Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr. in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie die Hofräte Mag. Stickler, Mag. Cede und Mag. Tolar als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. a Sasshofer, über die Revision der Pensionsversicherungsanstalt, vertreten durch Dr. Anton Ehm und Mag. Thomas Mödlagl, Rechtsanwälte in 1050 Wien, Schönbrunner Straße 42/6, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Oktober 2021, W260 2243566 1/4E, betreffend Selbstversicherung in der Pensionsversicherung gemäß § 18a ASVG (mitbeteiligte Partei: A K in N; weitere Partei: Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Mit Bescheid vom 1. März 2020 sprach die Pensionsversicherungsanstalt (PVA) gestützt auf §§ 18a und 669 Abs. 3 ASVG aus, dass der Antrag der Mitbeteiligten auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes X „abgelehnt“ werde, und verwies zur Begründung darauf, dass aufgrund eines „fachärztlichen Begutachtungsergebnisses“ die Arbeitskraft der Mitbeteiligten durch die Pflege ihres Kindes X „nicht überwiegend beansprucht werde“.
2 Die Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
3 Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die PVA zurück.
4 Zur Begründung führte das Bundesverwaltungsgericht aus, ein Anspruch auf Selbstversicherung gemäß § 18a Abs. 1 ASVG setze voraus, dass die Arbeitskraft der Antragstellerin bzw. des Antragstellers überwiegend beansprucht werde. Dies sei gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG jedenfalls der Fall, solange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit sei oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedürfe. Nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres setze dies voraus, dass das behinderte Kind entweder dauernd bettlägrig sei oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedürfe.
5 Im Fall der 1994 geborenen Tochter der Mitbeteiligten, die nicht bettlägrig sei, hätte die PVA „im Wege eines Sachverständigengutachtens“ zu klären gehabt, „ob (und in welchem Umfang) unter Berücksichtigung des Alters und der spezifischen Behinderung des Kindes dessen ständige Betreuung (auch außerhalb der Zeit des Schulbesuches) erforderlich war“ und ob „bei Unterbleiben dieser Betreuung die Entwicklung des Kindes im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zuteil wurde, benachteiligt oder gefährdet gewesen wäre“ (Hinweis auf VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261). Mit dem Wort „jedenfalls“ im Einleitungssatz des § 18a Abs. 3 ASVG idF BGBl. I Nr. 2/2015 habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass neben den in Z 1 bis 3 aufgezählten, „speziell für behinderte Kinder zugeschnittenen“ Kriterien eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft auch auf andere Weise gegeben sein könne (Hinweis auf Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV Komm § 18a ASVG Rz 7/1). Die in Abs. 3 leg.cit. getroffenen Regelungen seien nicht mehr taxativ zu verstehen (so noch VwSlg. 15.235 A), sondern formulierten gleichsam beispielhafte „Mindeststandards“, die aber als solche wie bisher als unwiderlegbare gesetzliche Vermutungen anzusehen seien. Insofern könne daher auch eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege in einem Ausmaß anspruchsbegründend wirken, das zwar nicht einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege im Sinne des § 18a Abs. 3 ASVG entspreche, aber dennoch eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der pflegenden Person bewirke.
6 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei eine „überwiegende“ Beanspruchung der Arbeitskraft bereits in einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich (dies entspreche mehr als der halben Normalarbeitszeit) anzunehmen (Hinweis auf VwGH 19.1.2017, Ro 2014/08/0084). Im zitierten Erkenntnis habe der Verwaltungsgerichtshof aufgezeigt, wie die zeitliche Inanspruchnahme der Arbeitskraft in diesem Zusammenhang zu prüfen sei: Demnach sei anhand der Regelungen des Bundespflegegeldgesetzes und der dazu ergangenen Einstufungsverordnung EinstV, BGBl. II Nr. 37/1999, zu beurteilen, um welche Verrichtungen es sich dabei handle und welcher zeitliche Aufwand damit jeweils verbunden sei. Da auf den auch für die Ermittlung des Pflegegelds maßgeblichen Pflegebedarf abzustellen sei, werde für die Beurteilung in der Regel ein bereits im Verfahren über die Zuerkennung oder Neubemessung des Pflegegelds eingeholtes soweit noch aktuelles bzw. sonst entsprechendes Sachverständigengutachten (§ 8 EinstV) als Grundlage dienen können. Erforderlichenfalls werde ein weiteres Gutachten einzuholen sein.
7 Die PVA habe jedoch jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen, um „anhand der Einstufungsverordnung“ festzustellen, ob der Pflege- und Betreuungsaufwand der Mitbeteiligten die maßgebliche Grenze von 90 Stunden monatlich überschritten habe. In dem von der PVA eingeholten Sachverständigengutachten werde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Beurteilung der erforderlichen Pflegetätigkeiten ohne Bezugnahme zu den im Bundespflegegeldgesetz und der Einstufungsverordnung angeführten Mindest , Richt- und Fixwerten erfolgt sei.
8 Dadurch habe die PVA keine für eine Entscheidung in der Sache nach § 28 Abs. 2 VwGVG ausreichenden „brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert“, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden mündlichen Verhandlung im Sinne des § 24 VwGVG bloß zu vervollständigen gewesen wären. Dies berechtige das Verwaltungsgericht, von einer Entscheidung in der Sache abzusehen und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückzuverweisen.
9 Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B VG erklärte das Bundesverwaltungsgericht für unzulässig.
10 Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der PVA. Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem keine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:
11 Als Grund der Revisionszulässigkeit führt die PVA unter anderem aus, dass das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG im Hinblick auf den prinzipiellen Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte abgewichen sei (Hinweis auf VwGH 19.1.2017, Ro 2014/08/0084, Pkt. 13.2.). Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dazu, „in welchen Fällen abseits des § 18a Abs. 3 ASVG eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft anzunehmen“ sei. In den vom Bundesverwaltungsgericht zitierten Entscheidungen (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261; 19.1.2017, Ro 2014/08/0084; 5.6.2019, Ra 2019/08/0051) sei diese Frage nicht geklärt worden.
12 Die Revision ist aus diesen Gründen zulässig.
13 Sie ist auch berechtigt.
14 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellt angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 VwGVG verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden.
15 Der Verwaltungsgerichtshof hat im Übrigen wiederholt hervorgehoben, dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind (VwGH 9.3.2016, Ra 2015/08/0025). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann sich im Rahmen der Verhandlung aber auch (erst) herausstellen, dass die noch fehlenden Ermittlungen einen Umfang erreichen, der eine Behebung und Zurückverweisung erlaubt (siehe dazu auch VwGH 27.1.2016, Ra 2015/08/0171; 20.11.2018, Ra 2018/12/0012).
16 Zur Darlegung der genannten Ermittlungsmängel vertritt das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss die (der belangten Behörde durch diesen Beschluss überbundene) Rechtsauffassung, dass gemäß der nach Novellierung des § 18a ASVG durch das Sozialversicherungs Anpassungsgesetz SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, geltenden Rechtslage „auch eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege in einem Ausmaß anspruchsbegründend wirken“ könne, das „zwar nicht einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege iSd § 18a Abs. 3 ASVG“ entspreche, aber „dennoch eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der pflegenden Person“ bewirke. Das Vorliegen des solcherart anspruchsbegründenden Kriteriums der „überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft“ sei bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich (entspricht mehr als der halben Normalarbeitszeit) anzunehmen und in seinem zeitlichen Ausmaß an Hand der Einstufungsverordnung zu ermitteln und festzustellen. Das dem Bescheid der PVA vorangehende Verfahren habe insofern keine „ausreichenden brauchbaren Ermittlungsergebnisse geliefert“, als die PVA „jegliche Ermittlungstätigkeit“ unterlassen habe, „um an Hand der Einstufungsverordnung festzustellen, ob der Pflege- und Betreuungsaufwand der [Mitbeteiligten] die maßgebliche von 90 Stunden monatlich überschritten“ habe.
17 Dazu ist Folgendes auszuführen:
§ 18a Abs. 1 bis 3 ASVG, BGBl. Nr. 189/1955, lautet in der hier maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 2/2015, auszugsweise:
„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes
§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.
(2) Die Selbstversicherung ist für eine Zeit ausgeschlossen, während der
...
2. eine Ausnahme von der Vollversicherung gemäß § 5 Abs. 1 Z 3 besteht oder auf Grund eines der dort genannten Dienstverhältnisse ein Ruhegenuß bezogen wird oder
3. eine Ersatzzeit gemäß § 227 Abs. 1 Z 3 bis 6 oder § 227a vorliegt.
(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind
1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,
3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.“
18 Die durch das Sozialversicherungs Anpassungsgesetz SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, vorgenommene Änderung des § 18a ASVG wurde in den Erläuterungen zur Regierungsvorlage mit folgenden Ausführungen näher begründet (RV 321 BlgNR 25. GP, S 1 und 3):
„Im Einzelnen beinhaltet der Entwurf folgende Maßnahmen:
- Angleichung der Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes an jene für Zeiten der Pflege naher Angehöriger;
...
Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG soll an die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger nach § 18b ASVG angeglichen werden, und zwar im Hinblick auf die Zulässigkeit der Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Pflege und die Höhe der relevanten Beitragsgrundlage für diese Versicherung.
Getrennt bleibt hingegen die Tragung der Beitragslast für die genannten Selbstversicherungen: Diese obliegt im Fall der Selbstversicherung nach § 18a ASVG zu zwei Dritteln dem Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und zu einem Drittel dem Bund (§ 77 Abs. 7 ASVG) sowie im Fall der Selbstversicherung nach § 18b ASVG zur Gänze dem Bund (§ 77 Abs. 8 ASVG).
Für die Betroffenen werden durch diese Maßnahme Verbesserungen in zweifacher Hinsicht erreicht:
Zum einen wird die Möglichkeit einer die Selbstversicherung nicht ausschließenden Erwerbstätigkeit neben der Pflege eröffnet, zum anderen wird die Beitragsgrundlage auf das Niveau der § 18b Selbstversicherung angehoben. Sie steigt damit von derzeit 1 105,50 € monatlich (§ 76b Abs. 4 ASVG) auf 1 649,84 € monatlich (§ 76b Abs. 5a ASVG) an. Diese Angleichung erfolgt in Etappen (§ 689 Abs. 3 und 4 ASVG).
Künftig gilt für die Selbstversicherung auf Grund der Pflege eines behinderten Kindes nach § 18a ASVG, dass lediglich eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Pflegeperson vorliegen muss. Aus diesem Grund sind die detaillierten Regelungen über die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft nach § 18a Abs. 3 ASVG entsprechend zu adaptieren.“
19 Im Bericht des Ausschusses für Arbeit und Soziales, 417 BlgNR 25. GP, wird die vorgefundene rechtliche Ausgangslage, der mit der Novelle begegnet werden sollte, unter Übernahme von Ausführungen aus dem Entschließungsantrag 536/A(E) der Abgeordneten Mag. Judith Schwentner, Kolleginnen und Kollegen betreffend Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes, wie folgt dargestellt:
„Seit 1.1.1988 besteht gemäß § 18a ASVG die Möglichkeit der Selbstversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes. Die Selbstversicherung reduziert sich jedoch auf Personen, die wegen der Pflege eines behinderten Kindes nicht berufstätig sind bzw. aufgrund des hohen Pflegebedarfs nicht berufstätig sein können. Weitere Voraussetzungen sind der gemeinsame Haushalt mit dem zu pflegenden Kind, der Wohnsitz im Inland, der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe.
Die Beitragskosten werden aus den Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen getragen. Die Selbstversicherung ist für Versicherte folglich mit keinen Kosten verbunden. Angehörige haben die Möglichkeit kostenlos Versicherungszeiten zu erwerben. Als monatliche Beitragsgrundlage für die Pflege eines behinderten Kindes gilt im Jahr 2014 ein Betrag von 1.105,50 Euro.
Eine weitere Möglichkeit einen nahen Angehörigen zu pflegen, wurde in Folge des Sozialversicherungsrechtsänderungsgesetzes 2005 geschaffen die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß § 18b ASVG. Die Voraussetzungen für die begünstigte Selbstversicherung sind ein Anspruch auf Pflegegeld in der Mindesthöhe der Stufe 3, die Pflege in häuslicher Umgebung, der Wohnsitz im Inland sowie ein nahes Angehörigenverhältnis zur zu pflegenden Person.
Ein zentraler Unterschied zur Selbstversicherung nach § 18a (Pflege eines behinderten Kindes) betrifft die Möglichkeit des pflegenden Angehörigen auch weiterhin einer Erwerbsarbeit nachgehen zu können.
In § 18b wird definiert, dass sich all jene Angehörigen selbstversichern können, die ‚unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen‘. Für die Pflege eines behinderten Kindes ist in § 18a die Voraussetzung ‚die gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft‘. Pflegende Angehörige haben somit die Möglichkeit neben der Selbstversicherung eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Die Obergrenze ist die Höchstbeitragsgrundlage.
Ein weiterer Unterschied ist die unterschiedliche Beitragsgrundlage für die Pensionsberechnung. Im Jahr 2014 gilt ein Betrag von 1.649,84. Also deutlich höher als die Beitragsgrundlage zur Pflege eines behinderten Kindes.
Die Mittel für die Selbstversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger werden seit 1.8.2009 zur Gänze aus Mitteln des Bundes finanziert. D.h. die Versicherungszeiten können für pflegende Angehörige ebenfalls kostenlos in Anspruch genommen werden.
Die derzeitige gesetzliche Lage bewirkt, dass Angehörige zur Pflege eines behinderten Kindes gegenüber pflegenden Angehörigen schlechter gestellt sind: einerseits aufgrund der niedrigeren Bemessungsgrundlage und zum anderen aufgrund der Berufstätigkeit als Ausschlusskriterium.“
20 Aus den wiedergegebenen parlamentarischen Materialien ergibt sich, dass es bei Erlassung des SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, die Absicht des Gesetzgebers war sicherzustellen, dass eine Erwerbstätigkeit der betreuenden Person einer Selbstversicherung für Zeiten der Betreuung eines behinderten Kindes (§ 18a ASVG) grundsätzlich nicht entgegensteht. Im Normtext wurde dies zum einen mittels Ersetzung des Erfordernisses der „gänzlichen“ Beanspruchung der Arbeitskraft des/der Betreuenden durch eine Anknüpfung an die „überwiegende Beanspruchung“ und zum anderen im Wege der Streichung des Ausschlusskriteriums nach § 18a Abs. 2 Z 1 ASVG zum Ausdruck gebracht.
21 Dass zusätzlich auch beabsichtigt gewesen wäre, die in der gesetzlichen Umschreibung von Umfang und Art des objektiv bei einem Kind vorliegenden Betreuungsbedarfs zum Ausdruck kommende Abgrenzung des Kreises behinderter Kinder, für deren Betreuung die Selbstversicherung nach § 18a (Abs. 3) ASVG in Betracht kommen kann, in maßgeblicher Weise zu ändern bzw. auszuweiten, lassen diese Erläuterungen hingegen nicht erkennen.
22 Aus dem Wortlaut des § 18a Abs. 3 ASVG folgt nichts Gegenteiliges. Wenngleich der Einleitungssatz dieses Absatzes die Aufzählung von Tatbeständen, bei deren Verwirklichung eine entsprechende (in der novellierten Fassung als „überwiegend“ bezeichnete) Beanspruchung der Arbeitskraft vorliegt (Z 1 bis 3 des § 18a Abs. 3 ASVG), nunmehr mit dem Wort „jedenfalls“ beginnt und die Aufzählung somit nicht mehr taxativ zu verstehen ist, ist weiterhin im Hinblick auf die objektive Betreuungsbedürftigkeit des betreuten Kindes von einem Betreuungsbedarf auszugehen, der dem Maßstab der „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ nach Umfang und Art jedenfalls gleichkommt (zur wertungsbestimmenden Funktion demonstrativ aufgezählter Merkmale für die Auslegung des von der Aufzählung begleiteten allgemeinen Begriffs vgl. zB VwGH 31.10.2000, 98/15/0140, mwN; 16.12.2004, 2004/11/0178).
23 Zu diesem Auslegungsergebnis gelangen auch die in der Literatur dazu geäußerten Stimmen von Pfeil und Müller (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil , Der SV Komm § 18a ASVG, Rz 8 und 9, wonach „der Bedarf des Kindes nach ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ... auch der Maßstab für die Beurteilung anderer als der in den drei Ziffern ... ausdrücklich genannten Situationen“ sein muss; idS weiters auch Müller in Pfeil/Prantner [Hrsg], Sozialversicherungsrecht und Verwaltungsgerichtsbarkeit [2016] 38 40). Dabei ist weiterhin zu ermitteln, ob eine entsprechende Betreuungstätigkeit erforderlich ist, die nicht notwendigerweise täglich, aber doch mehrmals in der Woche regelmäßige Pflegeleistungen erfordert (vgl. Müller in Pfeil/Prantner [Hrsg], aaO 40; sowie Pfeil aaO Rz 10).
24 Weiterhin ist daher auch nach der durch das SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, novellierten Fassung des § 18a ASVG ein entsprechender objektiver Betreuungsbedarf des Kindes zu ermitteln. Ist dieser nach Art oder Umfang zu verneinen, erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit dem Ausmaß der Inanspruchnahme des Betreuenden durch die Pflegeleistungen von vornherein.
25 Ist der entsprechende Betreuungsbedarf des Kindes hingegen zu bejahen, gilt auch hinsichtlich der durch das SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, novellierten Fassung, wie dies auch in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch zu der auf eine „gänzliche Beanspruchung der Arbeitskraft“ abstellenden Vorgängerfassung des § 18a ASVG ausgeführt wurde, bei Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18a Abs. 3 ASVG die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist und diese Beanspruchung daher von der Behörde nicht gesondert zu untersuchen ist (siehe dazu VwGH 17.12.1991, 89/08/0353; 21.9.1999, 99/08/0053; 27.7.2001, 97/08/0651). Da dem Gesetzgeber nicht zugesonnen werden kann, dass er mit der Novellierung durch das SVAG, BGBl. I Nr. 2/2015, von der Rechtslage abgehen wollte, wonach bei Erfüllung eines der Tatbestände der Ziffern 1 bis 3 des § 18a Abs. 3 ASVG die gesetzliche Vermutung einer „gänzlichen Beanspruchung“ der Arbeitskraft eintritt (zumal eine solche Konsequenz auch den bereits wiedergegebenen, auf eine Weiterentwicklung des Rechtsinstituts nach § 18a ASVG abzielenden Motiven des Gesetzgebers zuwiderliefe), tritt in diesen Fällen kraft Größenschlusses jedenfalls auch hinsichtlich der nunmehr normierten „überwiegenden“ Beanspruchung der Arbeitskraft eine derartige das Erfordernis einer näheren Untersuchung beim Betreuenden anfallender Pflegeleistungen ausschließende gesetzliche Vermutung ein (idS wohl auch Greifeneder/Liebhart , Pflegegeld 5 [2023] Rz 12.44). Voraussetzung ist jedoch, wie in Rz 23 dargelegt, auch für die Beurteilung anderer als der in den drei Ziffern des § 18a Abs. 3 ASVG ausdrücklich genannten Situationen, dass der sich aus der Behinderung des Kindes ergebende objektive Betreuungsbedarf des Kindes dem einer „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ nach Umfang und Art gleichkommt. Dabei kann die tatsächliche Inanspruchnahme der die Selbstversicherung beanspruchenden Person einbezogen werden.
26 Ausgehend von dem relevanten Kriterium, ob von einem Betreuungsbedarf auszugehen ist, der dem Maßstab der „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ nach Umfang und Art gleichkommt, ist die Prämisse des den angefochtenen Beschluss tragenden Arguments, dass das von der PVA geführte Verfahren wegen der mangelnden Feststellungen zum Pflegebedarf nach der Einstufungsverordnung Ermittlungslücken im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG aufgewiesen hätte, hinfällig und die damit überbundene Rechtsansicht unrichtig. Schon aus diesem Grund ist auch nicht ersichtlich, inwiefern das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren nicht, allenfalls im Zusammenhalt mit einer durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) vervollständigen hätte können.
27 Dass die in der zitierten Rechtsprechung aufgezeigten Voraussetzungen einer Aufhebung und Zurückverweisung erfüllt gewesen wären, ist im Revisionsfall auch sonst nicht zu sehen. Die PVA hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren ein ärztliches Gutachten eingeholt, in dem unter Heranziehung der Angaben im Antrag (wonach Betreuungsleistungen der Mitbeteiligten das Haare waschen und Amtswege beträfen) und vorgelegter Befunde sowie nach persönlicher Untersuchung der Tochter der Mitbeteiligten Näheres, vor allem zu einzelnen der primär in Frage kommenden, für die Beurteilung einer Betreuungsbedürftigkeit relevanten Aspekte erhoben und die Erforderlichkeit einer behinderungsbedingten „ständige[n] (regelmäßige[n]) persönliche[n] Hilfe und besondere[n] Pflege“ unter diesen Aspekten jeweils verneint wurde. Wenn die PVA bei diesem Stand der Ermittlungen keine weiteren Ermittlungsschritte gesetzt hat, kann darin keine „krasse bzw. besonders gravierende Ermittlungslücke“ im Sinne der Rechtsprechung gesehen werden, die das Bundesverwaltungsgericht nicht, allenfalls im Zusammenhalt mit einer durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG), vervollständigen hätte können.
28 Indem das Bundesverwaltungsgericht eine auf § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG gestützte Aufhebung und Zurückverweisung vornahm, belastete es den angefochtenen Beschluss mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Im Hinblick darauf war der angefochtene Beschluss gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 17. Oktober 2023