JudikaturVwGH

Ro 2022/10/0016 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Entscheidung

Entscheidung
EU-Recht
07. Dezember 2023

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Prendinger, über die Revision des Arbeitskreises für Gleichbehandlungsfragen der Veterinärmedizinischen Universität Wien in Wien, vertreten durch Lichtenberger Partner, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Wollzeile 19/16, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14. März 2022, Zl. W224 2250272 1/2E, betreffend Abweisung einer Beschwerde i.A. des Universitätsgesetzes 2002 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Schiedskommission der Veterinärmedizinischen Universität Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

1 1.1. Am 15. April 2021 schrieb das Rektorat der Veterinärmedizinischen Universität Wien (im Folgenden: VetMed) eine bestimmte Position aus, für die in der Folge sieben Bewerbungen einlangten.

2 Eine Auswahlkommission reihte anhand eines Punktesystems einen Bewerber an erster Stelle und eine Bewerberin an zweiter Stelle.

3 Der erstgereihte Bewerber wurde für die Aufnahme vorgeschlagen; dem Aufnahmevorschlag wurde stattgegeben, allerdings sagte der erstgereihte Bewerber noch vor Dienstantritt ab.

4 Am 1. Juli 2021 wurde dem Revisionswerber eine neuerliche Ausschreibung der gegenständlichen Position zur Kenntnis gebracht.

5 Mit Schreiben vom 22. Juli 2021 erhob der Revisionswerber Beschwerde gemäß § 42 Abs. 8 Universitätsgesetz 2002 UG „wegen des Verdachts der Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes“ aufgrund der „Nichtberücksichtigung“ der zweitgereihten Bewerberin. Mit Schreiben vom 11. August 2021 konkretisierte der Revisionswerber seine Beschwerde dahin, dass diese sich gegen die Einstellung des Personalaufnahmeverfahrens und die damit verbundene Neuausschreibung der gegenständlichen Position richte.

6 Am 7. September 2021 teilte die zweitgereihte Bewerberin mit, dass sie weil sie eine andere Stelle antreten werde für die gegenständliche Position nicht mehr zur Verfügung stehe.

7 1.2. Mit Bescheid vom 12. Oktober 2021 gab die belangte Behörde der vom Revisionswerber aufrecht erhaltenen Beschwerde nach § 42 Abs. 8 UG „angesichts des Wegfalls des Beschwerdeanlasses durch den Rückzug“ der zweitgereihten Bewerberin keine Folge.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 14. März 2022 wies das Bundesverwaltungsgericht eine dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers ab und ließ die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG zu.

9 Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht (unter anderem) aus, dass selbst wenn der Beschwerde stattgegeben würde „daraus niemandem ein Recht erwachsen würde“. Denn unabhängig davon, ob eine Diskriminierung festgestellt würde, habe dies für die inzwischen zurückgezogene Bewerbung der ursprünglich zweitgereihten Bewerberin keine Auswirkungen mehr. Die Zulassung der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Fehlen von Rechtsprechung zu den §§ 42 und 43 UG.

10 1.3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (ordentliche) Revision, welche am 27. April 2022 eingebracht wurde.

11 Die belangte Behörde hat eine Revisionsbeantwortung erstattet.

12 2.1. Der gemäß § 42 Abs. 1 UG an der VetMed eingerichtete Revisionswerber hat mit seinem Schreiben vom 22. Juli 2021 unter Hinweis auf den Verdacht einer Diskriminierung der zweitgereihten Bewerberin aufgrund des Geschlechtes die belangte Behörde gemäß § 42 Abs. 8 UG angerufen.

13 Das (grundsätzliche) Recht, Revision zu erheben (Revisionslegitimation), leitet der Revisionswerber - zutreffend - aus § 46 Abs. 4 iVm § 43 Abs. 7 UG ab (vgl. S. 8 der Revision):

14 § 43 Abs. 7 UG erkennt (unter anderem) dem Revisionswerber das Recht zu, gegen den ein Verfahren vor der Schiedskommission abschließenden Bescheid vor dem Bundesverwaltungsgericht Beschwerde zu führen. Daraus folgt gemäß § 46 Abs. 4 UG das Recht, „gegen Erkenntnisse“ des Bundesverwaltungsgerichtes Revision zu erheben.

15 Bei einer nach § 46 Abs. 4 UG erhobenen Revision handelt es sich wie auch der Revisionswerber erkennt (vgl. S. 15 der Revision) um eine Amtsrevision iSd Art. 133 Abs. 8 B VG (vgl. Muzak in Perthold-Stoitzner , UG 3 , Rz 14 zu § 46).

16 2.2. Ein Rechtsschutzbedürfnis - welches eine der Prozessvoraussetzungen für ein Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof darstellt - liegt dann nicht vor, wenn eine Entscheidung lediglich über abstrakt theoretische Rechtsfragen herbeigeführt werden soll, denen keine praktische Relevanz mehr zukommen kann. Das Rechtsschutzinteresse ist immer dann zu verneinen, wenn es (aufgrund von geänderten Umständen) für die Rechtsstellung des Revisionswerbers keinen Unterschied mehr macht, ob die angefochtene Entscheidung aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw. wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für ihn keinen objektiven Nutzen hat, die in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen somit insoweit nur (mehr) theoretische Bedeutung haben. Diese Rechtsprechung hat auch für eine Amtsrevision Gültigkeit (vgl. etwa VwGH 13.6.2022, Ra 2022/01/0054, 22.6.2022, Ra 2021/10/0193, sowie 21.8.2023, Ro 2023/03/0014, jeweils mwN, sowie für das Rechtsschutzinteresse im Fall einer Amtsrevision iSd Art. 133 Abs. 8 B VG wie hier VwGH 20.12.2017, Ra 2017/10/0139, mwN).

17 Es ist nicht Aufgabe des Verwaltungsgerichtshofes, in einer Revisionssache zu entscheiden, wenn der Entscheidung nach der Sachlage praktisch überhaupt keine Bedeutung mehr zukommt und letztlich bloß eine Entscheidung über theoretische Rechtsfragen ergehen könnte. Dies gilt auch dann, wenn die einem Revisionsfall zugrundeliegende Rechtsfrage für künftige Verwaltungsverfahren bzw. verwaltungsgerichtliche Verfahren von Interesse sein könnte (vgl. etwa VwGH 25.11.2021, Ra 2021/10/0127, 16.11.2023, Ra 2022/10/0007, sowie wiederum VwGH Ra 2017/10/0139, jeweils mwN).

18 2.3. Die auf § 42 Abs. 8 UG gestützte, mit dem angefochtenen Erkenntnis erledigte Eingabe des Revisionswerbers vom 22. Juli 2021 thematisierte Ausschreibungs- und Auswahlvorgänge betreffend eine bestimmte Position, für welche die zweitgereihte Bewerberin die nach Auffassung des Revisionswerbers möglicherweise aufgrund ihres Geschlechtes diskriminiert worden sei (bereits) seit 7. September 2021 nicht mehr zur Verfügung steht.

19 Angesichts dessen käme der Beantwortung der vom Verwaltungsgericht und in der Revision aufgeworfenen Rechtsfragen für das vorliegende Revisionsverfahren nur mehr theoretische Bedeutung zu.

20 3. Liegt - wie hier - das Rechtsschutzbedürfnis schon bei Einbringung der Revision nicht vor, ist diese unzulässig (vgl. etwa wiederum VwGH Ro 2023/03/0014, mwN).

21 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 7. Dezember 2023

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