Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Novak sowie den Hofrat Dr. Sutter und die Hofrätin Dr. in Wiesinger als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision der L V, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 16. März 2022, Zl. RV/7400124/2020, betreffend Glücksspielautomatenabgabe und Säumniszuschlag für Jänner bis Oktober 2017 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 6),
Spruch
I. zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit es Glückspielautomatenabgabe für die Monate September und Oktober 2017 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts aufgehoben.
Die Stadt Wien hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
II. den Beschluss gefasst:
Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.
1 Mit Bescheid vom 28. November 2017 setzte das Magistrat der Stadt Wien für das Halten zumindest eines Spielapparats, durch dessen Betätigung so das Magistratein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt werden könne, der jedoch von der Revisionswerberin nicht zur Glücksspielautomatenabgabe angemeldet und für den auch keine solche entrichtet worden sei, u.a. Glücksspielautomatenabgabe samt Säumniszuschlag für die Monate Jänner bis August 2017 fest (zum Verfahrensgang betreffend die unter einem festgesetzte Vergnügungssteuer und Verspätungszuschlag für Oktober bis Dezember 2016 siehe VwGH 1.3.2022, Ra 2021/15/0116).
2 Die Revisionswerberin erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag führte das Bundesfinanzgericht eine mündliche Verhandlung durch, in der ein Zeuge im Wesentlichen zu Protokoll gab, im Rahmen einer Begehung am 3. Mai 2017 an einem Spielapparat nach technischer Zugänglichmachung der Glückspiele durch die Revisionswerberin, indem sie zuvor in einen benachbarten Raum gegangen sei und etwas ein bzw. umgestellt habe probeweise ein Glückspiel (virtuelles Walzenspiel „Burning Ring“) gespielt zu haben. Ein weiterer Zeuge, Magistratsbediensteter, gab u.a. an, im Rahmen einer behördlichen Erhebung am 25. August 2017 im Lokal der Revisionswerberin einen Spielapparat, „Terminal A P E Gerät“, wahrgenommen zu haben, wobei ihm aufgefallen sei, dass die Spielesoftware nicht installiert sei. In der Praxis komme es oft vor, dass diese Aktivierung durch eine Fernsteuerung erfolge, wie es auch bei der Erhebung am 3. Mai 2017 der Fall gewesen sei.
3Das Bundesfinanzgericht wies die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesfinanzgericht aus, dass eine Revision gegen das angefochtene Erkenntnis nach Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zulässig sei. Nach Wiedergabe des Verfahrensganges stellte es fest, dass im Zuge einer Begehung am 3. Mai 2017 auf einem Spielgerät der Art „Terminal A P E Gerät“ das virtuelle Walzenspiel „Burning Ring“ durchgeführt worden sei. Bei einer weiteren behördlichen Kontrolle am 25. August 2017 sei das Halten desselben Spielgerätes am selben Abstellort im Lokal der Revisionswerberin wahrgenommen worden, wobei aufgrund nicht erfolgter Freischaltung kein Testspiel durchgeführt habe werden können. Bei einer weiteren behördlichen Kontrolle am 7. Oktober 2017 sei ein baugleiches Spielgerät wie bei den vorangegangenen Begehungen und Kontrollen wahrgenommen und beschlagnahmt worden. In seiner Beweiswürdigung führte das Bundesfinanzgericht aus, dass zu insgesamt drei Zeitpunkten im Jahr 2017, nämlich am 3. Mai 2017, 25. August 2017 und 7. Oktober 2017, im Rahmen eines Lokalbesuchs durch einen Mitarbeiter der Anzeigerin und zwei behördlichen Begehungen jeweils ein (betriebsbereiter) Spielapparat an der Betriebsadresse der Revisionswerberin wahrgenommen und dies durch zwei Zeugen schlüssig und widerspruchsfrei bestätigt worden sei. Es sei daher sehr wahrscheinlich, dass zumindest eines dieser Geräte der gleichen Art im gesamten strittigen Zeitraum am Betriebsstandort der Revisionswerberin vorhanden gewesen sei.
4In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesfinanzgericht, dass auf dem gegenständlichen Gerät virtuelle Walzenspiele angeboten worden seien, wobei die Entscheidung über das Spielergebnis rein vom Zufall abgehangen sei. Gemäß der höchstgerichtlichen Judikatur seien derartige Walzenspiele Glücksspiele und deren legale Durchführung nur mit einer Konzession nach dem Glücksspielgesetz zulässig. Eine Bewilligung oder Konzession nach den §§ 5, 14 oder 21 GSpG sei von der Revisionswerberin nicht vorgelegt worden. Dass bereits im vorangegangenen Besteuerungszeitpunkt (Hinweis auf VwGH 1.3.2022, Ra 2021/15/0016) ein Gerät habe festgestellt werden können, bestätige nur das tatbestandsmäßige „Halten eines Spielapparates“ im beschwerdegegenständlichen und im Verfahren vor dem Bundesfinanzgericht verlängerten Zeitraum (Jänner bis Oktober 2017), wobei das durchgängige Halten desselben Spielgerätes nicht Tatbestandsmerkmal sei.
5Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die das Erkenntnis nur hinsichtlich der Monate Jänner bis April und Juni bis Oktober 2017 anficht und zu ihrer Zulässigkeit zum Einen vorbringt, es sei ein relevanter Begründungsmangel gegeben. Der Glücksspielautomatenabgabe unterlägen nur gehaltene Spielapparate, durch deren Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt werden könne. Feststellungen dahin, dass im Betrieb der Revisionswerberin in den Monaten Monate Jänner bis April und Juni bis Oktober 2017 ein Spielapparat iSd § 1 Wiener Glücksspielautomatenabgabegesetz gehalten worden sei, seien vom Bundesfinanzgericht nicht getroffen worden. Es fänden sich überhaupt keine konkreten Feststellungen dazu, ob in diesen Zeiträumen überhaupt ein Spielapparat gehalten worden sei. Darüber hinaus sei die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts zum festgestellten „Halten“ eines Spielapparates am 25. August 2017 unschlüssig. Zum anderen widerspreche das angefochtene Erkenntnis auch der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 279 BAO, weil das Bundesfinanzgericht die Sache des Verfahrens überschritten habe, indem es auch Glücksspielautomatenabgabe betreffend die Abgabenzeiträume September und Oktober 2017 (erstmalig) festgesetzt habe. Es habe dadurch eine Zuständigkeit für sich in Anspruch genommen, die ihm nicht zugekommen war.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Einleitung eines Vorverfahrens, in dem von der belangten Behörde keine Revisionsbeantwortung erstattet wurdein einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Zu I.:
7 Die Revision ist hinsichtlich der Festsetzung von Glücksspielautomatenabgabe für die Monate September und Oktober 2017 zulässig. Sie ist auch begründet.
8Gemäß § 279 Abs. 1 BAO hat das Bundesfinanzgericht - von hier nicht betroffenen Fällen abgesehen - immer in der Sache selbst zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
9Die bei der Entscheidung über die Bescheidbeschwerde bestehende Änderungsbefugnis im Sinne des § 279 Abs. 1 zweiter Satz BAO nach jeder Richtungist durch die Sache nach § 279 Abs. 1 erster Satz BAO begrenzt. Sache ist im Bescheidbeschwerdeverfahren die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des bekämpften Bescheides erster Instanz gebildet hat (vgl. etwa VwGH 7.9.2021, Ro 2018/15/0026, mwN).
10Mit Bescheid vom 28. November 2017 setzte das Magistrat der Stadt Wien in Bezug auf das Jahr 2017 Glücksspielautomatenabgabe samt Säumniszuschlag für die Monate Jänner bis August 2017 fest. Die Beschwerde, in der u.a. die Glücksspielautomatenabgabe samt Säumniszuschlag für den Zeitraum Jänner bis August 2017 bekämpft wurde, richtete sich gegen diesen Bescheid vom 28. November 2017. Sache des Beschwerdeverfahrens war daher hinsichtlich des Jahres 2017 nur der Abspruch über die Glücksspielautomatenabgabe samt Säumniszuschlag für die Monate Jänner bis August (vgl. neuerlich VwGH 7.9.2021, Ro 2018/15/0026, mwN).
11 Das Bundesfinanzgericht hat in seinem Erkenntnis allerdings auch Glücksspielautomatenabgabe für die Monate September und Oktober 2017 (erstmals) festgesetzt, also für einen Zeitraum, der außerhalb des von der Sache des Beschwerdeverfahrens erfassten Zeitraumes liegt. Dafür war das Bundesfinanzgericht funktionell nicht zuständig.
12 Das angefochtene Erkenntnis war daher soweit es Glücksspielautomatenabgabe für die Monate September und Oktober 2017 betrifftgemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Bundesfinanzgerichts aufzuheben.
13Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Zu II.:
14 Gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
15Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 BVG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nicht gebunden; er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
16 Das Bundesfinanzgericht hat wenn auch teilweise disloziertinsbesondere auf der Grundlage von zwei als glaubhaft erachteten Zeugenaussagen festgestellt, dass zu insgesamt drei Zeitpunkten im Jahr 2017, nämlich am 3. Mai 2017, 25. August 2017 und 7. Oktober 2017, jeweils ein Spielapparat, durch dessen Betätigung ein Gewinn in Geld oder Geldeswert erzielt werden könne, bei der Revisionswerberin (betriebsbereit) aufgefunden worden sei. Auch unter Einbeziehung der für den unmittelbar vorangegangenen Besteuerungszeitraum bereits rechtskräftig festgesetzten Vergnügungssteuer (siehe VwGH 1.3.2022, Ra 2021/15/0116) kam es im Rahmen der freien Beweiswürdigung zur Annahme, dass zumindest eines dieser Geräte der gleichen Art im gesamten Zeitraum, sohin auch in den Monaten Jänner bis April und Juni bis August 2017 am Betriebsstandort der Revisionswerberin vorhanden gewesen sei.
17 Soweit die Revisionswerberin die zugrunde liegende Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichtes bekämpft, ist sie zunächst darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts der Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insoweit unterliegt, als das Ausreichen der Sachverhaltsermittlungen und die Übereinstimmung der Überlegungen zur Beweiswürdigung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut zu prüfen ist. Der an sich nur zur Rechtskontrolle berufeneVerwaltungsgerichtshof ist im Übrigen auch nicht berechtigt, eine Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichtes auf ihre Richtigkeit hin zu beurteilen, das heißt, sie mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Ablauf der Ereignisse bzw. ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. etwa VwGH 16.4.2024¸ Ro 2022/13/0017, mwN).
18 Entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen hat das Bundesfinanzgericht ausgehend von den Ergebnissen des behördlichen Ermittlungsverfahrens sowie unter Berücksichtigung der in der durchgeführten mündlichen Verhandlung getroffenen Zeugenaussagen insgesamt nachvollziehbar dargelegt, weshalb es davon ausgegangen ist, dass im gesamten revisionsgegenständlichen Zeitraum ein Gerät iSd § 1 Wiener Glückspielautomatenabgabegesetz gehalten wurde. Mit dem Hinweis, der einvernommene Zeuge RK habe ausgesagt, am 25. August 2017 sei keine Spielesoftware installiert gewesen, gelingt es der Revision nicht aufzuzeigen, dass die Beweiswürdigung des Bundesfinanzgerichts mit einem vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Fehler behaftet wäre. Dieser Zeuge hat nämlich auch dargelegt, es komme in der Praxis wie auch bei der Begehung am 3. Mai 2017 oft vor, dass die Spielesoftware durch eine Fernsteuerung aktiviert und das Spiel freigeschaltet werden müsse. Dagegen wendet sich die Revision nicht.
19 In Bezug auf die Festsetzung der Glücksspielautomatenabgabe für die Monate Jänner bis April und Juni bis August 2017 werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher insoweit gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 9. September 2025