JudikaturBVwG

W228 2302282-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 2025

Spruch

W228 2302282-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 07.08.2024, Zl. XXXX , nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 07.08.2024 hat die Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) festgestellt, dass die Selbstversicherung von XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX 2003, mit 30.06.2024 endet. Begründend wurde ausgeführt, dass aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres Kindes nicht überwiegend beansprucht werde. Es liege eine Zunahme der Selbständigkeit und Lernfähigkeit hinsichtlich der selbständigen Mobilität vor. Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin mit einem durchschnittlichen Pflegeaufwand von zumindest 21 Stunden wöchentlich bzw. 90 Stunden monatlich liege nicht mehr vor.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 24.08.2024 fristgerecht Beschwerde erhoben. Begründend führte sie aus, dass ihr Sohn nicht in der Lage sei, sich selbst zu versorgen und brauche er in vielen Bereichen des täglichen Lebens die Unterstützung der Beschwerdeführerin. Sie sei auch seine Erwachsenenvertreterin. Die Beschwerdeführerin unterstütze ihren Sohn, damit er am Morgen rechtzeitig aufsteht um pünktlich zu seinem Arbeitsplatz zu kommen. Sie mache seine Wäsche, bügle, gehe einkaufen und koche für ihn. Er brauche Unterstützung bei der täglichen Routine. Der Sohn der Beschwerdeführerin beziehe Mindestsicherung, erhalte erhöhte Familienbeihilfe und habe einen Behindertenpass mit der Unzumutbarkeit der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel. Durch seine Sehbehinderung (Nystagmus und kein räumliches Sehen) habe er Schwierigkeiten, sich zu orientieren. Dies bedeute, dass die Beschwerdeführerin neue Wegstrecken mit ihm trainieren müsse, bis er diese selbständig fahren könne. Die Beschwerdeführerin vereinbare alle seine Termine, unter anderem auch seine Arzttermine, zu welchen sie ihn auch begleite. Ohne Unterstützung der Beschwerdeführerin, die mehr als 21 Stunden pro Woche betrage, könnte ihr Sohn kein geregeltes Leben führen. Allein die Tatsache, dass er nicht allein leben könne, zeige, dass die Beschwerdeführerin ihn überwiegend betreue. Die Beendigung der Selbstversicherung sei für sie in keiner Weise nachvollziehbar.

Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 11.11.2024 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Am 19.12.2024 langte – nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – eine mit 17.12.2024 datierte Mitteilung und Unterlagenvorlage der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 04.04.2025 übermittelte die belangte Behörde eine weitere Unterlagenvorlage, unter anderem eine Beschwerdeergänzung der Beschwerdeführerin samt beiliegendem Konvolut, an das Bundesverwaltungsgericht.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 20.05.2025 eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der die Beschwerdeführerin sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Bescheid vom 29.05.2019 hat die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin vom 30.04.2019 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX 2003, ab 24.09.2018 stattgegeben.

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 07.08.2024 hat die belangte Behörde festgestellt, dass die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX mit 30.06.2024 endet.

Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn leben im maßgeblichen Zeitraum im gemeinsamen Haushalt.

Die Beschwerdeführerin bezieht für ihren Sohn im verfahrensrelevanten Zeitraum erhöhte Familienbeihilfe.

Der Sohn der Beschwerdeführerin leidet an einer leichten Intelligenzminderung (ICD-10: F709; Hauptdiagnose).

Der Sohn der Beschwerdeführerin kam in gutem Allgemein- und Ernährungszustand zur Untersuchung am 14.05.2024. Er präsentierte sich wach, bewusstseinsklar, der Gedankenablauf war geordnet, wenn auch das Denkziel nicht immer erreicht wurde. Seine Gedächtnisleistung war beschränkt. Seine Sorge galt dem Lebensalter der Mutter. Neurologisch fiel ein Nystagmus spontan und unerschöpflich auf, den der Sohn der Beschwerdeführerin allerdings ausreichend gut kompensierte.

Der Sohn der Beschwerdeführerin hat die Volksschule, die Mittelschule nach dem Sonderlehrschulplan sowie bis zur Pandemie Berufsförderungskurse besucht. Nach der Pandemie hat die Beschwerdeführerin eine Tagesstruktur für ihren Sohn organisiert; zunächst war er ca. zwei Jahre bei der ÖHTB, wo er bei einem Botendienst tätig war. Er war dort von Montag bis Freitag im Ausmaß von 30 Wochenstunden beschäftigt. Nunmehr ist er seit ca. Anfang des Jahres 2024 in der Tagestruktur bei der ITA (individualisierte Teilausbildungen) in Wien. Er macht dort ein Praktikum als Kindergartenassistent, welches auf vier Jahre angelegt ist. Der Beschwerdeführer ist von Montag bis Donnerstag von 09:00 bis 15:00 Uhr und am Freitag von 09:00 bis 13:00 Uhr im Rahmen der Tagesstruktur beschäftigt. In den Schulferien endet die Tagesstruktur schon um 13:15 bzw. 14:15 Uhr.

Seit 01.07.2024 ist keine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege des Sohnes der Beschwerdeführerin erforderlich.

Die Beschwerdeführerin war von 11.02.2019 bis 28.06.2019 bei der XXXX GmbH als Arbeiterin vollversicherungspflichtig mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 15 Stunden beschäftigt. Die Arbeitszeiten waren von Montag bis Freitag, jeweils ca. von 11:00 bis 14:00 Uhr.

Von 02.12.2019 bis 01.12.2020 war sie bei der XXXX GmbH als Angestellte im Ausmaß von 20 Wochenstunden vollversicherungspflichtig beschäftigt. Sie arbeitete entweder vormittags von 09:00 bis 13:00 Uhr oder nachmittags von 13:00 bis 20:00 Uhr und es gab auch Wochenenddienste.

Von 01.01.2021 bis 31.07.2021 war die Beschwerdeführerin bei Dr. XXXX geringfügig (10 Wochenstunden, jeweils Mittwoch 12:30 bis 17:30 Uhr und Donnerstag 08:30 bis 13:30 Uhr) und von 01.08.2021 bis 31.05.2022 als Angestellte vollversicherungspflichtig (12,5 Wochenstunden, Arbeitszeiten wie im Zeitraum 01.01.2021 bis 31.07.2021 und zusätzlich Dienstag 14:30 bis 17:00 Uhr) beschäftigt. Seit 01.07.2022 bis laufend ist sie bei dieser Dienstgeberin wiederum geringfügig beschäftigt, und zwar bis 31.12.2023 im Ausmaß von 10 Wochenstunden (jeweils Montag 10:30 bis 15:30 Uhr und Dienstag 14:30 bis 19:30 Uhr) und seit 01.01.2024 im Ausmaß von 9 Wochenstunden (jeweils Montag 11:00 bis 15:30 Uhr und Dienstag 15:00 bis 19:30 Uhr).

Mit Bescheid der PVA vom 09.10.2024 wurde der Antrag vom 23.08.2024 auf Gewährung des Pflegegeldes für den Sohn der Beschwerdeführerin abgelehnt, mit der Begründung, dass die durchgeführte Begutachtung ergeben habe, dass kein Pflegebedarf besteht. Gegen diesen Bescheid wurde Klage erhoben und ist das diesbezügliche Pflegegeldverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht anhängig.

2. Beweiswürdigung:

Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts sowie der Bezug der Familienbeihilfe sind unstrittig.

Die Feststellungen über Art und Ausmaß der beim Sohn der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen stützen sich auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte - vom Bundesverwaltungsgericht für schlüssig befundene - ärztliche Gesamtgutachten eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie vom 14.05.2024, das auf dem im Rahmen einer am 14.05.2024 stattgefundenen persönlichen Untersuchung des Sohnes der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Untersuchungsbefund sowie auf den Angaben der Beschwerdeführerin und ihres Sohnes basiert, sowie auf die chefärztliche Stellungnahme vom 15.06.2024.

Die Feststellungen zum Schulbesuch des Sohnes der Beschwerdeführerin sowie zu seinen Tätigkeiten im Rahmen der Tagesstruktur ergeben sich aus dem Gutachten vom 14.05.2024, dem Beschwerdevorbringen sowie insbesondere aus den Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Zur Feststellung, wonach seit 01.07.2024 keine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege des Sohnes der Beschwerdeführerin erforderlich ist, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:

Das – oben angeführten – eingeholte ärztliche Gesamtgutachten vom 14.05.2024 basiert auf einer persönlichen Untersuchung des Sohnes der Beschwerdeführerin und ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. In der ärztlichen Beurteilung erfolgte unter Berücksichtigung der festgestellten Hauptdiagnose eine Beschreibung der Behinderung des Sohnes der Beschwerdeführerin im zeitlichen Verlauf und der daraus resultierenden körperlichen und/oder psychisch-geistigen Einschränkungen. In diesem Gutachten wurde festgehalten, dass gegenüber dem Vorgutachten aufgrund der Zunahme der Selbständigkeit sowie der Lernfähigkeit hinsichtlich der selbständigen Mobilität und der Führbarkeit eine wesentliche Besserung bestehe und daher eine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich sei.

Laut chefärztlicher Stellungnahme vom 15.06.2024 ist aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht mehr gerechtfertigt. Basis dieser chefärztlichen Stellungnahme ist das genannte ärztliche Gesamtgutachten vom 14.05.2024.

Die Beschwerdeführerin ist dem vorliegenden Gutachten sowie der darauf basierenden chefärztlichen Stellungnahme nicht substantiiert entgegengetreten. Das Vorbringen in der Beschwerde, wonach sie ihren Sohn im Ausmaß von mehr als 21 Stunden pro Woche unterstütze, blieb unsubstantiiert und unkonkret. Auch aus den in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht von der Beschwerdeführerin getätigten Angaben lässt sich keine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin ableiten. Auf Vorhalt, dass sich der im Gutachten vom 14.05.2024 dargestellte Betreuungsaufwand („Anlernen der Wegstrecke zum Beschäftigungsort, Hilfestellung beim Erreichen seltener Veranstaltungsorte, Vertretung bei Ämtern und Behörden, Nahrungszubereitung, Beschaffung von Nahrungsmitteln und persönlichen Dingen, Pflege der Leib- und Bettwäsche. Weiters Hilfestellung beim Haarewaschen und Rasieren, da das sonst unvollständig ist“) planbar lese und nachgefragt, ob die Pflege ihres Sohnes tatsächlich planbar sei oder ob Unvorhergesehenes eintrete, gab die Beschwerdeführerin an: „An sich ist es planbar, außer er ist erkrankt.“

Überdies ist die – oben festgestellte - flexible zeitliche Arbeitstätigkeit der Beschwerdeführerin ein starkes Indiz dafür, dass sie nicht überwiegend in ihrer Arbeitskraft beansprucht wird. Es wird nicht verkannt, dass sich die Feststellungen zur flexiblen Arbeitstätigkeit der Beschwerdeführerin bereits auf den Zeitraum ab dem Jahr 2019 beziehen, der verfahrensrelevante Zeitraum jedoch erst mit 01.07.2024 beginnt. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch festzuhalten, dass sich aus dem Gutachten vom 14.05.2024 ergibt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin zu den geplanten Nachuntersuchungen 2021 und 2022 nicht erschienen ist.

Beweiswürdigend ist weiters auf das in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegte Sachverständigengutachten vom 14.04.2025 eines Arztes für Allgemeinmedizin aus dem Pflegegeldverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht zu verweisen. In diesem Gutachten wurde ausgeführt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin Betreuung bei der Zubereitung von Mahlzeiten, bei der Einnahme von Medikamenten, bei der Mobilitätshilfe im weiteren Sinn, sowie Unterstützung für das Herrichten der Kleidung (im Ausmaß von fünf Stunden pro Monat) benötigt. Daraus ergibt sich insgesamt ein Pflegeaufwand von 48 Stunden pro Monat (Zubereitung von Mahlzeiten 30 Stunden pro Monat laut Richtwert, Einnahme von Medikamenten 3 Stunden pro Monat laut Richtwert, Mobilitätshilfe im weiteren Sinn 10 Stunden pro Monat laut Richtwert sowie Unterstützung für das Herrichten der Kleidung im Ausmaß von 5 Stunden pro Monat laut Gutachten). Laut Erkenntnis des VwGH vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084, ist eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des § 18a Abs. 1 iVm Abs. 3 ASVG bei einem durchschnittlichen Pflegeaufwand ab 21 Stunden wöchentlich bzw. ab 90 Stunden monatlich anzunehmen. Auch wenn – wie in der rechtlichen Beurteilung noch näher ausgeführt wird - die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien abstellt, ist der im Gutachten vom 14.04.2025 festgestellte Pflegeaufwand von 48 Stunden monatlich ein weiteres Indiz dafür, dass keine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin vorliegt.

In einer Gesamtschau ist es daher schlüssig, dass die Notwendigkeit einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege des Sohnes der Beschwerdeführerin nicht vorliegt. Somit kann die gesetzliche Vermutung, welche die Folge ständiger persönliche Hilfe und besondere Pflege ist, im gegenständlichen Fall nicht greifen.

Abschließend ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen zu entkräften, dem Sachverständigengutachten vom 14.05.2024 samt chefärztlicher Stellungnahme vom 15.06.2024 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten ist.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen der Beschwerdeführerin ergeben sich aus dem Versicherungsverlauf. Die Feststellungen zu den konkreten Arbeitszeiten ergeben sich aus den diesbezüglichen Rückmeldungen der Dienstgeber sowie den Angaben der Beschwerdeführerin in der Verhandlung.

Der Bescheid der PVA vom 09.10.2024, mit welchem der Antrag vom 23.08.2024 auf Gewährung des Pflegegeldes abgelehnt wurde, liegt im Akt ein. Der Umstand, dass das diesbezügliche Pflegegeldverfahren vor dem Arbeits- und Sozialgericht anhängig ist, ergibt sich unstrittig aus dem Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten auszugsweise:

„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) […]

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. […]

Schlussbestimmungen zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2013 (78. Novelle)

§ 669. (1) – (2) […]

(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.“

Für gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Wie festgestellt, bezieht die Beschwerdeführerin für ihren Sohn die erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG. Ebenso leben die Beschwerdeführerin und ihr Sohn im gemeinsamen Haushalt im Inland.

Zur überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft:

Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung des Alters des Sohnes der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum und der Vollendung der allgemeinen Schulpflicht§ 18a Abs. 3 Z 3 ASVG einschlägig. Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG wird eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägrig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Im vorliegenden Fall – zumal unstrittig keine dauernde Bettlägerigkeit vorliegt – ist für die Frage der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin somit relevant, ob ihr Sohn im verfahrensrelevanten Zeitraum (ab 01.07.2024) einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedurfte (vgl. zum Maßstab der „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ auch jüngst VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0142).

Es ist unter Zuhilfenahme medizinischer Sachverständiger zu klären, in welchen Belangen das Kind der persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedarf und ob bei Unterbleiben der Betreuung durch den pflegenden Elternteil das Kind im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zu Teil wurde, in seiner Entwicklung benachteiligt und gefährdet wäre (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261). In seinem Erkenntnis vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG – im Gegensatz zu § 18b ASVG – nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien abstellt.

Inhaltlich versteht der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmung wohl so, dass das Kind aufgrund seiner Behinderung zwar nicht körperlich hinfällig ist, aber aus anderen Gründen (insbesondere auch aufgrund einer geistigen Behinderung) rund um die Uhr einer intensiven persönlichen Betreuung bedarf, ohne die es gänzlich außerstande wäre, seinen Tagesablauf zu bewältigen. Der Begriff „ständig“ kann wohl nur so verstanden werden, wonach ständiger Pflegebedarf vorliegt, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben ist (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a ASVG, Rz 9-10 [Stand 1.10.2023, rdb.at]).

Ein derartiger ständiger Bedarf persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten vom 14.05.2024 in Verbindung mit der chefärztlichen Stellungnahme vom 15.06.2024 schlüssig und nachvollziehbar ergibt, ist ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege seit 01.07.2024 nicht erforderlich. Dazu ist überdies auf die weiteren oben angeführten beweiswürdigenden Erwägungen zu verweisen.

Den Ergebnissen der ärztlichen Begutachtung ist die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten, sodass ihre Angaben in der Beschwerde und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht geeignet sind, eine andere Beurteilung des Sachverhalts herbeizuführen.

Einem schlüssigen Sachverständigengutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0318, mwN).

Wie bereits ausgeführt wurde, trat die Beschwerdeführerin dem medizinischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen und zeigte auch keinen Widerspruch des Gutachtens mit den Denkgesetzen bzw. mit den Erfahrungen des Lebens sowie keine Unvollständigkeiten auf. Sie brachte weder ein Gutachten noch (sonstige) medizinische Beweismittel in Vorlage, welche Zweifel am vorliegenden Sachverständigenbeweis aufkommen ließen. Es konnten die Ergebnisse des Gutachtens auch aufgrund der von ihr in der Beschwerde und in der Verhandlung getätigten Angaben nicht in Zweifel gezogen werden.

Festzuhalten ist weiters, dass die Ausübung einer Erwerbstätigkeit neben der Pflege zwar grundsätzlich zulässig ist (vgl. VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0142), die flexible zeitliche Arbeitstätigkeit der Beschwerdeführerin gegenständlich jedoch – wie beweiswürdigend ausgeführt - gegen die überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin spricht (siehe dazu VwGH vom 17.12.1991, 89/08/0353: Der VwGH ging dort davon aus, dass „es der Beschwerdeführerin auch in der ihr verbleibenden freien Zeit (in der sich ihr Kind in der Schule befindet) kaum möglich wäre, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen und dadurch für eine eigenständige Alterssicherung vorzusorgen.“ Dies ist hier nicht der Fall).

Insgesamt ist der PVA darin zuzustimmen, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG mangels überwiegender Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin ab 01.07.2024 zu verneinen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass anhand der ständigen Rechtsprechung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG Einzelfallfragen insbesondere zum Thema der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft in Bezug auf klare gesetzliche Bestimmungen zu klären waren. Die gegenständliche Entscheidung orientiert sich an der Judikatur des VwGH und hat sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung ergeben.