JudikaturVwGH

Ra 2024/09/0079 8 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
24. April 2025

Das VwG zog gegenständlich zur Beurteilung der Frage des Vorliegens eines Disziplinarvergehens nach § 136 Abs. 1 ÄrzteG 1998 ausschließlich und für sich isoliert die Äußerungen des Revisionswerbers, dass die Vorschriften zum Tragen von FFP2-Masken eine "vorsätzliche Körperverletzung" und eine "Strafverschärfung für die Bevölkerung" darstellten, heran. Es wäre aber nicht in erster Linie darauf abzustellen gewesen, was aus juristischer Sicht unter "Vorsatz", "Körperverletzung" oder "Strafverschärfung" verstanden wird, sondern wie diese Äußerungen von einem verständigen Zuhörer aus dem Gesamtzusammenhang der fachlichen Darlegungen des Revisionswerbers in seinem Diskussionsbeitrag aufzunehmen waren, wobei auch bei der Beurteilung provozierender Äußerungen als Disziplinarvergehen besondere Zurückhaltung geboten ist. Auch wenn diese Schutzmaßnahmen in der Rsp. der Höchstgerichte als nicht außer Verhältnis zum Gewicht der damit verfolgten Zielsetzung beurteilt wurden (VwGH 21.10.2022, Ra 2022/09/0043 bis 0044), führt dies für sich genommen noch nicht dazu, dass - auch grobe - Kritik an einer solchen Maßnahme jedenfalls als disziplinär zu beurteilen wäre. Die mit einer Disziplinierung erfolgende Einschränkung der Meinungsäußerungsfreiheit hat vielmehr im Einzelfall zu einem in Art. 10 Abs. 2 EMRK genannten Ziel im Sinn eines zwingenden sozialen Bedürfnisses insbesondere der Gesundheit erforderlich zu sein (VwGH 29.10.2019, Ra 2019/09/0010).