WI14/2016, G1/2017 – Verfassungsgerichtshof (VfGH) Entscheidung
Spruch
I. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe wird abgewiesen.
II. Die Wahlanfechtung wird zurückgewiesen.
III. Der Gesetzesprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
Begründung
1. Am 4. Dezember 2016 fand die (mit §26b Abs2 Bundespräsidentenwahlgesetz 1971 – BPräsWG, BGBl 57/1971 idF BGBl I 86/2016, ausgeschriebene) Wiederholung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl 2016 statt.
2. Mit Eingabe vom 9. Dezember 2016 erstattet der Anfechtungswerber "Anzeige wegen Rechts[verstöße]" und stellt einen "Antrag auf Nichtigkeitserklärung der Bundespräsidentschaftswahl vom 04. Dezember 2016" sowie auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer "Wahlanfechtung". In seinem Schriftsatz bringt der Anfechtungswerber zunächst Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des – die Anfechtungslegitimation regelnden – §21 Abs2 BPräsWG vor und stellt "[i]m Falle der Verweigerung der Anerkennung [s]einer legitimen Antragslegitimation" den "Antrag auf ein VfGH-Erkenntnis nach Artikel 140 c) B VG". In der Sache macht der Anfechtungswerber geltend, dass bei pflegebedürftigen besachwalteten Personen die "gesetzlich vorgeschriebene Ausweispflicht samt persönlicher Ausübung des Wahlrechts ohne fremd[e] Beeinflussung nicht erfüllbar" sei.
3. Gemäß Art141 Abs1 lita B VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten (vgl. VfSlg 10.951/1986, 13.068/1992, 13.071/1992, 15.168/1998, 15.169/1998, 17.191/2004, 17.192/2004; VfGH 1.7.2016, WI6/2016).
3.1. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner bisherigen Rechtsprechung hervorgehoben hat, ist die Anfechtungslegitimation lediglich bei Fehlen entsprechender bundesgesetzlicher Regelungen unmittelbar aus Art141 B VG selbst abzuleiten (vgl. VfSlg 9044/1981, 9912/1984, 15.816/2000, 19.648/2012, 19.785/2013; VfGH 18.2.2016, WIII1/2016; 15.10.2016, WIV1/2016). Die Bestimmungen betreffend die Anfechtungslegitimation von Wahlen im Sinne des Art141 Abs1 lita B VG sind grundsätzlich in §67 Abs2 VfGG enthalten; für die Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten enthält jedoch §21 Abs2 BPräsWG eine entsprechende Regelung: Demnach kann die Wahlentscheidung der Bundeswahlbehörde (§21 Abs1 BPräsWG) beim Verfassungsgerichtshof nur "vom zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages (§9) angefochten werden".
3.2. Die Legitimation zur Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten ist somit allein auf Grund dieser – gegenüber §67 Abs2 VfGG speziellen – Regelung (lex specialis) des §21 Abs2 BPräsWG zu beurteilen (s. VfSlg 10.951/1986; vgl. ferner auch VfSlg 9032/1981, wonach unter einer "Wahlanfechtung" iSd §68 Abs1 VfGG jede Wahlanfechtung zu verstehen ist, für die nicht Sonderbestimmungen bestehen). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die die Anfechtung von Wahlen beim Verfassungsgerichtshof allgemein regelnde Bestimmung des §67 VfGG mit dem Kundmachungsreformgesetz 2004, BGBl I 100/2003, dahingehend ergänzt wurde, dass in dieser Bestimmung nunmehr auch die Wahl des Bundespräsidenten ausdrücklich genannt wird. Es ist auszuschließen, dass mit dieser gesetzlichen Regelung – die ausweislich der Gesetzesmaterialien (vgl. RV 93 BlgNR 22. GP, 14) allein eine Vervollständigung der in §67 Abs1 erster Satz VfGG enthaltenen Aufzählung jener Wahlen intendierte, die beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden können – eine Änderung der speziellen Regelung des BPräsWG über die Voraussetzungen für die (zulässige) Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten bewirkt worden wäre (vgl. VfSlg 17.191/2004, 17.192/2004; VfGH 18.6.2016, WI7/2016; 18.6.2016, WI8/2016; 18.6.2016, WI11/2016; 28.6.2016, WI5/2016; 28.6.2016, WI9/2016).
3.3. §21 Abs2 BPräsWG beinhaltet somit eine ausdrückliche und abschließende Regelung über die Anfechtungslegitimation.
3.4. Soweit der Anfechtungswerber die Verfassungsmäßigkeit der Regelung der Anfechtungslegitimation in §21 Abs2 BPräsWG in Zweifel zieht, ist festzuhalten, dass der Verfassungsgerichtshof – auch vor dem Hintergrund des Vorbringens – keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Verfahren präjudiziellen Bestimmungen des BPräsWG betreffend die Anfechtungslegitimation hegt, wobei auf die diesbezüglichen Ausführungen in der Entscheidung VfGH 18.6.2016, WI7/2016, verwiesen werden kann.
4. Auf den Anfechtungswerber treffen die Voraussetzungen des §21 Abs2 BPräsWG zur Anfechtung der Wahl des Bundespräsidenten schon deshalb nicht zu, weil er die Wahl im eigenen Namen und nicht als "zustellungsbevollmächtigte[r] Vertreter eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages" anficht. Auch sonst hat der Anfechtungswerber nichts vorgebracht, was seine Anfechtungslegitimation begründen könnte. Mangels Legitimation ist daher die Anfechtung als unzulässig zurückzuweisen, ohne dass auf das sonstige Vorbringen in der Anfechtungsschrift eingegangen werden muss (vgl. VfSlg 15.169/1998, 17.192/2004; VfGH 8.6.2004, WI7/04; 18.6.2016, WI8/2016; 28.6.2016, WI5/2016).
5. Da somit die vom Anfechtungswerber beabsichtigte Rechtsverfolgung vor dem Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos erscheint, muss sein unter einem gestellter Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe abgewiesen werden (§63 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG).
6. Soweit in der Anfechtungsschrift "[i]m Falle der Verweigerung der Anerkennung [der] legitimen Antragslegitimation" ein auf Art140 Abs1 Z1 litc B VG gestützter (Individual-)Antrag gestellt wird, ist darauf zu verweisen, dass es sich bei diesem Antrag nicht etwa um einen – grundsätzlich zulässigen – Eventualantrag handelt, der an ein Hauptbegehren anknüpft, sondern um ein Begehren, das nur dann als erhoben gelten soll, wenn der Verfassungsgerichtshof in einem anderen Verfahren, nämlich in jenem über die Anfechtung, zu einer der Bedingung entsprechenden Rechtsmeinung (über die Anfechtungslegitimation) gelangen sollte. Ein bedingter Antrag dieser Art erweist sich jedoch, weil ihm ein "bestimmtes Begehren" iSd §15 Abs2 VfGG fehlt, als unzulässig (VfSlg 13.866/1994 mwN; VfGH 12.6.2007, B985/06, G118/06). Der Gesetzesprüfungsantrag ist daher schon aus diesem Grund – ohne dass das Vorliegen sämtlicher Formerfordernisse zu prüfen ist – als unzulässig zurückzuweisen.
7. Diese Beschlüsse konnten gemäß §72 Abs1 ZPO iVm §35 VfGG bzw. §19 Abs3 Z2 lita und lite VfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefasst werden.