JudikaturVwGH

Ra 2023/05/0017 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
30. April 2024

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner und die Hofrätinnen Mag. Liebhart Mutzl und Dr. in Sembacher als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Tichy, in der Revisionssache 1. der M H, 2. des Ing. J H und 3. der Dr. Y H, alle in R und alle vertreten durch die Haslinger/Nagele Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Mölker Bastei 5, gegen das am 11. Oktober 2022 mündlich verkündete und am 18. Dezember 2022 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich LVwG AV 546/006 2015 betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde R; mitbeteiligte Partei: O H in R, vertreten durch die SHMP Schwartz Huber Medek Pallitsch Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Hohenstaufengasse 7; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die revisionswerbenden Parteien haben der Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

1 Zur Vorgeschichte des Revisionsfalles wird auf die zum gegenständlichen Sachverhalt bereits ergangenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Mai 2012, 2010/05/0095, vom 16. Februar 2017, Ra 2016/05/0038, und vom 22. September 2020, Ra 2019/05/0312, verwiesen.

2 Mit dem nunmehr angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (LVwG) der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien gegen den Berufungsbescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde R. vom 15. April 2015, mit welchem der Mitbeteiligten im innergemeindlichen Instanzenzug die baubehördliche Bewilligung „für den Wohnhauszubau mit Dachgeschoßaufbau und Garage“ auf einem näher bezeichneten Grundstück der KG. U. erteilt worden war, nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen und Beiziehung eines bautechnischen Amtssachverständigen mit der Maßgabe teilweise statt, dass der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert wurde, „dass die Baubewilligung der Baubehörde erster Instanz in teilweiser Stattgebung der Berufung auf das Bauvorhaben in der Fassung Mai 2021 abgeändert“ wurde (1.) und erklärte eine Revision für unzulässig (2.).

3 In der Zulässigkeitsbegründung der dagegen nunmehr erhobenen außerordentlichen Revision wird zusammengefasst vorgebracht, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „zum Erfordernis der beiderseitigen Verschwenkung des Lichteinfalles“ sowie von der Rechtsprechung „zur Wahrung des Lichteinfalles bei jedem Hauptfenster“ abgewichen. Außerdem sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „in Bezug auf die Begründungspflicht des Verwaltungsgerichts zur Prüfung des Lichteinfalls bei beidseitiger Verschwenkung für jedes Hauptfenster und bei der Ermittlung des ungünstigsten Hauptfensters hangaufwärts“ und „durch die Missachtung der Bindung an die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 63 Abs 1 VwGVG“ abgewichen worden. Schließlich habe sich das LVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes „durch fehlende Auseinandersetzung des Amtssachverständigen und des Verwaltungsgerichts mit den von den Revisionswerbern vorgelegten Privatgutachten“ entfernt und es liege auch eine Abweichung von der Rechtsprechung „durch die Annahme einer bewilligungslosen Geländeabsenkung“ vor.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7 Die Beurteilung der Zulässigkeit einer Revision erfolgt dabei ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision führen hätten können, aufzugreifen (vgl. für viele etwa VwGH 19.12.2023, Ra 2023/05/0265, mwN).

8 Mit dem Vorbringen betreffend ein behauptetes Abweichen von der Rechtsprechung „zum Erfordernis der beiderseitigen Verschwenkung des Lichteinfalles“ wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgeworfen, als der von den revisionswerbenden Parteien genannten Rechtsprechung ein derartiges Erfordernis nicht zu entnehmen ist.

9 Die revisionswerbenden Parteien haben die Formulierung im genannten Vorerkenntnis vom 22. September 2020, Ra 2019/05/0312, wonach es für die Gewährleistung des freien Lichteinfalls auf die Hauptfenster zulässiger Gebäude des Nachbarn notwendig sei, dass der freie Lichteinfall bei einer seitlichen Abweichung (Verschwenkung) des Lichteinfalls von höchstens 30 Grad in beiden seitlichen Richtungen gegeben sein müsse, offenbar dahingehend verstanden, dass der freie Lichteinfall bei Verschwenkung nur dann gewährleistet sei, wenn er von beiden Seiten jeweils für sich erreicht werde.

10 Es mag zwar zutreffend sein, dass die im genannten Vorerkenntnis gewählte Formulierung auch in diese Richtung verstanden werden könnte; jedenfalls durch den gleichzeitigen Verweis am Ende dieses Satzes auf Vorjudikatur (VwGH 17.12.2015, Ra 2014/05/0045; 6.11.2013, 2010/05/0179) steht jedoch außer Zweifel, dass damit zum Ausdruck gebracht wird, dass es im Sinne der Vorjudikatur für die Gewährleistung des freien Lichteinfalles unter 45 Grad auf die Hauptfenster zulässiger Gebäude auf dem Grundstück der revisionswerbenden Parteien ausreichend ist, wenn bei einer seitlichen Verschwenkung des Lichteinfalles von höchstens 30 Grad in beiden (möglichen) seitlichen Richtungen der freie Lichteinfall gegeben ist. Von einem dieser Judikatur zu entnehmenden „Erfordernis der beiderseitigen Verschwenkung des Lichteinfalles“ kann daher keine Rede sein, weshalb weder mit der behaupteten Abweichung von der genannten Rechtsprechung noch mit dem behaupteten Verstoß gegen die Bindungswirkung nach § 63 Abs. 1 VwGG die Zulässigkeit der Revision dargetan wird.

11 Soweit die revisionswerbenden Parteien zur Begründung der Zulässigkeit der Revision ein Abweichen von der Rechtsprechung „zur Wahrung des Lichteinfalles bei jedem Hauptfenster“ behaupten, ist darauf hinzuweisen, dass sich das angefochtene Erkenntnis nach Durchführung zweier mündlicher Verhandlungen mit näherer Begründung auf das Gutachten des beigezogenen Amtssachverständigen für Bautechnik stützt, welches detaillierte Berechnungen zum einen zur Ermittlung des „ungünstigsten Hauptfensters hangaufwärts“ und zum anderen zur im Erkenntnis angestellten Beurteilung enthält, dass durch das vorliegend genehmigte Projekt die ausreichende Belichtung über die gesamte Länge von zulässigen Hauptfenstern am Grundstück der revisionswerbenden Parteien gegeben sei. Begründend führte das LVwG in diesem Zusammenhang u.a. aus, zur Berücksichtigung aller zulässigen Hauptfenster bedürfe es der Feststellung jener Hauptfenster, die am tiefsten liegen dürfen, „da dadurch automatisch die Belichtung aller höher liegenden Hauptfenster gegeben“ sei. Inwiefern insofern eine Abweichung von dem von den revisionswerbenden Parteien genannten Vorerkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. September 2020, Ra 2019/05/0312, vorliegen sollte, zeigen die revisionswerbenden Parteien nicht auf.

12 Mit dem Zulässigkeitsvorbringen zur behaupteten Verletzung der Begründungspflicht und der behaupteten mangelnden Auseinandersetzung mit dem vorgelegten Privatsachverständigengutachten werden Verfahrensmängel vorgebracht. Dazu ist zu bemerken, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Rechtsfragen des Verfahrensrechtes nur dann grundsätzliche Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG zukommen kann, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen oder die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre, wozu kommt, dass auch die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels dargelegt werden muss (vgl. für viele etwa VwGH 18.1.2024, Ra 2023/05/0262; 7.3.2023, Ra 2021/05/0162, oder auch 25.1.2018, Ra 2017/06/0257, jeweils mwN). Eine ausreichend konkrete und fallbezogene Relevanzdarstellung enthält die vorliegende Revision mit ihren auszugsweisen Ausführungen betreffend das vorgelegte Privatsachverständigengutachten (vgl. dazu z.B. nochmals VwGH 25.1.2018, Ra 2017/06/0257, mwN) nicht, weshalb auch mit dem diesbezüglichen Vorbringen keine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG aufgeworfen wird.

13 Wenn in der Revision zu ihrer Zulässigkeit schließlich vorgebracht wird, es liege eine „Abweichung von der Rechtsprechung durch die Annahme einer bewilligungslosen Geländeabsenkung“ vor, und in diesem Zusammenhang behauptet wird, die in Rede stehende Geländeabsenkung am Grundstück der revisionswerbenden Parteien sei „im damaligen Einreichplan bereits eingezeichnet“ und gelte damit als mitbewilligt, entfernt sie sich damit von dem im angefochtenen Erkenntnis festgestellten Sachverhalt (vgl. dazu, dass Ausgangspunkt der Prüfung, ob eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegt, der festgestellte Sachverhalt ist etwa VwGH 15.12.2023, Ra 2023/06/0200, mwN), wonach für die Geländeabsenkung ebenso wie für die Herstellung der befestigten Fläche keine Unterlagen im Bauakt der revisionswerbenden Parteien vorhanden sind und im Einreichplan des Gebäudes der revisionswerbenden Parteien „in einer Umgebung von bis zu ca. 4 m um das Gebäude“ ein „an das Bauvorhaben etwas angepasstes Gelände eingezeichnet“ ist. Die revisionswerbenden Parteien behaupten zwar, die Geländeveränderung sei im Einreichplan eingezeichnet, treten aber den entgegenstehenden Feststellungen des LVwG darüber hinaus nicht konkret entgegen. Im Übrigen unterliegt die Frage, inwieweit für ein bestimmtes Vorhaben ein baurechtlicher Konsens besteht oder nicht, grundsätzlich der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge auch in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 18.11.2022, Ra 2022/05/0175, mwN). Eine derartige Unvertretbarkeit zeigt die Revision in ihren Zulässigkeitsgründen nicht auf.

14 In der vorliegenden Revision werden damit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

15 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 30. April 2024

Rückverweise