begründung ihrer Zulässigkeit bringt der Revisionswerber vor, das Verwaltungsgericht sei von näher genannter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wem ein baupolizeilicher Abbruchauftrag erteilt werden dürfe, abgewichen. Das Verwaltungsgericht habe festgestellt, das betroffene Grundstück stehe im Eigentum der Stadt S und bei der zu beseitigenden baulichen Anlage handle es sich um kein Superädifikat. Demnach hätte der Revisionswerber eine in fremdem Eigentum stehende bauliche Anlage zu beseitigen. Gemäß § 49 Oö. BauO 1994 dürfe aber ausschließlich dem Eigentümer der abzubrechenden baulichen Anlage ein baupolizeilicher Abbruchauftrag erteilt werden.

8 Sowohl die Oberösterreichische Landesregierung als auch die belangte Behörde sahen ausdrücklich von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung ab.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

9 Die Revision ist in Anbetracht ihres Zulässigkeitsvorbringens zulässig. Sie ist auch begründet.

10 § 49 der Oö. Bauordnung 1994, LGBl. Nr. 66/1994 in der maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 70/1998, lautet auszugsweise:

§ 49

Bewilligungslose bauliche Anlagen

(1) Stellt die Baubehörde fest, daß eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne Baubewilligung ausgeführt wird oder bereits ausgeführt wurde, hat sie unabhängig von § 41 dem Eigentümer der baulichen Anlage mit Bescheid aufzutragen, entweder nachträglich innerhalb einer angemessen festzusetzenden Frist die Baubewilligung zu beantragen oder die bauliche Anlage innerhalb einer weiters festzusetzenden angemessenen Frist zu beseitigen und gegebenenfalls den vorigen Zustand wiederherzustellen. Die Möglichkeit, nachträglich die Baubewilligung zu beantragen, ist dann nicht einzuräumen, wenn nach der maßgeblichen Rechtslage eine Baubewilligung nicht erteilt werden kann.

[...] “

11Gemäß § 49 Abs. 1 der Oö BauO 1994 ist der Eigentümer der baulichen Anlage Adressat eines baupolizeilichen Auftrages (vgl. VwGH 30.9.1997, 97/05/0029). Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft generell die Verpflichtung zur Beseitigung eines rechtswidrigen Baus den jeweiligen Eigentümer des Bauwerks, unabhängig davon, wer den bauordnungswidrigen Zustand herbeigeführt hat. Die Verpflichtung zur Befolgung eines rechtskräftigen Abbruchauftrages trifft aufgrund der dinglichen Wirkung eines solchen Auftrages ebenfalls den jeweiligen Eigentümer der vom Auftrag umfassten Baulichkeiten (vgl. VwGH 6.4.2023, Ra 2023/05/0046, mwN und der Anmerkung, dass dort das Vorliegen eines Superädifikats nicht vorgebracht worden sei).

12 Das Verwaltungsgericht hat im angefochtenen Erkenntnis einerseits festgestellt, dass Grundeigentümer der gegenständlichen Liegenschaft die Stadt S als Alleineigentümerin sei. Es handle sich um öffentliches Gut. Andererseits hat es im Rahmen der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, dass ein Superädifikat „eindeutig“ nicht vorliege.

13Grundsätzlich fällt ein auf einem Grundstück errichtetes Bauwerk als Zugehör gemäß § 297 ABGB in das Eigentum des Grundeigentümers nach dem Grundsatz „superficies solo cedit“. Hat aber das Bauwerk ein anderer als der Grundeigentümer errichtet und ist es nicht für die Dauer bestimmt, liegt ein Superädifikat vor und ist der Bauauftrag an den Eigentümer des Superädifikats zu erteilen. Wesentlich für das Vorliegen eines Superädifikats ist das Fehlen der Absicht des Erbauers, dass das Bauwerk stets (d.h. für seine ganze natürliche Lebensdauer) auf diesem fremden Grundstück bleiben soll. Maßgeblich ist dabei der aus der Bauweise, der Art der Benutzung oder der Rechtsgrundlage der Errichtung erkennbare Zweck. Die maßgebliche Absicht tritt im Allgemeinen durch das äußere Erscheinungsbild des Bauwerkes hervor. Sie kann aber auch aus anderen Umständen erschlossen werden, z.B. aus den Rechtsverhältnissen, die zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer bestehen. Bei Bauten, die auf fremdem Grund gleich einem auf Dauer errichteten Gebäude in fester und solider Bauweise ausgeführt sind, muss sich die erforderliche Absicht der nicht ständigen Belassung des Gebäudes durch ein von vornherein zeitlich begrenztes, vom Grundeigentümer eingeräumtes Grundbenützungsrecht objektivieren lassen. Das Fehlen der Belassungsabsicht muss bereits zu Beginn der Bauführung objektiv in Erscheinung treten. In Belassungsabsicht errichtete Bauwerke werden unabhängig von der Bauweise unselbständige Bestandteile der Liegenschaft (vgl. VwGH 24.1.2013, 2012/06/0157, Pkt. 3.3, mwN).

14 Wie die Revision zutreffend aufzeigt, lassen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts, dass kein Superädifikat vorliege, eine weitere Begründung des Verwaltungsgerichts, wieso trotz des Grundsatzes „superficies solo cedit“ der Revisionswerber Adressat des Beseitigungsauftrages gemäß § 49 Oö. BauO 1994 ist, vermissen. In einem Fall wie diesem, in dem die Baulichkeit nicht auf dem Grundeigentum des Verpflichteten steht, hätte es daher jedenfalls einer Begründung bedurft, weshalb der Revisionswerber und nicht die Grundeigentümerin Eigentümer der baulichen Anlage ist, sodass der Bauauftrag zu Recht an ihn ging (vgl. auch VwGH 5.11.2015, 2013/06/0244).

15Ein Begründungsmangel führt dann zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, wenn durch diesen Mangel die Rechtsverfolgung durch die Partei oder die nachprüfende Kontrolle durch die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts maßgeblich beeinträchtigt wird (vgl. etwa VwGH 4.10.2024, Ra 2022/05/0091, mwN). Im Hinblick auf die Unvollständigkeit und Unklarheit der Begründung des Verwaltungsgerichts zu den Eigentumsverhältnissen eine andere Begründung könnte für den Revisionswerber zu einem günstigeren Ergebnis führen erweist sich das angefochtene Erkenntnis als nicht nachvollziehbar.

16Das angefochtenen Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

17Die beantragte mündliche Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 3 VwGG unterbleiben.

18Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014. Das beantragte Kostenmehrbegehren findet darin keine Deckung und war daher abzuweisen.

Wien, am 10. Dezember 2024