JudikaturBVwG

W228 2313906-1 – Bundesverwaltungsgericht Entscheidung

Entscheidung
17. Juli 2025

Spruch

W228 2313906-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , SVNR XXXX , gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom 03.04.2025, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX 2017, nicht mit 30.09.2024 endet und somit über den 30.09.2024 bis zum Entscheidungszeitpunkt aufrecht ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 03.04.2025 hat die Pensionsversicherungsanstalt (in der Folge: PVA) dem Antrag von XXXX (in der Folge: Beschwerdeführerin) vom 13.12.2024 auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX .2017, ab 01.01.2022 stattgegeben und endet mit 30.09.2024. Weiters wurde festgestellt, dass für die Zeit von 01.12.2017 bis 31.12.2021 die Berechtigung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nicht gegeben ist. Begründend wurde ausgeführt, dass kein Bezug einer erhöhten Familienbeihilfe vorliege, sowie, dass aufgrund des fachärztlichen Begutachtungsergebnisses die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin durch die Pflege ihres Kindes nicht überwiegend beansprucht werde. Der Sohn der Beschwerdeführerin besuche seit September 2024 normal die Volksschule. Seine Lehrerin habe selbst Zöliakie, sodass nur mehr gelegentliche Telefonate mit der Lehrerin stattfinden müssten. Der Sohn der Beschwerdeführerin fahre selbständig um 07:00 Uhr mit dem Bus in die Schule und komme zwischen 12:00 und 13:00 Uhr mit dem Bus selbständig nachhause. Aufgrund des festgestellten Leidenszustandes sei eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG ab 01.10.2024 wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nicht gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid wurde mit Schreiben der Beschwerdeführerin vom 05.05.2025 fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin führte sie aus, dass ihr Sohn seit Februar 2022 nachgewiesen an Zöliakie leide. Es sei bei ihrem Sohn ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% festgestellt worden. Um schwere gesundheitliche Schäden zu vermeiden, sei eine strikte glutenfreie Ernährung essenziell. Ein zusätzlicher Aufwand ergebe sich dadurch, dass der andere Sohn der Beschwerdeführerin regelmäßig Gluten zu sich nehmen müsse und sei es daher notwendig, einen doppelt geführten Haushalt mit sehr strengen Trennvorgaben zu führen. Die Ablehnung des Antrags auf Selbstversicherung durch die belangte Behörde ab 01.10.2024 basiere hauptsächlich auf der Annahme, dass im schulischen Umfeld kein laufender Betreuungsbedarf seitens der Beschwerdeführerin bestehe. Diese Sichtweise werde der tatsächlichen Betreuungssituation nicht gerecht. Der tägliche Pflege- und Betreuungsaufwand beginne bei der sorgfältigen Planung, Zubereitung und Sicherstellung einer glutenfreien Ernährung. Eine mögliche Kreuzkontamination stelle ein erhebliches gesundheitliches Risiko dar und seien kontinuierliche Aufmerksamkeit und Hygienemaßnahmen erforderlich. Die schulische Einrichtung biete keine Nachmittagsbetreuung mit ausreichender Kenntnis und Verantwortung in Bezug auf Zöliakie an. Der organisatorische und gesundheitliche Mehraufwand erstrecke sich über sämtliche schulischen und außerschulischen Aktivitäten, die mit außerhäuslicher Verpflegung verbunden sind. Medizinische Nachweise und Kontrollen würden die Notwendigkeit und Effektivität der durchgeführten Maßnahmen belegen. Darüber hinaus halte die Beschwerdeführerin fest, dass sie in ihrer beruflichen Funktion als diplomierte Sozialpädagogin Turnusdienste mit einer Dauer von 12 bis 24 Stunden zu leisten hätte und eine sichere Betreuung ihres Sohnes unter diesen Rahmenbedingungen nicht gewährleistet wäre.

Die Beschwerdesache wurde unter Anschluss der Akten des Verfahrens am 05.06.2025 dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Schreiben vom 11.06.2025 der belangten Behörde Parteiengehör gewährt. In diesem Parteiengehör wurden Ausführungen zur Sach- und Rechtslage getätigt.

Am 17.06.2025 langte eine mit 16.06.2025 datierte Äußerung der belangten Behörde beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 03.04.2025 hat die belangte Behörde dem Antrag der Beschwerdeführerin auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes XXXX , geb. XXXX 2017, ab 01.01.2022 stattgegeben und festgestellt, dass die Selbstversicherung mit 30.09.2024 endet.

Die Beschwerdeführerin bezieht für ihren Sohn im verfahrensrelevanten Zeitraum erhöhte Familienbeihilfe.

Die Beschwerdeführerin und ihr Sohn sind in einem gemeinsamen Haushalt an einer Adresse im Inland wohnhaft.

Der Sohn der Beschwerdeführerin leidet an Zöliakie (ICD-10: K900; Hauptdiagnose).

Der Sohn der Beschwerdeführerin ist nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit.

Beim Sohn der Beschwerdeführerin traten bei normaler Ernährung im Sommer 2021 zunehmend Bauchkrämpfe auf, im Februar 2022 wurde die Erstdiagnose Zöliakie gestellt. Als Therapie für das Kind wurde eine glutenfreie Ernährung festgelegt. Bei strikter Einhaltung der glutenfreien Ernährung ist der Sohn der Beschwerdeführerin beschwerdefrei.

Der Sohn der Beschwerdeführerin besuchte von September 2022 bis Juni 2024 den Kindergarten, wo die Beschwerdeführerin täglich aufgrund der bei ihrem Sohn notwendigen glutenfreien Ernährung in den Kindergarten fahren bzw. länger telefonieren musste, da die Betreuerinnen mit der Diät nicht zurechtkamen. Seit September 2024 besucht der Sohn der Beschwerdeführerin eine reguläre Volksschule. Er fährt selbständig um 07:00 Uhr mit dem Bus in die Schule und kommt zwischen 12:00 und 13:00 Uhr selbständig mit dem Bus nachhause.

Die Beschwerdeführerin bereitet für ihren Sohn täglich glutenfreien Speisen zu. Dafür ist eine Planung der Mahlzeiten, ein Einkauf der glutenfreien Lebensmittel sowie die Zubereitung der glutenfreien Gerichte notwendig. Eine Nichteinhaltung der glutenfreien Diät würde zu massiven gesundheitlichen Problemen beim Sohn der Beschwerdeführerin führen. Bei sämtlichen Aktivitäten, die mit außerhäuslicher Verpflegung verbunden sind, ist eine Kontrolle durch die Beschwerdeführerin notwendig um zu vermeiden, dass ihr Sohn mit glutenhaltigen Nahrungsmitteln in Berührung kommt. Einmal im Monat ist die Beschwerdeführerin im Austausch mit einer Diätologin.

Beim Sohn der Beschwerdeführerin ist über den 30.09.2024 hinaus behinderungsbedingt ständige (regelmäßige) persönliche Hilfe und besondere Pflege bei der Nahrungszubereitung, für die Überwachung notwendiger diätischer Einschränkungen sowie für zeitaufwendige Manipulation im häuslichen Bereich erforderlich. Zudem ist Abrufbereitschaft erforderlich. Es ist weiters behinderungsbedingt mit gehäuften Erkrankungen des Sohnes der Beschwerdeführerin und dadurch bedingte Verhinderungen der Beschwerdeführerin zu rechnen.

In einer Gesamtschau wird festgestellt, dass über den 30.09.2024 hinaus eine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege des Sohnes der Beschwerdeführerin erforderlich ist.

2. Beweiswürdigung:

Der Bezug der erhöhten Familienbeihilfe im verfahrensrelevanten Zeitraum ist unstrittig.

Der gemeinsame Wohnsitz im Inland ist ebenso unstrittig.

Auch ist nicht strittig, dass der Sohn der Beschwerdeführerin nicht von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist.

Die Feststellung, dass der Sohn der Beschwerdeführerin an Zöliakie leidet, stützt sich auf das ärztliche Gesamtgutachten zum Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG (Erstuntersuchung) einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 12.03.2025 sowie auf die chefärztliche Stellungnahme vom 18.03.2025.

Die Feststellungen über Art und Ausmaß der beim Sohn der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, die Feststellungen zu seinem Kindergarten- und Schulbesuch sowie zu den erforderlichen Betreuungsleistungen ergeben sich aus dem ärztlichen Gesamtgutachten vom 12.03.2025, welches auf einer am 12.02.2025 stattgefundenen persönlichen Untersuchung des Sohnes der Beschwerdeführerin basiert, sowie aus dem Beschwerdevorbringen.

Zur Feststellung, wonach über den 30.09.2024 hinaus eine ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege des Sohnes der Beschwerdeführerin erforderlich ist, ist beweiswürdigend wie folgt auszuführen:

Aus dem ärztlichen Gesamtgutachten vom 12.03.2025 ergibt sich keineswegs, dass der Sohn der Beschwerdeführerin über den 30.09.2024 hinaus keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege mehr bedarf. So wird auf Seite 6 des Gutachtens eindeutig bejaht, dass - für die Beurteilung des aktuellen Zustandes – behinderungsbedingt ständige (regelmäßige) persönliche Hilfe und besondere Pflege erforderlich ist. Dies wird auf Seite 7 des Gutachtens unter der Überschrift „Stellungnahme:“ mit dem Text: „[…] b) Ständige (mehrmals in der Woche regelmäßige) persönliche Hilfe bzw. besondere Pflege ist erforderlich“ nochmals mit „Ja“ bestätigt.

Es wird somit im Gutachten vom 12.03.2025 eindeutig und mehrfach bejaht, dass ständige persönliche Hilfe bzw. besondere Pflege erforderlich ist. Es ist daher in keiner Weise nachvollziehbar, wieso in der chefärztlichen Stellungnahme vom 18.03.2025 dennoch zu dem Schluss gelangt wird, dass die Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nur für den Zeitraum 01.01.2022 bis 30.09.2024, nicht jedoch ab dem 01.10.2024 gerechtfertigt sei.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts:

§ 414 Abs. 1 ASVG normiert die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide eines Versicherungsträgers.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. In Ermangelung einer entsprechenden Anordnung der Senatszuständigkeit im ASVG liegt im gegenständlichen Fall Einzelrichterzuständigkeit vor.

Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 59 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde:

Die im vorliegenden Beschwerdefall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) lauten auszugsweise:

„Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes

§ 18a. (1) Personen, die ein behindertes Kind, für das erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, gewährt wird, unter überwiegender Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während dieses Zeitraumes ihren Wohnsitz im Inland haben, längstens jedoch bis zur Vollendung des 40. Lebensjahres des Kindes, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Der gemeinsame Haushalt besteht weiter, wenn sich das behinderte Kind nur zeitweilig wegen Heilbehandlung außerhalb der Hausgemeinschaft aufhält. Eine Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes kann jeweils nur für eine Person bestehen.

(2) […]

(3) Eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft im Sinne des Abs. 1 wird jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind

1. das Alter für den Beginn der allgemeinen Schulpflicht (§ 2 des Schulpflichtgesetzes 1985, BGBl. Nr. 76/1985) noch nicht erreicht hat und ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

2. während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf,

3. nach Vollendung der allgemeinen Schulpflicht und vor Vollendung des 40. Lebensjahres dauernd bettlägerig ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf. […]

Schlussbestimmungen zu Art. 5 des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 3/2013 (78. Novelle)

§ 669. (1) – (2) […]

(3) Die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung nach § 18a kann auf Antrag von Personen, die irgendwann in der Zeit seit dem 1. Jänner 1988 die zum Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Voraussetzungen für diese Selbstversicherung erfüllt haben, nachträglich beansprucht werden, und zwar für alle oder einzelne Monate, längstens jedoch für 120 Monate, in denen die genannten Voraussetzungen vorlagen. § 18 Abs. 2 ist sinngemäß anzuwenden.“

Für gegenständlichen Fall bedeutet dies:

Wie festgestellt, leben die Beschwerdeführerin und ihr Sohn im gemeinsamen Haushalt im Inland.

Die Beschwerdeführerin bezieht im verfahrensrelevanten Zeitraum für ihren Sohn die erhöhte Familienbeihilfe im Sinne des § 8 Abs. 4 FLAG.

Fallgegenständlich ist strittig, ob über den 30.09.2024 hinaus die Arbeitskraft der Beschwerdeführerin überwiegend beansprucht wird.

Im vorliegenden Fall ist unter Berücksichtigung des Alters des Sohnes der Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlichen Zeitraum § 18a Abs. 3 Z 2 ASVG einschlägig. Gemäß § 18a Abs. 3 ASVG wird eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft jedenfalls dann angenommen, wenn und so lange das behinderte Kind während der Dauer der allgemeinen Schulpflicht wegen Schulunfähigkeit (§ 15 des Schulpflichtgesetzes 1985) entweder von der allgemeinen Schulpflicht befreit ist oder ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bedarf.

Da eine Befreiung von der Schulpflicht unstrittig nicht vorliegt, ist für die Frage der überwiegenden Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin somit relevant, ob ihr Sohn im verfahrensrelevanten Zeitraum einer ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedurfte (vgl. zum Maßstab der „ständigen persönlichen Hilfe und besonderen Pflege“ auch jüngst VwGH 17.10.2023, Ra 2021/08/0142).

Es ist unter Zuhilfenahme medizinischer Sachverständiger zu klären, in welchen Belangen das Kind der persönlichen Hilfe und besonderen Pflege bedarf und ob bei Unterbleiben der Betreuung durch den pflegenden Elternteil das Kind im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind, dem diese Zuwendung zu Teil wurde, in seiner Entwicklung benachteiligt und gefährdet wäre (VwGH 16.11.2005, 2003/08/0261). In seinem Erkenntnis vom 19.01.2017, Ro 2014/08/0084, betonte der Verwaltungsgerichtshof, dass die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG – im Gegensatz zu § 18b ASVG – nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien abstellt.

Inhaltlich versteht der Verwaltungsgerichtshof diese Bestimmung wohl so, dass das Kind aufgrund seiner Behinderung zwar nicht körperlich hinfällig ist, aber aus anderen Gründen (insbesondere auch aufgrund einer geistigen Behinderung) rund um die Uhr einer intensiven persönlichen Betreuung bedarf, ohne die es gänzlich außerstande wäre, seinen Tagesablauf zu bewältigen. Der Begriff „ständig“ kann wohl nur so verstanden werden, wonach ständiger Pflegebedarf vorliegt, wenn dieser täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich regelmäßig gegeben ist (vgl. Pfeil in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 18a ASVG, Rz 9-10 [Stand1.10.2023, rdb.at]).

Die Beurteilung im angefochtenen Bescheid der PVA, wonach die Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege des behinderten Kindes mit 30.09.2024 endet, beruht auf der chefärztlichen Stellungnahme vom 18.03.2025, in welcher ausgeführt wird, dass aufgrund des festgestellten Leidenszustandes eine Selbstversicherung nach § 18a ASVG wegen ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege des behinderten Kindes nur für den Zeitraum 01.01.2022 – 30.09.2024 gerechtfertigt sei; seit 09/2024 besuche der Sohn normal die Volksschule mit einem Lehrerwechsel nach zwei Wochen. Seine neue Klassenlehrerin habe selber Zöliakie, sodass nur mehr gelegentliche Telefonate mit der Lehrerin stattfinden müssten. Der Sohn fahre selbständig um 07:00 früh mit dem Bus in die Schule und komme zwischen 12:00 und 13:00 mit dem Bus selbständig nach Hause. Eine Nachuntersuchung sei nicht notwendig.

Festzuhalten ist, dass es sich bei der chefärztlichen Stellungnahme vom 18.03.2025 um kein Gutachten handelt. Ein Sachverständigengutachten muss grundsätzlich einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden, wie etwa Zitierung entsprechender Fachliteratur o.ä. - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn.

Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar (vgl. VwGH vom 27.02.2015, Zl. 2012/06/0063).

Zum ärztlichen Gesamtgutachten vom 12.03.2025, auf welchem die Einschätzung in der chefärztlichen Stellungnahme vom 18.03.2025 beruht, ist auszuführen, dass sich aus diesem Gutachten jedoch keineswegs ergibt, dass der Sohn der Beschwerdeführerin über den 30.09.2024 hinaus keiner ständigen persönlichen Hilfe und besonderer Pflege bedarf. Wie beweiswürdigend ausgeführt, kann aus dem Gutachten vom 12.03.2025 geschlossen werden, dass die Beschwerdeführerin im verfahrensgegenständlich relevanten Zeitraum ab 30.09.2024 täglich, zumindest jedenfalls mehrmals wöchentlich, Pflegetätigkeiten verrichtete, welche erforderlich waren und ohne die ihr Sohn im Verhältnis zu einem ähnlich behinderten Kind benachteiligt wäre bzw. gewesen wäre.

Die chefärztliche Stellungnahme vom 18.03.2025 trat – wie oben dargestellt - dem Gutachten vom 12.03.2025 nicht auf gleicher fachlicher Ebene in Form eines Gutachtens entgegen. Das Vorbringen der belangten Behörde in der Stellungnahme vom 16.06.2025, wonach die chefärztliche Stellungnahme kein ärztliches Gutachten darstelle, sondern als sogenannte Oberbegutachtung des erstellten ärztlichen Gutachtens anzusehen sei, bestätigt, dass gerade die chefärztliche Stellungnahme kein Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene ist. Zudem hätte auch eine Oberbegutachtung zu einem neuerlichen Gutachten führen müssen, um auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten.

Wenn die PVA in der Stellungnahme vom 16.06.2025 weiters auf die Entscheidung des VwGH vom 17.10.2023, Ra 2021/08/0142, verweist und in Bezug darauf ausführt, dass unter Bezugnahme auf die im BPGG und in der Einstufungs-VO zum BPGG angeführten Mindest-, Richt- und Fixwerte zu erheben ist, ob eine maßgebliche Grenze von 90 Stunden monatlich überschritten werde, dieses Stundenausmaß im gegenständlichen Fall jedoch nicht vorliege, so ist dem entgegenzuhalten, dass, wie oben bereits ausgeführt, die Legaldefinition des § 18a Abs. 3 ASVG – im Gegensatz zu § 18b ASVG – nicht (primär) auf eine zeitliche Inanspruchnahme durch die Pflege (Anzahl der Pflegestunden), sondern auf speziell für behinderte Kinder zugeschnittene andere Kriterien abstellt. Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang weiters darauf, dass, wenn das Erfordernis ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege bejaht wird (wie dies gegenständlich im Gutachten vom 12.03.2025 der Fall ist), bei Verwirklichung eines der Tatbestände des § 18a Abs. 3 ASVG die gesetzliche Vermutung, derzufolge die Arbeitskraft der Pflegeperson durch die Pflege auf jeden Fall gänzlich in Anspruch genommen ist und diese Beanspruchung daher von der Behörde nicht gesondert zu untersuchen ist (vgl. VwGH vom 17.10.2023, Ra 2021/08/0142, RZ 23f).

In einer Gesamtschau ist festzuhalten, dass die von der Beschwerdeführerin geschilderten Betreuungsmaßnahmen im Hinblick auf die besonderen Bedürfnisse ihres Sohnes als notwendig anzusehen sind, damit ihm eine normale körperliche und psychische Entwicklung ermöglicht wird. Die ständige persönliche Hilfe und besondere Pflege zeigt sich insbesondere durch die Zubereitung von glutenfreien Nahrungsmitteln sowie die erforderlichen Erziehungsmaßnahmen zur Gewöhnung an die vorgeschriebene Ernährungsweise sowie in der generellen Überwachung der Ernährung des Sohnes.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass über den 30.09.2024 hinaus ein Bedarf ständiger persönlicher Hilfe und besonderer Pflege im Sinne des § 18a Abs. 3 ASVG und eine überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft der Beschwerdeführerin im Sinne des § 18a Abs. 1 ASVG gegeben ist.

Die Voraussetzungen für die Selbstversicherung der Beschwerdeführerin in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege ihres behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG liegen daher über den 30.09.2024 hinaus vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Der Ausspruch der Unzulässigkeit der Revision beruht auf dem Umstand, dass anhand der ständigen Rechtsprechung zur Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege eines behinderten Kindes gemäß § 18a ASVG Einzelfallfragen insbesondere zum Thema überwiegende Beanspruchung der Arbeitskraft in Bezug auf klare gesetzliche Bestimmungen zu klären waren.