Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Nedwed und den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterin und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Andrés, über die Revision der A in F, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 17. Dezember 2021, LVwG S 2471/001 2021, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die Revisionswerberin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt vom 14. Oktober 2021 wurde der Revisionswerberin angelastet, ein Fahrzeug in einem durch Suchtgift beeinträchtigten Zustand gelenkt und damit § 5 Abs. 1 in Verbindung mit § 99 Abs. 1b StVO verletzt zu haben, weshalb über sie gemäß § 99 Abs. 1b StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 800, (Ersatzfreiheitsstrafe: 168 Stunden) verhängt wurde.
2 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab. Es verpflichtete die Revisionswerberin zur Zahlung eines näher genannten Beitrages zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens und sprach aus, dass gegen diese Entscheidung eine Revision nicht zulässig sei.
3 Das Verwaltungsgericht stellte zusammengefasst fest, die an der Revisionswerberin durchgeführte klinische Untersuchung habe eine Fahruntauglichkeit infolge einer Beeinträchtigung durch Suchtgift und Übermüdung ergeben. Im Blut der Revisionswerberin sei eine geringe Menge THC (0,67 ng/ml) und THC COOH (17,5 ng/ml) nachgewiesen worden, woraus aus toxikologischer Sicht das Vorliegen einer straßenverkehrsrelevanten Beeinträchtigung nicht regelmäßig zu erwarten, aber auch nicht auszuschließen sei. Der durch Suchtgift beeinträchtigte Zustand im Sinn des § 5 Abs. 1 StVO sei bei der Revisionswerberin auf die nachgewiesene THC Konzentration in ihrem Blut in Kombination mit der festgestellten Übermüdung zurückzuführen. Zuletzt begründete das Verwaltungsgericht seine Strafzumessung.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens eine Revisionsbeantwortung, zu der sich die Revisionswerberin noch einmal äußerte.
5 Die Revision erweist sich als unzulässig:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 Nach § 34 Abs. 1 und 3 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B VG nicht zur Behandlung eignen, in jeder Lage des Verfahrens mit Beschluss zurückzuweisen.
8 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
9 Zunächst wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 6.5.2020, Ra 2019/02/0104; 21.7.2021, Ra 2021/02/0134) ab, weil es die durchgeführte klinische Untersuchung als das wesentliche Beweismittel für seine Annahme einer Beeinträchtigung durch Suchtgift gehalten habe, obwohl die Frage, ob die Beeinträchtigung eines Lenkers auf Suchtgift zurückzuführen sei, anhand einer Blutuntersuchung zu beantworten sei. Das toxikologische Gutachten habe aber ergeben, dass keine rechtlich relevante Suchtmittelbeeinträchtigung vorgelegen sei.
10 Dem steht schon entgegnen, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wesentliches Beweisergebnis für die Annahme einer Beeinträchtigung durch Suchtgift das Ergebnis der klinischen Untersuchung durch den Arzt ist. Die Blutanalyse dient allenfalls der Bestätigung der ärztlichen Feststellung einer Beeinträchtigung durch Suchtgift (vgl. VwGH 24.10.2016, Ra 2016/02/0133). Zudem geht der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass das Tatbild des § 5 Abs. 1 StVO auch dann erfüllt ist, wenn die Fahruntüchtigkeit nicht allein auf die Beeinträchtigung durch Suchtgift, sondern noch auf weitere Ursachen (wie etwa Ermüdung, Krankheit, Medikamenteneinnahme) zurückzuführen ist. Die Strafbarkeit ist also auch dann gegeben, wenn die konsumierte Suchtgiftmenge für sich alleine noch keine Fahruntüchtigkeit bewirkt hätte (vgl. VwGH 6.5.2020, Ra 2020/02/0007, mwN).
11 Im vorliegenden Revisionsfall wurde im Blut der Revisionswerberin eine geringe Menge THC (0,67 ng/ml) nachgewiesen. Dem toxikologischen Gutachten zufolge ist eine straßenverkehrsrelevante Beeinträchtigung durch diese geringe Menge der festgestellten Konzentration an THC im Blut nicht regelmäßig zu erwarten, aber auch nicht auszuschließen. Darüber hinaus wurde in der klinischen Untersuchung eine Übermüdung der Revisionswerberin festgestellt. Diese Faktoren führten bei der Revisionswerberin in der Zusammenschau zu einer Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/02/0080).
12 Demgegenüber liegt den von der Revision zitierten Beschlüssen (VwGH 21.7.2021, Ra 2021/02/0134, und VwGH 6.5.2020, Ra 2019/02/0104) ein wesentlich anderer Sachverhalt zugrunde, nämlich dass psychoaktive Stoffwechselprodukte im Blut gar nicht festgestellt werden konnten, oder dass die nachgewiesenen Suchtgiftsubstanzen so gering waren, dass eine Beeinträchtigung durch Suchtgift nicht angenommen werden konnte. Eine Abweichung des angefochtenen Erkenntnisses von dieser Rechtsprechung liegt daher nicht vor.
13 Darüber hinaus wird zur Zulässigkeit der Revision vorgebracht, das Verwaltungsgericht sei auch von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Amtswegigkeitsprinzip und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit abgewichen (Hinweis auf VwGH 14.6.2021, Ra 2021/17/0048; 17.12.2014, Ro 2014/03/0066), weil es kein amtsärztliches Gutachten zu den Fragen eingeholt habe, ob bei Kombination aus der bei der Revisionswerberin festgestellten Übermüdung mit der im Blut der Revisionswerberin festgestellten THC Konzentration eine relevante Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit vorliege, und ob das Verwaltungsgericht den nicht psychoaktiven THC COOH Wert zur Begründung des Vorliegens einer relevanten Suchtmittelbeeinträchtigung heranziehen habe dürfen.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterliegt es der einzelfallbezogenen Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, ob eine Beweisaufnahme notwendig ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B VG liegt nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt ist und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hat (vgl. VwGH 25.2.2022, Ra 2022/02/0025, mwN). Das Verwaltungsgericht, das entgegen der Ansicht der Revisionswerberin im festgestellten Sachverhalt das Vorliegen einer spezifischen Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO im Tatzeitpunkt auf die Kombination von Übermüdung und lediglich der im Blut der Revisionswerberin nachgewiesenen Konzentration von 0,67 ng/ml THC zurückführt, stützt sich beweiswürdigend insbesondere auf die durchgeführte klinische Untersuchung, deren Ergebnis es durch die toxikologische Blutuntersuchung bestätigt sieht. Da in der Revision nicht dargetan wird, dass die klinische Untersuchung der Revisionswerberin fehlerhaft war, ist die Abstandnahme vom beantragten Beweismittel nicht zu beanstanden.
15 Zuletzt wird zur Zulässigkeit der Revision ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei von der hg. Rechtsprechung zu § 44a Z 2 und Z 3 VStG abgewichen, weil, abgesehen davon, dass § 99 Abs. 1b StVO nicht die Übertretungsnorm, sondern die Strafnorm darstelle, die angegebenen Fassungen der StVO auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden seien.
16 Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin schadet das Mitzitieren einer Strafsanktionsnorm, die im Zusammenhang mit der verletzten Verwaltungsvorschrift steht, nicht (vgl. VwGH 1.9.2020, Ra 2019/02/0153, mwN), sodass schon deshalb der behauptete Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG nicht vorliegt.
17 Im angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht sowohl betreffend § 5 Abs. 1 StVO als auch § 99 Abs. 1b StVO jeweils jene Fassung angeführt, welche zum Tatzeitpunkt in Geltung stand, nicht aber jene Novellen, mit der die Übertretungs- bzw. Strafnormen in ihren Untergliederungen jeweils zuletzt geändert worden waren. Mit Blick auf die geänderte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH [verstärkter Senat] 27.6.2022, Ra 2021/03/0328, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 und 9 VwGG verwiesen wird), kann darin jedoch ein Verstoß gegen § 44a Z 2 VStG nicht erkannt werden, weil nicht ersichtlich ist, dass die Revisionswerberin dadurch in ihren Verteidigungsrechten beeinträchtigt worden, sie der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt oder nicht in der Lage gewesen wäre, ihre Rechtsschutzinteressen zu wahren. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass die herangezogenen Rechtsvorschriften in irgendeiner Weise für die Revisionswerberin zweifelhaft gewesen sein könnten. Solches hat die anwaltlich vertretene Revisionswerberin im gesamten verwaltungsstrafrechtlichen Verfahren auch nicht vorgebracht (vgl. VwGH 27.7.2022, Ra 2022/02/0049).
18 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
19 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Februar 2024