JudikaturVwGH

Ra 2022/17/0019 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
19. März 2025

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Mag. Dr. Zehetner sowie die Hofräte Mag. Berger und Dr. Horvath als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision 1. des P L, und 2. der Y Y, beide vertreten durch die Weh Rechtsanwalt GmbH in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27. Juli 2021, 1. W153 2242833 1/3E und 2. W153 2242835 1/3E, betreffend Erlassung von Rückkehrentscheidungen mit Nebenaussprüchen (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 Die Revisionswerber, chinesische Staatsangehörige, sind Ehegatten und reisten im Dezember 2019 in das Bundesgebiet ein. Ihre Tochter und ihr Schwiegersohn sowie deren Sohn sind deutsche Staatsangehörige, die im Bundesgebiet an einem gemeinsamen Wohnsitz leben; die Tochter und der Schwiegersohn sind im Bundesgebiet erwerbstätig.

2 Mit Bescheiden des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 19. April 2021 wurden den Revisionswerbern keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, Rückkehrentscheidungen gegen sie erlassen, die Zulässigkeit ihrer Abschiebung in die Volksrepublik China festgestellt und eine Frist für ihre freiwillige Ausreise festgelegt.

3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen gerichtete Beschwerde der Revisionswerber ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B VG für nicht zulässig.

4 Das Bundesverwaltungsgericht ging davon aus, dass die Revisionswerber zur Begründung ihres Aufenthaltsrechts auf ihr Verwandtschaftsverhältnis zu ihrer Tochter sowie auf den Umstand verwiesen, dass diese bzw. ihr Ehemann im Bundesgebiet (freiwillig) für ihren Unterhalt aufkämen. Dies sei vor der Ausreise der Revisionswerber aus China nicht der Fall und wegen der Pensions und Mieteinkünfte der Revisionswerber auch nicht erforderlich gewesen, weswegen ihnen kein Aufenthaltsrecht als Angehörige eines EWRBürgers nach „§ 52 Abs. 1 Z 3 NAG“ zukomme.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhoben die Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof (VfGH). Mit Beschluss vom 29. November 2021, E 3426 3427/2021 11, lehnte der VfGH die Behandlung der Beschwerde ab und trat die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6 In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

7 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10In der gesonderten Zulässigkeitsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. VwGH 30.9.2024, Ra 2024/17/0080, mwN).

11Da der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 BVG (nur) im Rahmen der dafür in der Revision (gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert) vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat, ist er weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Demgemäß erfolgt die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulässigkeitsbegründung (vgl. erneut VwGH 30.9.2024, Ra 2024/17/0080, mwN).

12 Die Revision bringt in den Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, dass das Bundesverwaltungsgericht nicht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hätte absehen dürfen, weil die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks für eine „faire“ Güterabwägung im Zusammenhang mit einer Rückkehrentscheidung unerlässlich sei. Soweit die Revision in diesen Ausführungen zu ihrer Zulässigkeit bloß allgemein darauf verweist, das Bundesverwaltungsgericht hätte im Zusammenhang mit der Erlassung der Rückkehrentscheidung der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von den Revisionswerbern bedurft, ohne fallbezogen auf die Voraussetzungen für das Unterbleiben einer Verhandlung näher Bezug zu nehmen, verabsäumt sie es, konkret darzulegen, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht von den in der Rechtsprechung zum ersten Tatbestand des ersten Satzes des § 21 Abs. 7 BFAVG aufgestellten Leitlinien abgewichen wäre (vgl. VwGH 8.8.2023, Ra 2022/17/0209, mwN).

13 Ferner wird zur Zulässigkeit der Revision ausgeführt, das Bundesverwaltungsgericht habe die von ihm herangezogenen Urteile des Gerichtshofes der Europäischen Union vom 9. Jänner 2007, Jia/Migrationsverk , C 1/05, sowie vom 16. Jänner 2014, Reyes/Migrationsverket , C423/12, „konträr zu dem, was diese Entscheidungen aussagen“ verfehlt zitiert, weil diese durch Erlassung der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (im Folgenden: Aufenthaltsrichtlinie) als überholt anzusehen seien. Denn nach der Aufenthaltsrichtlinie sei für das Aufenthaltsrecht von Familienangehörigen von Unionsbürgern auf eine Unterhaltsgewährung an sie im Mitgliedsstaat der Union durch den mit ihnen verwandten EWR Bürger und nicht auf den durch diesen im Herkunftsstaat gewährten Unterhalt abzustellen.

14 Mit diesem Vorbringen wird schon deshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt, weil jedenfalls das auch durch die Revisionswerber genannte und vom Bundesverwaltungsgericht herangezogene Urteil des EuGH vom 16. Jänner 2014, C 423/12, bereits die Auslegung der Aufnahmerichtlinie betrifft und der EuGH darin für die Bejahung eines Aufenthaltsrechts des Familienangehörigen (dort in absteigender Linie) dezidiert auf dessen Unterhaltsbedarf in seinem Herkunftsland abstellt (vgl. nur die Rn. 22 und 30 des Urteils), sodass die Orientierung des Bundesverwaltungsgerichts an der Rechtsprechung des EuGH fallbezogen nicht unvertretbar erscheint. Dass es in diesem Zusammenhang an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlen würde, behaupten die Revisionswerber nicht.

15Schließlich bringen die Revisionswerber vor, lediglich in der nicht einschlägigen Bestimmung nach § 52 Abs. 1 Z 5 NAG werde für ein Aufenthaltsrecht „sonstiger Angehöriger des EWR Bürgers“ Unterhalt bereits in deren Herkunftsstaat verlangt. Vor dem Hintergrund der vertretbaren Orientierung des Bundesverwaltungsgerichts an der Rechtsprechung des EuGH wird mit diesem Vorbringen keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt. Im Übrigen übersehen die Revisionswerber in diesem Zusammenhang, dass sich das Aufenthaltsrecht von Angehörigen von EWRBürgern, die Drittstaatsangehörige sind, nach § 54 NAG richtet, dessen Abs. 1 lediglich auf die Voraussetzungen nach § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG verweist und die durch die Revisionswerber zum Vergleich herangezogene, auf einen anderen Kreis von Berechtigten anwendbare Bestimmung (nämlich auf Angehörige, die ihrerseits ebenso EWRBürger sind) nach § 52 Abs. 1 Z 5 NAG gerade nicht einbezieht.

16 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 19. März 2025