JudikaturBVwG

W198 2295788-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
Öffentliches Recht
13. Januar 2025

Spruch

W198 2295788-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Karl SATTLER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien, vom 05.06.2024, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Am 21.09.2023 beantragte XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführerin) die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes, ihres Pflegekindes, XXXX , geb. XXXX , ab Juni 2022.

2. Mit Bescheid vom 05.06.2024, Zl. XXXX , hat die Pensionsversicherungsanstalt, Hauptstelle Wien (im Folgenden: PVA), den Antrag der Beschwerdeführerin vom 21.09.2023 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX , abgelehnt. Begründend wurde ausgeführt, dass kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vorliege. Aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses werde die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege des Kindes nicht überwiegend beansprucht.

3. Gegen diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 04.07.2024 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte sie aus, dass sehr wohl erhöhte Familienbeihilfe bezogen werde und werde die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin auch überwiegend beansprucht. Der Sohn der Beschwerdeführerin leide an kindlicher Migräne, ADHS, dem Brugada-Syndrom, rezidivierenden Infekten sowie psychologischen Traumata. Die Betreuung durch die Beschwerdeführerin habe zur Sicherstellung des Entwicklungserfolges des Kindes beigetragen und habe eine Verminderung der Betreuung eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Kindes zur Folge. Ohne die intensive Betreuung durch die Beschwerdeführerin wäre das Kind gänzlich außer Stande, seinen Tagesablauf zu bewältigen. Im Allgemeinen habe sich der Gesundheitszustand des Kindes in den letzten Monaten massiv verschlechtert. Der durchschnittliche Zeitaufwand der Beschwerdeführerin für die Pflege betrage ca. 27 Stunden pro Woche. Die Einschätzung der PVA im angefochtenen Bescheid, dass die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin nicht überwiegend beansprucht werde, lasse sich aus den vorliegenden fachärztlichen Bestätigungen nicht ableiten.

4. Der Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 17.07.2024 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Am 21.09.2023 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes, ihres Pflegekindes XXXX , geb. XXXX , ab Juni 2022.

Die Beschwerdeführerin ist seit 01.03.2017 die Pflegemutter von XXXX . Die Beschwerdeführerin und das Pflegekind leben im maßgeblichen Zeitraum im gemeinsamen Haushalt.

Die Beschwerdeführerin bezieht für ihr Pflegekind seit 01.06.2022 erhöhte Familienbeihilfe.

Das Pflegekind der Beschwerdeführerin leidet an einer einfachen Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung (Hauptdiagnose). Darüber hinaus leidet es an Migräne (Nebendiagnose). Die Migräneanfälle treten ca. einmal wöchentlich auf. Im März 2024 litt das Kind an einer Nierenbeckenentzündung (weitere Diagnose).

Das Pflegekind wurde im Alter von drei Jahren von der Beschwerdeführerin als Pflegemutter übernommen. Bei der Übernahme bestand ein Entwicklungsrückstand, welcher jedoch rasch aufgeholt wurde. Diagnostiziert wurde zunächst eine kombinierte Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen, nunmehr besteht eine einfache Aktivitäts- und Aufmerksamkeitsstörung. Das Pflegekind der Beschwerdeführerin besucht eine normale Volksschule und ist ein sehr guter Schüler. Zweimal in der Woche spielt er im Fußballverein, einmal in der Woche Tennis, einmal in der Woche Klavier und einmal in der Woche Schlagzeug.

Als medikamentöse Therapie nimmt das Pflegekind der Beschwerdeführerin Migradolor Junior, Ritalin 10 mg einmal täglich in der Früh an Schultagen, Easysleep Spray bei Bedarf sowie Nureflex bei Bedarf im Falle eines Migräne-Anfalls. Als therapeutische Maßnahmen geht das Kind alle 14 Tage zur Ergotherapie, einmal im Monat zur Kinesiologie sowie alle zwei Monate zum Kinderpsychiater.

Dem Pflegekind der Beschwerdeführerin ist es möglich sich selbständig an- und auszukleiden, die Notdurft zu verrichten, seinen Körper zu reinigen und zu essen. Eine ständige Anwesenheit der Beschwerdeführerin bzw. Abrufbereitschaft ist nicht erforderlich. Persönliche Hilfe durch die Beschwerdeführerin ist für die Lernunterstützung, Schulwegbegleitung, Begleitung zu Therapien/Kontrollen sowie für die Medikamenteneinnahme erforderlich. Mit einer Besserung der Behinderung im Sinne einer zunehmenden Selbständigkeit ist im Zeitraum von 12 Monaten zu rechnen.

Die Beschwerdeführerin ist im maßgeblichen Zeitraum, konkret seit 15.03.2017 bis laufend, zum einen geringfügig im Ausmaß von 20 Stunden pro Monat beim Verein XXXX tätig und zum anderen seit 23.09.2024 bis laufend bei XXXX Ges.m.b.H, aufgrund eines freien Dienstvertrages ebenfalls geringfügig beschäftigt.

Es ist festzustellen, dass keine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege des Pflegekindes der Beschwerdeführerin erforderlich ist und im verfahrensrelevanten Zeitraum ab Juni 2022 auch nicht erforderlich war.

2. Beweiswürdigung:

Der Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung vom 21.09.2023 liegt im Akt ein.

Das Vorliegen eines gemeinsamen Haushalts ist unstrittig.

Der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe ab Juni 2022 ergibt sich aus der Mitteilung über den Bezug der Familienbeihilfe und ist ebenfalls unstrittig.

Die Feststellungen über Art und Ausmaß der beim Pflegekind der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen sowie die Feststellung, wonach keine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege erforderlich ist, stützen sich auf das im Verwaltungsverfahren eingeholte – vom Bundesverwaltungsgericht für schlüssig befundene – ärztliche Gutachten eines Arztes für Neurologie vom 26.04.2024, das auf dem im Rahmen einer am 25.04.2024 stattgefundenen persönlichen Untersuchung des Pflegekindes der Beschwerdeführerin erhobenen klinischen Untersuchungsbefund sowie auf den Angaben der Beschwerdeführerin basiert, und sich in den Ergebnissen mit der chefärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2024 deckt. In der ärztlichen Beurteilung erfolgte unter Berücksichtigung der festgestellten Hauptdiagnose sowie der weiteren Diagnosen eine Beschreibung der Behinderung des Pflegekindes der Beschwerdeführerin im zeitlichen Verlauf und der daraus resultierenden körperlichen und/oder psychischen Einschränkungen. Es wurde im ärztlichen Gutachten vom 26.04.2024 und in der chefärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2024 übereinstimmend ausgeführt, dass eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im verfahrensrelevanten Zeitraum zu keinem Zeitpunkt vorlag bzw. vorliegt.

Es ist vor diesem Hintergrund schlüssig, dass die Notwendigkeit einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege des Pflegekindes der Beschwerdeführerin nicht vorliegt.

Wenn die Beschwerdeführerin in der Beschwerde vorbringt, dass die erforderliche Betreuung ihres Pflegekindes jedenfalls eine überwiegende Beanspruchung ihrer Arbeitskraft darstelle, so ist dazu festzuhalten, dass dieses Vorbringen unsubstantiiert und unkonkret blieb. Ebenso unbelegt blieb die in der Beschwerde lediglich in den Raum gestellte Behauptung, dass sich der Gesundheitszustand ihres Pflegekindes in den letzten Monaten massiv verschlechtert habe und steht diese Behauptung auch im Widerspruch zu der im Gutachten getroffenen Feststellung, wonach mit einer Besserung der Behinderung im Sinne einer zunehmenden Selbständigkeit im Zeitraum von 12 Monaten zu rechnen sei. Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen des Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten vom 26.04.2024 samt chefärztlicher Stellungnahme vom 29.05.2024 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Auch wurden von ihr keine Befunde vorgelegt, die das Ergebnis des Gutachtens widerlegen könnten.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtet den vorliegenden Sachverständigenbeweis für schlüssig, widerspruchsfrei und vollständig. Er wird der gegenständlichen Entscheidung in freier Beweiswürdigung zugrunde gelegt.

Beweiswürdigend ist weiters festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin im Antrag auf Selbstversicherung vom 21.09.2023 die Frage 6.2., ob ihre Arbeitskraft durch die Pflege des Kindes überwiegend beansprucht werde, dezidiert mit „nein“ angekreuzt hat. Erst in der Beschwerde, sohin nach Erhalt des abweisenden Bescheides, hat die Beschwerdeführerin erstmals vorgebracht, dass sehr wohl eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft vorliege. Diesbezüglich ist auf die ständige Judikatur des VwGH zu verweisen, wonach die Erstaussage die Vermutung für sich hat, dass sie der Wahrheit am nächsten kommt (vgl. VwGH vom 09.09.2004, 2001/15/0086).

Auch die beiden geringfügigen Beschäftigungen im maßgeblichen Zeitraum, jedenfalls ab 23.09.2024, sprechen gegen eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin.

Zum weiteren Vorbringen in der Beschwerde, wonach die leibliche Schwester des Pflegekindes der Beschwerdeführerin einen vergleichbaren Krankheitszustand aufweise und deren Pflegemutter der Antrag auf Selbstversicherung bewilligt worden sei, ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen erstens völlig unbelegt blieb. Überdies ist gegenständlich eine Einzelfallbeurteilung vorzunehmen und hat die angeblich bewilligte Selbstversicherung der Pflegemutter der Schwester des Pflegekindes der Beschwerdeführerin keine Relevanz für gegenständliches Verfahren.

Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin im Ausmaß von 20 Stunden pro Monat beim Verein XXXX tätig ist, ergibt sich aus dem vorliegenden Dienstvertrag. Der Angabe der Beschwerdeführerin im Antrag auf Selbstversicherung, wonach sie im Ausmaß von 20 Wochenstunden erwerbstätig sei, kann hingegen nicht gefolgt werden, zumal davon auszugehen ist, dass im Dienstvertrag die korrekte Stundenzahl festgehalten ist und es sich bei der Angabe der Beschwerdeführerin im Antrag diesbezüglich um ein Versehen handelte. Die zweite geringfügige Beschäftigung der Beschwerdeführerin bei XXXX Ges.m.b.H, aufgrund eines freien Dienstvertrages seit 23.09.2024 bis laufend ergibt sich aus dem amtswegig eingeholten Datenauszug aus den gespeicherten Daten beim Dachverband der österreichischen Sozialversicherung.

3. Rechtliche Beurteilung:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Nach § 9 Abs. 2 Z 1 VwGVG ist belangte Behörde in den Fällen des Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG jene Behörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages, der gegenständlich nicht vorliegt, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage, insbesondere durch das vorliegende Gutachten, dem nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten wurde, hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen (VwGH 31.07.2007, Zl. 2005/05/0080). Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Die im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten auszugsweise:

„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) […]

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

[…]

Schlussbestimmungen zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2013 (78. Novelle)

§ 669. (1) – (2) […]

(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.“

Für gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Wie festgestellt, bezieht die Beschwerdeführerin für ihr Pflegekind die erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG seit Juni 2022. Ebenso leben die Beschwerdeführerin und ihr Pflegekind im gemeinsamen Haushalt im Inland.

Zur überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft:

Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung des Alters des Pflegekindes der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG einschlägig. Gemäß § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG wird eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Im vorliegenden Fall ist – zumal unstrittig keine Befreiung von der allgemeinen Schulpflicht vorliegt – für die Frage der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin somit relevant, ob ihr Pflegekind im verfahrensrelevanten Zeitraum einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedurfte (vgl. zum Maßstab der „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ auch jüngst VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0142).

Es ist unter Zuhilfenahme medizinischer Sachverständiger zu klären, in welchen Belangen das Kind der persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedarf und ob bei Unterbleiben der Betreuung durch den pflegenden Elternteil das Kind im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zu Teil wurde, in seiner Entwicklung benachteiligt und gefährdet wäre (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261). In seinem Erkenntnis vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG – im Gegensatz zu § 18b ASVG – nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien abstellt.

Inhaltlich versteht der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmung wohl so, dass das Kind aufgrund seiner Behinderung zwar nicht körperlich hinfällig ist, aber aus anderen Gründen (insbesondere auch aufgrund einer geistigen Behinderung) rund um die Uhr einer intensiven persönlichen Betreuung bedarf, ohne die es gänzlich außerstande wäre, seinen Tagesablauf zu bewältigen. Der Begriff „ständig“ kann wohl nur so verstanden werden, wonach ständiger Pflegebedarf vorliegt, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben ist (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a ASVG, Rz 9-10 [Stand1.10.2023, rdb.at]).

Ein derartiger ständiger Bedarf persönlicher Hilfe und besonderer Pflege ist im gegenständlichen Fall zu verneinen. Wie sich aus dem Sachverständigengutachten vom 26.04.2024 in Verbindung mit der chefärztlichen Stellungnahme vom 29.05.2024 schlüssig und nachvollziehbar ergibt, ist ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege nicht erforderlich. Den Ergebnissen der ärztlichen Begutachtung ist die Beschwerdeführerin nicht substantiiert entgegengetreten, sodass die Angaben in der Beschwerde nicht geeignet sind, eine andere Beurteilung des Sachverhalts herbeizuführen.

Einem schlüssigen Sachverständigengutachten kann mit bloßen Behauptungen, ohne Argumentation auf gleicher fachlicher Ebene, in tauglicher Art und Weise nicht entgegengetreten werden. Ein von einem tauglichen Sachverständigen erstelltes, mit den Erfahrungen des Lebens und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehendes Gutachten kann in seiner Beweiskraft nur durch ein gleichwertiges Gutachten bekämpft werden (vgl. VwGH 13.1.2023, Ra 2022/06/0318, mwN).

Wie bereits ausgeführt wurde, trat die Beschwerdeführerin dem medizinischen Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen und zeigte auch keinen Widerspruch des Gutachtens mit den Denkgesetzen bzw. mit den Erfahrungen des Lebens sowie keine Unvollständigkeiten auf. Sie brachte weder ein Gutachten noch (sonstige) medizinische Beweismittel in Vorlage, welche Zweifel am vorliegenden Sachverständigenbeweis aufkommen ließen. Es konnten die Ergebnisse des Gutachtens auch aufgrund der von ihr insbesondere in der Beschwerde getätigten Angaben nicht in Zweifel gezogen werden.

Insgesamt ist der PVA darin zuzustimmen, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG mangels überwiegender Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin zu verneinen ist.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.