Leitsatz
Auswertung in Arbeit
Spruch
Die Anfechtungen werden zurückgewiesen.
Begründung
1. Am 16. März 2025 fanden in der Gemeinde Nenzing die mit Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 22. November 2024, LGBl 72/2024, ausgeschriebenen Wahlen in die Gemeindevertretung und des Bürgermeisters statt. Am 30. März 2025 fand in dieser Gemeinde die Stichwahl für die Wahl des Bürgermeisters statt.
2. Die Wählergruppe "Liste Sauberes Nenzing – SPÖ und Parteifreie", deren Zustellungsbevollmächtigter der Anfechtungswerber ist, hat einen Wahlvorschlag für die Wahl in die Gemeindevertretung sowie einen Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters in der Gemeinde Nenzing erstattet. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Nenzing hat in ihrer Sitzung vom 18. Februar 2025 beschlossen, dass der Wahlvorschlag für die Wahl in die Gemeindevertretung gemäß §18 Abs6 litd GWG als nicht eingebracht gelte, weil die Frist für die Verbesserung des Wahlvorschlages ungenützt verstrichen sei, sowie, dass der Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters gemäß §22 Abs2 lite GWG ungültig sei. Die Wahlvorschläge der Wählergruppe "Liste Sauberes Nenzing – SPÖ und Parteifreie" waren in weiterer Folge in den Kundmachungen der Wahlvorschläge nicht enthalten.
3. Mit seiner zur Zahl WI1/2025 protokollierten, am 19. März 2025 eingebrachten, auf Art141 Abs1 lita B VG gestützten Anfechtung begehrt der Anfechtungswerber insbesondere, der Verfassungsgerichtshof wolle "die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen in der Marktgemeinde Nenzing vom 16.03.2025 zur Gänze für nichtig erklären sowie eine Wiederholungswahl anordnen". Mit seiner zur Zahl WI4/2025 protokollierten, am 13. April 2025 eingebrachten, auf Art141 Abs1 lita B VG gestützten Anfechtung begehrt der Anfechtungswerber insbesondere, der Verfassungsgerichtshof wolle "die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen in der Marktgemeinde Nenzing vom 16.03.2025 samt dem zweiten Wahlgang vom 30.03.2025 zur Gänze für nichtig erklären sowie eine Wiederholungswahl anordnen". In der zur Zahl WI4/2025 protokollierten Anfechtung führt der Anfechtungswerber ua aus, zur Sicherstellung der Rechtzeitigkeit der umfassenden Anfechtung der Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen in der Gemeinde Nenzing vom 16. März 2025 samt dem zweiten Wahlgang vom 30. März 2025 erscheine die nochmalige Einbringung der Wahlanfechtung alternativlos.
Begründend führt der Anfechtungswerber in beiden Anfechtungsschriften gleichlautend im Wesentlichen aus, ihm seien seitens der Gemeindewahlbehörde hinsichtlich seines Wahlvorschlages die Mängel nicht aufgezeigt und ihm sei kein klarer und konkreter Verbesserungsauftrag erteilt worden. Dies stelle böswilliges Verhalten der Gemeindewahlbehörde dar. Der Gemeindewahlleiter und dessen Stellvertreter seien dem Anfechtungswerber gegenüber befangen gewesen.
4. Die Gemeindewahlbehörde hat zur Zahl WI1/2025 die bezughabenden Wahlakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie zur Zulässigkeit der Anfechtung ausführt, dem Anfechtungswerber mangele es von vornherein an der Berechtigung zur Wahlanfechtung. Die Anfechtung der Wahl hätte durch die "Liste Sauberes Nenzing – SPÖ und Parteifreie" erfolgen müssen. Die Anfechtung sei daher schon aus diesem Grund als unzulässig zurückzuweisen.
5. Die – in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO iVm §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen – Anfechtungen sind unzulässig:
5.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof unter anderem über die Anfechtung von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, somit auch über die Anfechtung von Wahlen zum Gemeinderat (vgl VfSlg 19.247/2010, 19.278/2010, 19.981/2015, 19.982/2015, 20.044/2016). Gemäß Art141 Abs1 litb B VG entscheidet der Verfassungsgerichtshof zudem über Anfechtungen von Wahlen in die mit der Vollziehung betrauten Organe der Gemeinde, so auch über die Anfechtung einer Direktwahl des Bürgermeisters (vgl VfSlg 19.246/2010, 19.908/2014, 20.006/2015, 20.024/2015, 20.044/2016, 20.550/2022).
5.2. Gemäß §67 Abs2 zweiter Satz VfGG (vgl zu dessen sinngemäßer Anwendung auf die Anfechtung einer Direktwahl des Bürgermeisters VfSlg 13.504/1993, 15.285/1998, 19.908/2014, 20.044/2016, 20.550/2022) sind zur Anfechtung der Wahl grundsätzlich jene Wählergruppen berechtigt, die bei der Wahlbehörde rechtzeitig Wahlvorschläge für die angefochtene Wahl vorgelegt haben. Dazu nimmt der Verfassungsgerichtshof seit dem Erkenntnis VfSlg 4992/1965 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt ein, dass die Anfechtungslegitimation, jedenfalls soweit die Frage der Gültigkeit des eingereichten Wahlvorschlages das Ergebnis der Wahlanfechtung mitbestimmt, nicht zusätzlich davon abhängt, ob dieser Wahlvorschlag rechtswirksam erstattet wurde (zB VfSlg 18.932/2009, 19.021/2010, 20.024/2015, 20.550/2022 jeweils mwN).
5.3. Die Anfechtung einer Wählergruppe hat durch deren zustellungsbevollmächtigten Vertreter zu erfolgen (VfSlg 8864/1980, 9688/1983, 9944/1984; VfGH 28.11.2006, WI3/2006; 25.6.2025, WI5/2025). Nicht anfechtungslegitimiert ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes hingegen ein Anfechtungswerber bzw ein einzelner Wahlwerber einer Wählergruppe, der eine Wahl im eigenen Namen anficht, mag er auch zustellungsbevollmächtigter Vertreter einer Wählergruppe sein (VfSlg 12.595/1990; vgl dazu auch VfSlg 13.628/1993; VfGH 9.1.2017, WI14/2016, G1/2017; 8.6.2020, WI1/2020; 14.11.2022, WI6/2022).
5.3.1. Ein solcher Fall liegt hier vor. Sowohl die zur Zahl WI1/2025 protokollierte als auch die zur Zahl WI4/2025 protokollierte Anfechtungsschrift ist ausweislich des jeweiligen Rubrums jeweils vom "Anfechtungswerber" "***" eingebracht. Beide Anfechtungsschriften sind mit "***" unterschrieben.
5.3.2. Auch den weiteren Ausführungen in den Anfechtungsschriften kann nicht entnommen werden, dass der Anfechtungswerber die Wahl in seiner Funktion als zustellungsbevollmächtigter Vertreter im Sinne des §67 Abs2 zweiter Satz VfGG für eine und namens einer Wählergruppe anficht. Vielmehr wird in den Schriftsätzen mehrmals ausdrücklich Bezug auf den "Anfechtungswerber" genommen. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Anfechtungswerber (in beiden Anfechtungsschriften gleichlautend) seine Legitimation zur Anfechtung damit begründet, er "sei einerseits selbst Wahlwerber […] sowie andererseits auch zustellungsbevollmächtigter Vertreter der Wahlwerberin 'Liste Sauberes Nenzing – SPÖ und Parteifreie'". Vielmehr unterstreicht diese Formulierung, dass die Anfechtung vom Anfechtungswerber im eigenen Namen erhoben wird (vgl VfSlg 13.427/1993; VfGH 24.9.2021, WI2/2021 ua).
5.4. Gemäß §67 Abs2 letzter Satz VfGG kann eine Wahlanfechtung auch der Wahlwerber einbringen, der behauptet, dass ihm die Wählbarkeit im Wahlverfahren rechtswidrig aberkannt wurde. Dies trifft auf den Anfechtungswerber auf Grund der nachfolgenden Erwägungen nicht zu:
5.4.1. Der Verfassungsgerichtshof hat in VfSlg 6739/1972 ausgesprochen, dass unter Aberkennung der Wählbarkeit nur solche Maßnahmen zu verstehen sind, durch die der Wahlwerber davon ausgeschlossen wird, gewählt zu werden; andere Maßnahmen im Verlaufe des Wahlverfahrens, mögen sie auch auf die Wahl und die durch diese bedingte Position des Wahlwerbers von Einfluss sein, haben keinen Einfluss auf die Wählbarkeit. Unter Aberkennung der Wählbarkeit ist demgemäß insbesondere auch die Nichtzulassung zur Wahl aus in der Person des Wahlwerbers gelegenen Gründen zu verstehen, nicht hingegen die Zurückweisung eines Wahlvorschlages aus anderen Gründen (vgl VfSlg 18.552/2008, 19.021/2010, 19.278/2010, 20.006/2015, 20.381/2020, 20.439/2021).
5.4.2. Wie sich aus der Niederschrift der Gemeindewahlbehörde vom 18. Februar 2025 ergibt, erfolgte die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge der Wählergruppe "Liste Sauberes Nenzing – SPÖ und Parteifreie" deshalb, weil die Frist für die Verbesserung des Wahlvorschlages für die Wahl in die Gemeindevertretung ungenützt verstrichen und der Wahlvorschlag für die Wahl des Bürgermeisters in weiterer Folge gemäß §22 Abs2 lite GWG ungültig war. Somit waren für die Nichtveröffentlichung der Wahlvorschläge nicht in der Person des Wahlwerbers gelegene Gründe ausschlaggebend (vgl VfSlg 19.021/2010, 20.439/2021).
5.5. Die vom Anfechtungswerber im eigenen Namen erhobenen Anfechtungen sind sohin mangels Legitimation zurückzuweisen.
5.6. Bei diesem Ergebnis kann dahinstehen, ob die Anfechtungsbefugnis in dieser konkreten Konstellation mit der zur Zahl WI1/2025 protokollierten Anfechtung im Hinblick auf die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen am 16. März 2025 bereits verbraucht war (vgl VfSlg 11.256/1987, 14.556/1996 mwN, 15.701/1999, 20.438/2021, 20.460/2021), mit der Konsequenz, dass die zur Zahl WI4/2025 protokollierte – die Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen am 16. März 2025 sowie die Stichwahl für die Wahl des Bürgermeisters am 30. März 2025 umfassende – Anfechtung (jedenfalls) in diesem Umfang zurückzuweisen wäre.
6. Dieser Beschluss konnte gemäß §19 Abs3 Z2 lite VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.