JudikaturVwGH

Ra 2019/22/0017 1 – Verwaltungsgerichtshof (VwGH) Rechtssatz

Rechtssatz
25. Juli 2019

Art. 20 AEUV steht nationalen Maßnahmen einschließlich Entscheidungen, mit denen Familienangehörigen eines Unionsbürgers der Aufenthalt verweigert wird, entgegen, die bewirken, dass den Unionsbürgern der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihnen ihr Status verleiht, verwehrt wird. Es gibt ganz besondere Sachverhalte, in denen einem Drittstaatsangehörigen, der Familienangehöriger eines Unionsbürgers ist, ein Aufenthaltsrecht eingeräumt werden muss, obwohl das für das Aufenthaltsrecht von Drittstaatsangehörigen geltende Sekundärrecht nicht anwendbar ist und der betreffende Unionsbürger sein Recht auf Freizügigkeit nicht ausgeübt hat, da sonst die Unionsbürgerschaft ihrer praktischen Wirksamkeit beraubt würde, wenn sich der Unionsbürger infolge der Verweigerung des Aufenthaltsrechts de facto gezwungen sähe, das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen, und ihm dadurch der tatsächliche Genuss des Kernbestands der Rechte, die ihm dieser Status verleiht, verwehrt würde. Die Weigerung, einem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht zu gewähren, kann die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft jedoch nur dann beeinträchtigen, wenn zwischen ihm und dem Unionsbürger, der sein Familienangehöriger ist, ein Abhängigkeitsverhältnis besteht, das dazu führen würde, dass der Unionsbürger gezwungen wäre, den betreffenden Drittstaatsangehörigen zu begleiten und das Gebiet der Union als Ganzes zu verlassen (vgl. EuGH 8.5.2018, K.A. u.a., C-82/16). Auch wenn im soeben zitierten Urteil davon die Rede ist, dass ein Unionsbürger gezwungen wäre, das Gebiet der Union zu verlassen, hat der VwGH keine Zweifel, dass einem Drittstaatsangehörigen ein Aufenthaltsrecht auch dann einzuräumen ist, wenn ansonsten ein (sich aktuell nicht im Gebiet der Europäischen Union aufhaltender) Unionsbürger daran gehindert wäre, seinen Aufenthalt im Gebiet der Union zu nehmen. Ein bestehendes tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis kann die praktische Wirksamkeit der Unionsbürgerschaft beeinträchtigen (vgl. VwGH 17.6.2019, Ra 2018/22/0195).

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